Kapitel 20

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Verdammt, wie war das passiert? Warum gerade er? Warum jetzt? Es war eine Katastrophe.

Tausende Fragen schossen mir durch den Kopf und das Gefühlswirrwarr in meinem Inneren verbesserte die Situation nicht wirklich.

Mr Sandrian, ausgerechnet Mr Sandrian. Warum konnte ich mich nicht in jemanden verlieben, den meine Familie auch gutheißen würde oder viel wichtiger, der auch Gefühle für mich entwickeln könnte? So wie Mr Jenkins.

Sofort ekelte ich mich vor mir selbst. So tief durfte ich nicht sinken, dass ich mir wünschte, mich in diesen Mann zu verlieben. Ich wusste, warum ich den Arzt mochte und nicht den Rechtsanwalt. Er war loyal, intelligent, weltoffen und sehr gutaussehend, doch trotzdem wollte ich nicht wahr haben, dass ich mehr fühlte als ich vielleicht sollte.

Wir saßen uns in der Kutsche gegenüber und ich starrte zwanghaft nach draußen, um den Blick des Arztes zu meiden. „Ist alles in Ordnung, Miss Silver?“ Ich stöhnte. Warum musste er sich heute nur so unglaublich seltsam verhalten. Heute Morgen war er noch unausstehlich gewesen und jetzt war aufmerksam und freundlich.

Ich nickte also kurz und vermied es weiterhin, ihm in die Augen zu schauen, auch wenn es mir unglaublich schwer fiel. Seine tiefe Stimme jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter und ich war mir dem leichten Kontakt unserer Knie auf einmal mehr als bewusst.

Die Erkenntnis meiner Gefühle schien etwas Seltsames in mir ausgelöst zu haben. Ich achtete auf alle möglichen Dinge, die mir vorher nicht aufgefallen waren und die mir nun umso deutlicher bewusst wurden.

Es war wie eine Welle, die ich hatte kommen sehen, deren Ausmaß mir jedoch erst nachdem sie mich überrollt hatte, bewusst geworden war.

„Miss Silver, Sie sehen gar nicht gut aus. Sie werden mir doch nicht wieder krank?“, fragte der Arzt, als wir schließlich ausgestiegen waren und das schwindende Licht der Sonne mein Gesicht beschien. „Nein, sicher nicht“, versicherte ich ihm etwas zu schnell und hoffte, dass er den schrillen Ton meiner Stimme nicht bemerkte.

Wir folgten gemeinsam einer recht belebten Einkaufsstraße, bis wir zu meiner Überraschung in die Nähe des Universitätsgeländes kamen. „Wieso hier?“, fragte ich ihn. Erstaunt wandte er sich zu mir um. „Miss Silver, auch ich habe hier studiert. Ich kenne mich also recht gut aus.“ Ich nickte.

„Natürlich. Das war mir vorrübergehend entfallen.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Tür eines Restaurants öffnete, indem ich tatsächlich noch nie gewesen war.

Es war hübsch eingerichtet, mit gemütlichen Nischen und freundlicher Atmosphäre. Wir setzten uns an einem Tisch gegenüber. Eine Bedienung kam und nahm unsere Bestellung auf.

Mr Sandrian überließ mir die Entscheidung, was mir positiv auffiel, da er mir nicht vorschrieb, was ich zu wählen hatte wie Mr Jenkins es ganz natürlich getan hatte.

Zehn Minuten später servierte uns das Mädchen, das hier arbeitete, eine heiße Suppe mit französischem Baguette. Mr Sandrian trank ein Glas Sherry dazu, während ich lieber auf den Alkohol verzichtete und bei einem Tee blieb.

Wir schwiegen beide, doch es war keine unangenehme Stille. Wir waren beide zufrieden mit dem Schweigen des anderen, da es eine nachdenkliche Atmosphäre schuf.

Wir hingen unseren eigenen Gedanken nach. Ich vermutete, dass seine Gedanken eher in Richtung Medizin und Forschung abgedriftet waren, während ich versuchte, mich zu entspannen und gleichzeitig zu konzentrieren.

„Haben Sie von künstlicher Blutleere gehört?“, fragte er mich nach einigen Minuten. Und ich hatte richtig getippt. „Natürlich. Eine interessante Idee. Was denken Sie darüber?“ Er legte den Kopf ein wenig schief und drehte und wendete seinen Löffel nachdenklich zwischen den Fingern.

Silver LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt