Kapitel 41

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Sicht: Leandro Marino

Ich schob die Schirmmütze tiefer in meine Stirn. Im Schutz der anbrechenden Dunkelheit eilten wir auf das wartende Schiff zu.

Dankbar hatten wir uns von Lily und Marcus verabschiedet, die uns versichert hatten, keine Umstände gehabt zu haben. Das war natürlich glatt gelogen, doch es ehrte sie.

„Wie kommen wir an Bord, ohne Aufsehen zu erregen?“, flüsterte Raven, verdammt, Isabelle neben mir. „Wir lassen uns spontan etwas einfallen.“ Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie die Augen verdrehte und schmunzelte leicht.

Langsam wurde der riesige Eisenklotz größer. Noch nie hatte ich etwas Vergleichbares gesehen. Dieses Schiff war gigantisch und auch bei Jonathan und Annabelle konnte ich das pure Staunen in den Augen glitzern sehen. Isabelle hingegen blieb unberührt. Für sie war das nicht das erste Mal und ich wusste, dass sie am Meer aufgewachsen war.

Ich unterdrückte mühevoll den Drang, sie an mich zu ziehen und sie festzuhalten. Stattdessen reihten wir uns in die Reihe der Passagiere, die an Bord wollten, ein. Wir senkten die Blicke, verhielten und still und beteten, dass keiner der umherstreunenden Officers uns bemerken würde.

Die Nacht war eisig kalt und der Wind blies uns um die Ohren. Izzy zog ihren Schal aus und wickelte ihn Anni um die Schultern, die furchtbar zitterte. Nathan hielt tapfer die Stellung, auch wenn ich sah, dass er die Zähne zusammenbiss.

Meine Nerven lagen blank und ich schaute immer wieder nervös über meine Schulter. Isabelle legte mir beruhigend eine Hand auf den Arm.

Als sie ihre Hand wieder weg nahm, hinterließ sie eine kalte Stelle und ich vermisste ihre Berührung, sehnte mich nach ihrer Umarmung.

Im nächsten Moment hingegen, gab es eine ganz andere Quelle meines Unbehagens. Mein Blick war auf zwei leise diskutierende Leute gefallen, die beinahe direkt neben uns standen.

Ein Offizier und der Kapitän. Ausgerechnet. Ich stupste Izzy leicht mit dem Ellbogen an und ihr Kopf schnellte in die Richtung der beiden Männer. „Verdammt“, fluchte sie leise.

Wir drängten uns enger in die Schatten und hinter die wartenden Menschen, die vor Betreten des Schiffes kontrolliert wurden.
Die hitzige Unterhaltung der beiden Männer drang an unsere Ohren und wir lauschten mit angehaltenem Atem.

„Was sollen wir tun? Wir dürfen nicht ablegen, wenn wir keinen Schiffsarzt haben. Oh, wenn ich diesen Mistkerl in meine Finger kriegen, ich schwöre…“ „Phineas. Seien Sie doch still. Das ändert nichts an unserer Situation“, unterbrach der Kapitän seinen ersten Lieutenant.

„Harley hat sich dazu entschieden, eine besser bezahlte Stelle anzunehmen. Wir haben kein Recht, ein Urteil darüber zu fällen.“ Der Offizier nickte knapp. „Ja, Sir. Was sollen wir nun tun, Sir?“ Der Kapitän kratzte sich am Bart. „Wir müssen jemanden finden, der seine Stelle übernimmt. Irgendeinen Arzt, der bereit wäre, die Fahrt mit zu machen.“

Ich war hellhörig geworden und in meinem Kopf nahm eine wahnwitzige Idee Gestalt an. „Izzy?“ Sie schaute mir in die Augen und ich wusste, dass sie ahnte, was ich vorhatte.

„Nein! Bist du verrückt? Das wird uns noch den Hals kosten.“ „Man wird uns so oder so aufhalten. Würde der Kapitän jedoch dafür sorgen, dass wir unbehelligt an Bord kommen…“

Sie schaute mich finster an und ich nahm ihr Gesicht sanft zwischen meine Hände. „Vertraust du mir?“ Ihre Lippen kräuselten sich missmutig, doch sie nickte knapp.
„Gut.“ Ich streckte die Hände nach meinen Kindern aus, die ihre Finger zwischen meine schoben. Dann hielt ich zielstrebig auf den Kapitän und den ersten Offizier zu.

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