Leere

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Tag 3

Als Manu aufwachte, war es noch stockdunkel draußen. Er richtete sich auf und rieb sich verschlafen den Sand aus den Augen. Als seine Augen sich einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stellte er fest, dass sowohl Maudado als auch Fazon schliefen. Das war doch selten dämlich. Warum hatte niemand ihn geweckt. Doch noch während ihm der Gedanke kam, viel ihm auch die Antwort darauf ein. Weil beide Angst hatten, er würde sich was antun. Da war es ja genauso dumm, keine Wache zu halten. Schließlich könnte er sich jetzt ja genauso gut umbringen. Sich darüber aufregen brachte jetzt allerdings auch nichts. Manu lehnte sich mit einem leisen seufzen an die Wand hinter ihm, dachte nach. Seine Gedanken hingen großteilig dabei, heraus zu finden, was zwischen dieser verdammten Auslosung und der Arena passiert war. Er meinte sich zwar zu erinnern, trainiert zu haben, aber etwas an der Erinnerung war komisch. Sie wirkte vor allem so schwammig, was Manu von sich nicht gewöhnt war. Selbst wenn etwas weiter zurück lag, konnte er sich immer an ein Detail erinnern. Doch diese Erinnerung war Detaillos und verschwommen, wie ein Traum nach dem aufwachen. Und das ließ Manu stutzig werden. Ihm wollte aber partout nicht einfallen, was passiert war. Die letzte Erinnerung, die er klar fassen konnte, war wie seine Schwester in seinen Armen lag und gefleht hatte, er solle zurück kommen. Danach war alles ein wenig schwammig, bis nicht vorhanden. Nach ewigem überlegen gab er es schließlich auf und seine Gedanken schwirrten wie von selbst zu Patrick. Er versuchte nicht an ihren Streit und seinen Tod zu denken, was jedoch nicht klappte. So wie bei Zombeys Tod verband er auch hier wieder keine Emotionen mit dem Ereignis. Er war wie leer und auch wenn er so die Trauer und den Schmerz umging, der sich andernfalls in ihm breit gemacht hätte, war es ein komisches Gefühl. Er wollte verdammt noch mal um seinen besten Freund weinen. Wieso konnte er das nicht? Es war, als würde die Leere ihn mit jeder Sekunde mehr und mehr erdrücken. Er versuchte seine Gedanken weg von Patrick zu bringen. Stattdessen gesellte sich Zombey nun manchmal zu seinen Gedanken, aber auch hier waren keine Emotionen, nur leer, wie stumpfsinnige Fakten, die sein Kopf herunter leierte. Vielleicht war es auch gut so, dass er keine Emotionen mit den Ereignissen verband. Konnte er sich wenigstens gescheit darauf konzentrieren, Maudado zu beschützen. Mehr Ziele hatte er in dieser Arena eh nicht. Fazon war ihm so gesehen nicht egal, aber er war nicht für ihn verantwortlich. Er gehörte nur zur Gruppe und wenn er es nicht schaffte, Pech gehabt. Maudado gegenüber hatte er ein Versprechen und wenn es hart auf hart kommt, würde Manu Maudados Leben über sein eigenes stellen.

Draußen wurde es langsam wieder hell und Manu nahm nun auch wieder das Rauschen des Baches wahr, welches er bis jetzt verdrängt hatte. Nach einer Weile schlug auch Maudado seine Augen auf, wirkte recht erschrocken, als er sah, dass nur Manu wach war. „ Warum bist nur du wach?", fragte er und setzte sich auf. „ Einer von euch ist schätzungsweise bei seiner Wache eingeschlafen. Ich bin vorhin dann aufgewacht.", erklärte Manu und lächelte sanft. Es war jedoch kein echtes Lächeln, was Maudado auch sofort durchschaute. „ Was ist los?... Wegen Patrick?", fragte der blonde sanft nach. „ Ich fühl mich einfach nur leer. Da ist nichts, keine Trauer, kein Schmerz einfach leere und das macht mich fertig.", murmelte Manu. „ Du trauerst, nur halt nicht mit Tränen. Du denkst an sie und an alles schöne, was du mit ihnen erlebt hast und wünscht dir, dass sie noch da wären. Das ist deine Art zu trauern. Nur weil du nicht pausenlos weinst, heißt das nicht, dass du nicht trauerst. Die leere heißt einfach nur, dass du das was passiert nicht wahrhaben willst. Aber mal ne andere Frage. Wie geht es deinem Bein? Tut es noch arg weh?", wechselte Maudado das Thema. „ Fast nicht mehr, wenn ich mein Bein nicht bewege oder belaste." „ Na dann ist ja gut. Wäre es ok, wenn ich mich noch mal ein bisschen ausruhe? Ich hab schlecht geschlafen.", murmelte Maudado und Gähnte wie zur Bestätigung seiner Aussage. „ Natürlich." „ Und du tust dir auch nichts an?", hackte Maudado misstrauisch nach. Er wollte Manu nicht auch noch verlieren und dann wegen einer so banalen Sache. Maudado brachte sich ja schließlich auch nicht um, nur weil er seinen festen Freund verloren hatte. „ Keine sorge, ich hab es nicht vor." Das schmale Lächeln das diesmal Manus Lippen zierte war echt, was Maudado erleichtert zur Kenntnis nahm. Er kuschelte sich an den brünetten und schloss die Augen. Manu hatte begonnen, gedankenverloren durch die blonden Haare zu fahren, um sich irgendwie zu beschäftigen. Den Blick immer noch nach draußen gerichtet, um potenzielle Gefahren rechtzeitig zu erkennen und ab zu hauen. Als es draußen so langsam richtig hell war, wachten auch die anderen beiden auf. Fazon wirkte gleich erschrocken wie Maudado, als er aufgewacht war und nur Manu wach war. Sie beschlossen erst mal etwas zu essen, ehe sie sich wieder auf den Weg machen würden. Manu rührte sein Essen jedoch kaum an. Er verspürte einfach kein Hungergefühl und zum Essen zwingen wollte er sich dann auch nicht.  Das hatte dann auch Maudado ziemlich schnell eingesehen. Lediglich zum trinken zwang er Manu, was er nach langem auf ihn einreden auch schaffte. Sie packten ihre Sachen zusammen Manu raffte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, stützte sich an der Wand ab, um nicht um zu kippen. „ Oh Gott, alles ok? Setz dich ruhig noch mal hin." „ Nein geht schon. Ich hab nur vergessen, dass der Fuß verletzt ist." Manu lief ein paar Schritte nach vorne, leicht humpelnd und mit schmerzverzerrtem Gesicht. „ Manu so kommen wir nicht sehr weit. Wir bleiben heute noch hier." „ Nein auf keinen Fall. Ich will hier weg bitte. Kannst du mich nicht ein bisschen stützen, das würde schon reichen. So schlimm ist es dann auch wieder nicht.", wank Manu ab. Er wollte so viel Abstand zwischen sich und die Leichen bringen, wie nur möglich. „ Doch ist es, an deinem Bein läuft Blut herunter. Deine Wunde ist scheinbar wieder aufgegangen. Versuch dich vorsichtig hin zu setzen, wir bleiben hier.", meinte Fazon bestimmt, verwegen Manu sich seufzend wieder zu Boden gleiten ließ.

Die Tribute von Varo Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt