Kapitel 15

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„Mrs Pennyweather, kommen Sie bitte herein", rief ich die junge Frau auf und warf ihr ein Lächeln zu, das sie skeptisch zur Kenntnis nahm. Ich hatte meine Chance offensichtlich vertan. Ich seufzte und hielt ihr die Tür auf. Mr Sandrian saß hinter seinem Schreibtisch und blickte kurz auf, als sie eintrat. Dann richtete er seinen Blick wieder auf die Dokumente, die er gerade durchgesehen hatte.

Seit gestern Nachmittag waren wir beide zwanghaft um Höflichkeit miteinander bemüht, da uns beiden der Streit noch immer im Ohr nachhallte.

„Miss Silver, können Sie bitte schon mal nach Mrs Pennyweather schauen? Ich bin sicher, Sie wissen noch, was zu tun ist", fragte er und ich lächelte in mich hinein. „Natürlich, Mr Sandrian."

Ich deutete auf die Pritsche, wo sie Platz nahm und mich mit einem wenig vertrauensvollen Blick musterte.

Zuallererst wusch ich meine Hände, dann nahm ich ihre Handbandagen ab und reinigte die schweren Brandwunden an ihren Händen, die schon besser aussahen, als noch vor zwei Wochen. Dann trug ich die Salbe auf, die auch Mr Sandrian verwendet hatte und verband alles neu. „Und, was denken Sie, Miss Silver?", fragte Mrs Pennyweather mich. „Ihre Hände verheilen sehr gut. Bald werden sie wieder wie neu sein, glauben Sie mir." Zum ersten Mal lächelte sie mich an. „Das sind gute Nachrichten."

Ich nickte und fragte: „Haben Sie noch Fragen?" Sie schüttelte den Kopf und stand auf. „Vielen Dank und auf Wiedersehen. Guten Tag, Mr Sandrian", verabschiedete sie sich und der Arzt nickte ihr freundlich zu.

„Gute Besserung, Mrs Pennyweather."
Sie verließ den Raum und ich seufzte.

Seit heute Morgen gingen die Leute ein und aus und es gab kaum eine Pause. Nicht einmal das Wartezimmer schien leerer zu werden.

Erschöpft, aber zufrieden lehnte ich mich gegen den Türrahmen und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, machten den aufgewirbelten Staub sichtbar und ich wünschte mir, wenigstens für ein paar Minuten frische Luft schnappen zu können.

„Gehen Sie ruhig und machen Sie ein wenig Pause", schlug Mr Sandrian vor. Er hatte mich offensichtlich beobachtet und schaute mich auffordernd an.

„Sind Sie sicher?", fragte ich ihn. Er nickte. „Natürlich. Ich habe die Arbeit auch geschafft, bevor Sie gekommen sind", meinte er mit einem kleinen Lächeln. „Vielen Dank. Ich kann wirklich eine Pause gebrauchen", gestand ich und holte mir meinen Mantel. „Bis später."

Draußen atmete ich tief die warme Frühlingsluft ein und ließ mein Gesicht von der Sonne bescheinen. „Guten Tag, Raven", erklang eine freundliche Stimme hinter mir. Ich drehte mich zu Arianna um und lächelte. „Hallo. Wie schön dich zu treffen." „Ja, tatsächlich."

Unentschlossen stand ich da und schaute sie an. „Möchtest du etwas essen?", fragte ich schließlich. Zögernd nickte sie. „Komm, ich kenne ein kleines Lokal in der Nähe." Tatsächlich war ich in den letzten Wochen auf dem Weg hier her immer wieder an einem Restaurant vorbeigekommen.

Ich wusste nicht, was es bereit halten würde, aber einen Versuch würde es wert sein.

Mit einem Lächeln stellte ich fest, dass ich mich verändert hatte. Früher hätte ich mich niemals dazu herabgelassen, ein Lokal wie dieses zu betreten, aber jetzt kam es mir einfach wie ein Abenteuer vor.

Arianna und ich schlenderten schweigsam nebeneinander her und genossen einfach die warme Sonne. Um uns herum tobten Kinder und ich erfreute mich an dem Lachen und der Natürlichkeit, mit der die Kleinsten miteinander umgingen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass meine Eltern es uns erlaubt hatten, einfach zu toben und zu spielen. Also hatten wir es heimlich getan und es war wirklich gut, dass unsere Mutter davon nichts mitbekommen hatte.

Silver LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt