Kapitel 14

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Es war später Abend und ich saß mit einem Glas Rotwein und meinem Buch über Pflanzenheilkunde in meinem obligatorischen Sessel und unterhielt mich leise mit Rose.

„Ihr plant, ihm etwas unterzujubeln?“, fragte sie entsetzt. Ich nickte betreten. „Er muss doch irgendwie bestraft werden. Es ist mir völlig egal wofür, Hauptsache er kriegt, was er verdient.“ „Raven, wenn das rauskommt, wirst du vermutlich auch angeklagt und du reißt alle anderen Beteiligten mit. Was ist mit Mr Jenkins?“

Ich verdrehte die Augen. „Der ist mir nicht wichtig.“ „Raven! Das kannst du nicht ernst meinen. Er könnte auf Dauer seine Zulassung als Anwalt verlieren.“  „Um ihn mache ich mir keine Sorgen. Er hat genug Geld. Viel schlimmer wäre, wenn Mr Sandrian seine Approbation verlieren würde.“ Sie hob die Augenbrauen. „Siehst du. Du musst versuchen, ihn umzustimmen.“

Ich verdrehte genervt die Augen. „Ich könnte ihn ohnehin nicht umstimmen. Er ist völlig durch den Wind und es grenzt schon an ein Wunder, dass er die Selbstbeherrschung aufgebracht hat, die Sache nicht selbst in die Hand zu nehmen.“ Da sie noch immer skeptisch drein blickte, sagte ich: „Du kennst ihn nicht, Rose. Außerdem finde ich, dass er recht hat, wenn er Mr Jones hinter Gittern sehen will und ich werde ihn sicher nicht aufhalten, also versuch erst gar nicht, an mein Gewissen zu appellieren. Ich habe keins.“ Ich grinste sie an und sie warf mir einen abschätzigen Blick zu.

„Was ist, wenn es jemand herausfindet?“, wiederholte sie. „Wenn du uns nicht verrätst, wird niemand es herausfinden. Glaub mir, Mr Jones wird nicht freiwillig zugeben, was er Miss Sandrian angetan hat und sonst weiß niemand davon.“ Nachdenklich nickte Rose.

„Du weißt hoffentlich, dass ich absolut dagegen bin?“ Ich seufzte und bejahte. „Du wirst uns doch nicht bei Henry verraten, oder? Dann würde er mich nicht mehr hingehen lassen und ich mag es wirklich, in der Praxis zu arbeiten.“ „Natürlich werde ich dich nicht verraten.“ Erleichtert atmete ich auf. „Raven?“ Ich blickte auf und traf ihren besorgten Blick.

„Bitte sei vorsichtig. So etwas kann dir schnell das Genick brechen.“ Ich griff nach ihrer Hand. „Ich verspreche es, Rose. Und danke, dass du versuchst, mich vor Dummheiten zu bewahren. Meistens hast du Erfolg, aber hier muss ich jetzt durch. Ich werde Miss Sandrian zu ihrem Recht verhelfen, ohne dass sie darunter weiter leiden muss. Sie hat schon genug erlitten und es würde mir besser gehen, wenn ich wüsste, dass ich ihr helfen kann.“

Rose nickte. „Es ist vermutlich falsch, aber du tust das Richtige“, sagte sie und brachte mich zum Lachen. „Das ist der wahrste und gleichzeitig sinnfreiste Satz, den du an diesem Abend von dir gegeben hast.“

Schulterzuckend nahm sie mir das Buch aus der Hand und schlug es auf. „Jetzt wird gelernt, Schwesterchen.“ Ich stöhnte und ärgerte mich über ihren süffisanten Gesichtsausdruck und über den plötzlichen Themenwechsel. „Na gut“, gab ich nach und lehnte mich wieder zurück.

Zu meiner Erleichterung schaffte ich es trotz meiner weit entfernten Gedanken Fortschritte zu machen.

Als ich später im Bett lag, fiel es mir sehr schwer einzuschlafen. Obwohl es ein anstrengender und Nerven aufreibender Tag gewesen war, wollte mein Kopf einfach nicht zur Ruhe kommen. Zu sehr war ich mit meinen schweren Gedanken und Sorgen beschäftigt.

An welchem Punkt in meinem Leben, war mir die Kontrolle entglitten? Ich schnaubte leise. Vermutlich hatte ich noch nie Kontrolle gehabt. Kontrolle hieß Ordnung, Ordnung bedeutete nicht aus der Reihe auszubrechen und nicht aus der Reihe auszubrechen bedeutete, sich dem System und der öffentlichen Meinung zu unterwerfen, was ich noch nie getan hatte, solange ich mich erinnern konnte. Vielleicht brachte das Ärger mit sich, aber den würde ich in Kauf nehmen, um frei zu sein.
Das einzige, was ich nicht wollte war, dass jemand ernsthaft zu Schaden kam.

Silver LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt