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Negans Sicht

Nachdem sie mich gestern Abend weggeschickt hatte, wachte ich heute allein in meinem Bett auf. Ein etwas ungewohntes Gefühl. Sie wollte bei Sonnenaufgang ihre Männer losschicken und sie von einem etwas weiter entfernten Sendestützpunkt leiten. Sie wollte auch nicht, dass wir uns verabschiedeten.

Ich hatte mich die letzten Tage zusammengerissen. Ich wollte ihr einfach mal ein paar schöne Augenblicke schenken. Wenn sie nur wüsste, wie schlecht es mir und dem Sanctuary in letzter Zeit ging. Mittlerweile zweifelte ich ihre Loyalität mir gegenüber nicht mehr an und ich konnte mir sogar vorstellen, wie wir zusammen das Sanctuary führen würden. Wir wären unschlagbar.

Doch jetzt sollte und musste sie sich erst nochmal unter Beweis stellen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Rick schon mehrere Meilen mit seiner Gruppe hinter sich gelassen hatte, weswegen sie wohl länger als ein paar Tage wegbleiben würde.
Ich machte mich fertig und ging zu den Trucks. Gary stand da, mit meiner Liste in der Hand.

"Negan.", er und ein paar andere knieten sich kurz hin und kamen zu mir. "Cayetana hat uns einen Auftrag hinterlassen, während ihrer Abwesenheit." Ich schaute mir den Plan an. Perfekt ausgearbeitet. Sie schickte ein paar Leute auf Beschaffungstour für medizinische Versorgung und eine andere Gruppe auf Beschaffungstour für Vorräte. Drei Tage. Die wohlmöglich besten Standorte hatte sie mit roten Kreis eingegrenzt.

Ich hätte ihr den Job schon viel früher geben sollen.
Ich schaute mich um und bemerkte, dass alle übrigen Trucks an Ort und Stelle standen. "Hast du gesehen, wie Cayetana gegangen ist?", fragte ich Gary etwas verwundert. "Ja, sie ist zu Fuß los. Nur mit einem Rucksack, einem Bogen und zwei Messern."
Ich fasste mir über den Bart und würde ihr am liebsten den Schädel einschlagen, wenn sie nur hier wäre. Ohne Auto und mit nur einem Rucksack. Diesmal hatte sie sich wirklich überschätzt.

Die Zeit rannte und mittlerweile waren bereits fünf Tagen vergangen. Auch wenn ich wusste, dass sie sauer sein würde, hatte ich ihr ein paar Männer hinterher geschickt. Ich musste auf Nummer Sicher gehen und glücklicherweise fanden sie ihr Lager an dem vorgesehenen Platz vor. Sie war wahrscheinlich nur auf der Jagd gewesen.

Nun waren bereits zehn Tage vergangen.
Dann drei Wochen.
Ich hielt es nicht mehr aus. Sie hatte sich schon eine ganze Weile nicht mehr gemeldet.

Ein neuer Morgen graute und ich zog mich gerade an, als mir das alte Bild von Lucille in die Hand fiel. Das letzte Mal angesehen hatte ich es an dem Tag, an dem ich Cayetana mit mir genommen hatte. Ich packte das Bild in eine Kiste und zog aus der Innentasche meiner Lederjacke ein Bild von ihr. Ein Bild von meiner schlafender Cayetana. Ich drückte es an meine Brust und schloss die Augen. "Komm zu mir zurück.", flüsterte ich leise.

Nach einem tiefen Atemzug öffnete ich die Augen wieder und steckte das Bild ein. Gerade als ich zur Tür raus wollte, hörte ich durch das geöffnete Fenster ein reges Treiben und ich konnte hören, wie jemand laut meinen Namen rief. Als ich mich daraufhin schnell auf den Weg nach draußen machte, kamen mir einige meiner Männer entgegen. Unter anderem Dwight. "Negan! Sie sind es!", rief er und mehr brauchte er auch nicht zu sagen.

Ich schubste ihn zur Seite und lief nach draußen, wo auch all die anderen standen. Und da war sie. Meine Königin. Sie schubste Rick vor sich hin zu einem meiner Männer und rannte zu mir. Ich lief ihr entgegen und schloss sie endlich wieder in meine Arme. Beinahe verloren wir das Gleichgewicht. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, doch sie griff mich an der Jacke und küsste mich richtig.

Die letzten Wochen ohne sie waren schrecklich gewesen. Wir lösten uns und ich fasste über ihre Haare. Sie hatte zerrissene Kleidung und war mit Dreck und getrockneten Blut überhäuft. Die drei Wochen waren für sie anscheinend auch sehr schwer gewesen und trotzdem stand sie so kraftvoll wie nie zuvor vor mir. "Komm, ich bring dich zum Arzt.", doch sie schüttelte den Kopf und deutete auf Rick. "Er braucht es dringender.", sie schmunzelte und drehte sich zu ihm um.

Er beobachtete uns und erst jetzt fiel mir auf, dass er eine Verletzung oberhalb des Beckens hatte. "Du hast ihn angeschossen?", fragte ich amüsiert. "Er wollte weglaufen, selbst Schuld."
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hand und küsste sie wieder. Sie war die perfekte Frau für mich. Wieso sah ich das jetzt erst?

King & Queen || TWD NeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt