Kapitel 7

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Der Mittwochmorgen kostete mich unglaubliche Überwindung. Da ich so wenig geschlafen hatte, war es schon eine Tortur mich aus dem Bett zu quälen. Meine Augen waren umschattet und ich war kalkweiß im Gesicht. Ein Blick in meine Augen sagte mir, dass ich krank war. Sie glänzten fiebrig und starrten mich flehend an, ich möge doch wieder ins Bett schlüpfen. Doch das tat ich nicht. Wenn ich mich heute krank melden würde, hätte Mr Sandrian nur gedacht, dass ich simulierte.

Außerdem brauchten Mrs Scott und Monsieur Fournier mich. Ich konnte also nicht einfach zuhause bleiben.

Wenn ich meinen Plan durchziehen wollte, heute wirklich arbeiten zu gehen, musste ich darauf achten, niemandem im Haus zu begegnen.

Als ich an Sophies Tür vorbeischlich, wurde mir schmerzlich bewusst, wie lang ich die Kleine schon nicht mehr gesehen hatte. Ich war morgens schon zu früh weg und abends zu spät wieder da. Ich nahm mir vor, an diesem Sonntag auf jeden Fall etwas mit ihr zu unternehmen.

Unten begegnete ich Mr George. Ich vermied es tunlichst, ihm in die Augen zu schauen. Er grüßte höflich wie immer und wies dann eines der Dienstmädchen an, mir das Frühstück zu servieren.

Ich hatte nicht wirklich Hunger. Das allein war schon der Beweis, das ich wirklich krank war. Hinzu kamen jedoch noch unglaubliche Kopfschmerzen, die mich seit dem Aufstehen plagten und ein leichter Husten. Ich hatte als kleines Kind häufig Pneumonien also Lungenentzündungen gehabt und seit dem war ich sehr anfällig für Husten gewesen. Ich konnte nur hoffen, dass es dieses Mal nicht dazu kommen würde.

Ich schlich mich heute früher aus dem Haus als sonst. Zum einen, um Henry und Rose nicht zu begegnen, damit sie mich nicht aufhalten konnten und zum anderen, weil ich Monsieur Fournier noch abholen wollte.

Mr Podmore warf mir einen zweifelnden Blick zu, als er meine heiße Hand ergriff, um mir in die Kutsche zu helfen. Er gestikulierte besorgt, doch ich schüttelte nur erschöpft den Kopf, was ich sofort bitter bereute, da mir ein erneuter, stechender Schmerz durch den Kopf schoss und gab ihm Anweisungen, mich zu Monsieur Fournier zu bringen. Er zuckte mit den Achseln und schwang sich wieder auf den Kutschbock.

Es dauerte tatsächlich eine ganze Weile, bis wir Monsieur Fourniers Wohnhaus erreichten. Der Franzose wohnte ganz unten und ich klopfte gegen die halb verfallene Tür. Einen Moment später wurde sie schwungvoll aufgezogen. „Ah, ma chérie. Wie schön, dass Sie sisch die Mühe machen, misch abzuholen“, lächelte er, während er seinen Schnurrbart um den Finger wickelte und sich einen Mantel über die Schulter warf.

Ich betrachtete ihn eingehender und stellte fest, dass Mr Sandrian vollkommen richtig gelegen hatte, als er gesagt hatte, Monsieur Fournier sei Tanzlehrer. Der Mann hatte eine so gerade, elegante Haltung, die nur daher zeugen konnte. So hatte ich bis jetzt nur eine Person laufen sehen und das war Mr Sandrian persönlich. Auch er hatte diese Eleganz im Gang, doch bei ihm war sie strenger, schwermütiger, so als würde ihn etwas nach unten ziehen, eine unsichtbare Last. Seine ganze Ausstrahlung richtete sich danach aus. Er war immer ernst, trug nur schwarze Kleidung und schien von irgendetwas bedrückt zu werden. Ich fragte mich, was es war, dass ihn so melancholisch wirken ließ.

Allerdings hatte ich gerade keine Zeit darüber nachzudenken, da Monsieur Fournier mir die Hand reichte, um mir gentlemanlike in die Kutsche zu helfen. Ich dankte ihm und stieg ein, während er mir folgte.

Er setzte sich mir gegenüber und Mr Podmore ließ die Pferde antraben.
Etwa eine viertel Stunde später stiegen wir in der Straße aus, in der Mrs Scott und ihre Familie lebte.

Gemeinsam mit dem Franzosen, der unablässig geplappert hatte, stieg ich die Treppen nach oben, was einen Schweißausbruch zur Folge hatte. Mir war unglaublich heiß und alles drehte sich. Mein Kopf pochte unangenehm und ich musste mich für einen kurzen Moment am Geländer abstützen. „Ist Ihnen nischt wohl, Miss Silver?“, fragte Monsieur Fournier. „Doch, doch, alles in Ordnung. Klopfen Sie schon mal“, keuchte ich.

Silver LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt