Kapitel 32

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Am Sonntag nach der Rückkehr aus Paris

Mr George betrat den Salon, verbeugte sich höflich und räusperte sich leise. Ich schaute nicht einmal auf, sondern schob mir eine Gabel Kuchen in den Mund. „Mrs Jenkins.“

Ich hob schließlich doch den Kopf und richtete meine Augen auf ihn. „Es ist Besuch für Sie da.“ Ich seufzte.

„Schicken Sie den Besucher fort, wer auch immer es sein mag. Ich bin gerade unabkömmlich.“ Seine Mundwinkel zuckten verräterisch.

„Ich fürchte nur, dass der besagte Besucher sich nicht fortschicken lassen wird.“ Jetzt hatte er meine Aufmerksamkeit und leider auch die meiner Mutter und Kurts. Ich stand auf und warf meinem Mann einen Blick zu, der ihm sagte, er solle sitzenbleiben. Zu meiner Erleichterung lehnte er sich gelassen zurück, doch meine Mutter war nicht so leicht abzuschütteln.

Gemeinsam mit ihr trat ich ins Foyer und wurde leichenblass. Im Türrahmen stand Leander und lächelte mir entgegen. „Miss Silver, Mrs Silver. Wie schön, Sie beide anzutreffen.“

Ich schloss die Augen. Wie sehr hatte ich diese Stimme in den letzten vier Wochen vermisst? Wie sehr hatte ich mir gewünscht, er möge mich auf diese Weise anlächeln? Und doch musste ich dafür sorgen, dass dieses Lächeln erstarb, dass er wieder ging.

„Weder Miss, noch Silver“, flüsterte ich gequält. Da ich es nicht ertrug, ihn anzusehen, wandte ich mich an meine Mutter. „Bitte lass uns für einen Moment allein.“ Sie sah aus, als wolle sie protestieren. „Du hast uns unsere Zukunft geraubt, jetzt lass mir wenigstens die Chance, es ihm zu erklären“, zischte ich. Sie nickte und ließ uns allein.

„Raven, was…“ „Komm bitte rein, Leander“, bat ich ihn sanft. Sein Gesicht war nun ganz und gar nicht mehr glücklich, doch er folgte meiner Bitte. Ich öffnete die Tür zu Henrys Büro und ließ ihn eintreten. Dann verschloss ich die Tür sorgsam hinter uns und drehte den Schlüssel um.

„Raven, kannst du mir bitte erklären, was das alles zu bedeuten hat?“
Ich verschränkte die Hände hinter meinem Rücken, damit er nicht sah, wie sehr sie zitterten. Mir war eiskalt und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihn zu berühren. „Ich heiße ab jetzt Mrs Jenkins, Leander. Ich habe geheiratet.“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist ein schlechter Scherz, oder? Sag mir bitte, dass du das nicht ernst meinst.“ In seiner Stimme lag ein Flehen, das mir körperliche Schmerzen zufügte. Statt einer Antwort hielt ich ihm meine linke Hand hin, an der der Ring glänzte.

Ich wagte einen Blick in seine ebenmäßigen Gesichtszüge und bereute es sofort. Ich sah, dass ich ihm erneut das Herz gebrochen hatte. Seine Augen waren dumpf und hatten ihren Glanz verloren.

Ich versuchte, nach seiner Hand zu greifen, doch er zuckte zurück. „Fass mich nicht an!“, fuhr er mich an. Knacks! Das war mein eigenes Herz gewesen, das zerbrochen war in tausend winzige Splitter, die sich tief in mich hineingruben. „Es tut mir leid, wirklich. Das musst du mir glauben.“

Seine Lippen kräuselten sich ironisch. „Vergib mir die Direktheit, aber du hast in den letzten Minuten ziemlich an Glaubwürdigkeit verloren.“ Seine Stimme war schneidend kalt und Tränen flossen mir nun in Strömen über die Wangen. Ein Muskel zuckte an seinem Kinn und verriet mir, dass er zögerte, mich anzufahren, wenn ich Schwäche zeigte.

„Liebst du ihn?“ Überrascht schaute ich zu ihm hoch. Er hatte grimmig die Arme vor der Brust verschränkt und sah doch verletzlich aus. „Nein, natürlich nicht.“ „Verdammt, Raven, dann erklär es mir!“

Ich konnte nicht. Er durfte den wahren Grund nicht wissen. Er würde sich selbst die Schuld geben und das konnte ich ihm nicht antun.

„Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst“, murmelte ich. Fassungslos starrte er mich an. „Du meinst das nicht ernst, Raven. Das weiß ich. Ich kenne dich. Du hättest diesen Mann nicht ohne Grund geheiratet.“ Es tat mir so sehr weh, ihn so aufgewühlt zu sehen, doch ich konnte ihm die Last nicht nehmen. Im Gegenteil, ich musste sie nur noch verschlimmern.

„Du kennst mich gar nicht, denn sonst wärst du längst gegangen. Uns trennen Welten. Wir könnten niemals zusammen sein und das weißt du tief in deinem Inneren auch. Kurt war die beste Wahl für mich.“ Keine Sekunde länger ertrug ich seinen Blick, der mich zu durchdringen schien und wandte ihm den Rücken zu. Eine ganze Weile sagte er nichts. „Geh jetzt.“ „Erst, wenn du mir in die Augen schaust und mir ins Gesicht sagst, dass du es ernst meinst.“ „Ich meine es überaus ernst und ich werde dich nicht noch einmal auffordern zu gehen“, erwiderte ich mit zittriger Stimme.

Silver LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt