|6|

1.6K 73 6
                                    

Stundenlang lag ich wach auf der Seite und wartete. Draußen dämmerte es bereits, als ich endlich ein leichtes Schnarchen vernahm. Ich wartete noch etwas bis ich mich erhob und auf Zehenspitzen zum Bett schlich. Ich stellte mich auf die Bettseite von Negan und betrachtete ihn. Er lag einfach da. Ich verstand es nicht. Ich hatte ihm gedroht ihn zu töten und er schlief. Mit mir in einem Zimmer. Mit einem Messer im Zimmer.

Langsam hob ich die Hand, in der ich das Messer hatte und zog ihm vorsichtig die Decke vom Oberkörper. Für einen kurzen Moment blieb mir die Luft weg. Zum einen, weil eine nicht gerade kleine Narbe leicht oberhalb seines Beckens zum Vorschein kam und zum anderen, weil ein wirklich attraktiver, fast unschuldig erscheinender Mann vor mir lag. Er lag einfach da.

Mit der anderen Hand fasste ich vorsichtig und leicht über seine Narbe. Es musste ein wirklich tiefer Schnitt gewesen sein.
Als ich wieder zu ihm hoch sah, zuckte ich zusammen. Negan schaute mich mit einem Grinsen an. "Da kann wohl jemand nicht genug von mir bekommen.", kam es über seine Lippen. Im nächsten Moment sprang er förmlich auf, schlug mir das Messer aus der Hand und griff mich am Hals.

Sofort spürte ich die nächste Wand an meinem Rücken. Negan griff fest zu und hob mich ein Stück an. Ich konnte gerade noch so auf Zehenspitzen stehen und krallte meine Finger in seinen starken Arm. Ich weiß nicht, wie ich ihn in diesem Moment anschaute aber ich hatte keine Angst. Ich wusste lediglich, dass ich das Richtige getan hatte und konnte deswegen zufrieden grinsen, während ich nach Luft rang. "Du findest das also lustig, ja!?", sprach er in einem lauten, aggressiven Ton. Wenn ich hätte sprechen können, hätte ich noch etwas Provozierendes gesagt aber leider blieb mir das verwehrt.

Ich schlug mehrmals gegen seinen Arm bis er mich endlich losließ. Hustend und keuchend kam ich ganz langsam wieder zu Atem.
"Du ruinierst mir meine gute Laune. Das wird deinen Leuten gar nicht gefallen.", meckerte er vor sich hin.

"Du bist ein Arschloch.", mit diesen Worten richtete ich mich wieder selbstbewusst auf.
"Aber du bist das größere Arschloch. Und deswegen wirst du, nachdem wir wieder hier sind, das Zeitliche in einer Zelle segnen.", er stand direkt vor mir und griff mein Kinn, "Solange, bis deine einzige Sorge mein Wohlbefinden ist, Liebes."

Ich entzog mich ihm nicht, sondern schaute ihn nur giftig an. "Träum weiter."
Er ließ mich los und drehte mir den Rücken zu. Wenige Sekunden später kamen zwei Männer ins Zimmer und brachten mich weg. Negan hatte nichts mehr gesagt. Ich würde sagen, unser Spiel stand jetzt unentschieden und irgendwie war ich mir sehr siegessicher.
Zumindest für diesen Moment.

Die Männer schmissen mich unsanft in den Kofferraum eines Trucks, nachdem sie mir die Hände sehr fest gefesselt hatten. Es war stockdunkel und extrem heiß. Nach einer Weile ging die Fahrt dann los. Ich wusste, dass wir zurück nach Alexandria fuhren. Fünf Tage war es nun her, dass ich meine Leute gesehen hatte.

Wenn Negan recht hatte und sie mich wirklich wieder haben wollten, würde ich nicht lange zögern und mich irgendwie umbringen. Ich war alles, aber kein Druckmittel. Die Zeit verging viel zu schnell. Die Trucks stoppten. Ich hörte Negan, der gerade wahrscheinlich mit seinem idiotischen Baseballschläger in der Hand alle in Angst und Schrecken versetzte.

Ich würde gleich meinen Auftritt haben und die anderen sollten mich nicht kauernd in einer Ecke sitzen sehen. Also stellte ich mich aufrecht hin und wartete. Innerlich zählte ich von zehn runter: Drei, zwei, eins. Und dann schien mir das grelle Licht der Sonne entgegen. Ich kniff die Augen zusammen.
"Das ist meine Überraschung für euch. Komm raus, meine Liebe."

Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, strahlte mir Negans Grinsen entgegen. Er hielt mir seine Hand hin aber ich kletterte aus eigener Kraft aus dem Truck. Als nächstes blickte ich in komplett leere Gesichter. Rick, Aaron und Daryl standen ganz vorne. Weiter hinten standen Carl, Rosita, Michonne und Eugene.

Rick sah man förmlich an, dass er sich nicht sicher war, wie er jetzt reagieren sollte aber Daryls Blick sprach Bände. Bände, die nur ich zu lesen vermochte.
"Was denn? Freut ihr euch etwa nicht? Ich hab sie euch extra mitgebracht. Dafür erwarte ich eine Gegenleistung."

Ich sah wieder zu ihm. Er behandelte mich wie einen wertlosen Gegenstand. Gerade als ich mit dem Gedanken spielte, ihn zu überwältigen und einfach k.o. zu schlagen, griff er mich am Arm und zog mich zu sich. Daryl und Aaron machten einen Schritt vor aber die Saviors hielten ihre Waffen auf sie.

"Nun pisst euch nicht gleich in die Hosen. Ich meine, ich kann verstehen, warum ihr dieses verflucht zuckersüße Ding wiederhaben wollt. Aber sie gehört jetzt zu mir und damit müsst ihr Leben. Und sollte es auch nur einer von euch wagen, scheiße zu bauen, wird sie doppelt leiden.", mit einem ausdrucksstarkem Lächeln im Gesicht schaute er nun in mein emotionsloses Gesicht, "Und andersrum gilt das genauso." Von mir bekam er nichts außer einem Nicken, was ihn nur noch mehr grinsen ließ.

Er blickte sich kurz in der Runde von Leuten um und kam mir anschließend näher, sodass ich seinen ruhigen Atem am Ohr spüren konnte. "Ich werde jetzt diesen verdammten scheiß Ort auf den Kopf stellen. Du folgst mir. Du tanzt nicht aus der Reihe. Du redest nicht. Alles, was du darfst, ist mit deinen schönen Augen, den Menschen wehzutun, die dir etwas bedeuten. Wiedersetzt du dich mir, töte ich jemanden und du wirst ganz genau zusehen.", flüsterte er mir zu.

Als er wieder etwas Abstand nahm und nach Bestätigung verlangte, wendete ich nur meinen Blick von ihm ab und das reichte ihm schon. Anscheinend kannte dieser Mann mich schon besser, als mir lieb war.

King & Queen || TWD NeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt