Kapitel 14

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Genervt laufe ich durch den verschneiten Garten unserer Schule. Kaum jemand meiner Mitschüler ist zu sehen. Dafür ist es viel zu kalt draußen. Auch, wenn es erst Mitte November ist, liegt schon ein wenig Schnee überall. Die Zeit ist trotzdem unglaublich schnell vergangen. Doch es sind bereits zwei Monate vergangen, seitdem ich meine Kräfte entdeckt habe.

Und schon seit Wochen schaffe ich es nicht herauszufinden, wie ich diese in den Griff bekomme. Und helfen kann mir leider auch niemand. Daher bin ich, nur mit einer kurzen Hose und einem einfachen Top, draußen unterwegs. Alles andere ist mir viel zu warm. Ob mir wohl jemals wieder kalt wird? Ich schätze mal nicht.

Entspannt vor mich hin summend laufe ich durch den Garten und schaue auf die kargen, von Schnee bedeckten, Pflanzen. Bis ich auf einmal ein leises Rascheln und lautes Murmeln vernehme. Neugierig folge ich dem Geräusch und entdecke schließlich Levin mitten im Schnee hocken und konzentriert auf den Boden starren.

Gespannt warte ich ab was er vor hat, als sich auf einmal der Schnee bewegt. Ein kleiner grüner Spross schaut wenig später heraus. Innerhalb von Sekunden wächst er etwa einen Meter hoch und verzweigt sich immer weiter. Immer mehr Äste kommen hinzu und langsam entstehen auch Blätter und Dornen. Bis schließlich wunderschöne rote Rosenblüten erblühen. Mit großen Augen kann ich nur staunend danebenstehen und nicht umhin kommen etwas neidisch zu sein. Wie gut Levin seine Fähigkeiten beherrscht, ist beeindruckend! Und auch wenn er schon ein Jahr älter ist, glaube ich nicht, dass ich dann auch schon ansatzweise so gut im Umgang mit meinen Elementen sein werde.

„Das ist der Wahnsinn!", flüstere ich schließlich leise und erschrecke damit Levin offensichtlich halb zu Tode. Denn er zuckt sehr stark zusammen und auch die Blüten der Rosen schließen sich wieder. „Oh, entschuldige! Ich wollte dich nicht erschrecken!", gebe ich kleinlaut von mir und sehe den blonden Jungen entschuldigend an. „Was machst du denn hier?", entfährt es ihm immer noch etwas atemlos, was mich nun leicht zum Lächeln bringt.

„Ich bin spazieren gegangen, um den Kopf freizubekommen. Und dann habe ich dich entdeckt. Ich muss ja zugeben, dass ich total neidisch auf dich bin, weil du deine Elemente so gut unter Kontrolle hast. Und wie schön es auch noch ist! Ich rufe immer nur Kälte, Schnee und Eis hervor.", gebe ich von mir und bemerke selbst, wie niedergeschlagen und demotiviert ich am Ende klinge. Auch Levin scheint es zu bemerken, denn er erholt sich umgehend von seinem Schock und lächelt mich warm an.

Wenig später steht die Rose schon wieder in voller Blüte, wovon Levin einfach eine abbricht und sie mir übergibt. „Du schaffst das schon noch! Du musst nur herausfinden, mit welcher Emotion sich deine Elemente am besten vertragen."

Verwirrt mustere ich Levin, während ich an der wunderbar duftenden Rose rieche. Sie ist einfach perfekt. Trotzdem entferne ich vorsichtig die am Stiel befindlichen Dornen, um mir die Blume anschließend hinter meinem Ohr in meinen Haaren zu befestigen. „Wie meinst du das?", frage ich schließlich genauer nach, als ich auch nach einigen Minuten nicht darauf komme, was Levin mit seiner Aussage gemeint hat. Inwieweit hängt denn die Kontrolle über meine Elemente von meinen Gefühlen ab?

Leicht lächelnd setzt sich Levin in Bewegung und ich laufe locker neben ihm her, während ich darauf warte, dass er mir meine Erklärung liefert, was er letztendlich auch tut. „Nun ja, neben der Technik, die natürlich auch sehr wichtig ist, spielen die eigenen Emotionen auch eine große Rolle. Ich kann dir jetzt leider nicht sagen, wie du das am besten hinbekommst, aber ich schaffe es nur Pflanzen wachsen zu lassen, wenn ich vollkommen ruhig bin.", erläutert mir Levin und schenkt mir ein schüchternes Lächeln.

Fasziniert mustere ich ihn von der Seite. Deswegen ist er immer so ruhig und entspannt. Es ist sein komplettes Wesen inklusive seiner Elemente, die ihn zu dem machen was er ist. „War es schwer herauszufinden, was genau du machen musst?", frage ich schließlich nach und bleibe einfach stehen, um Levin direkt in die Augen sehen zu können. „Anfangs schon. Doch dann hat mir meine Lehrerin geraten etwas zu meditieren und das hat dann geholfen. Aber das heißt nicht, dass das auch bei dir funktioniert.", gibt er schließlich zu bedenken, was meine Motivation direkt wieder sinken lässt.

Aber es stimmt. Mir ist, außer dem Pflanzenelementar, noch niemand begegnet, der so ruhig und entspannt ist wie Levin. Seufzend setze ich meinen Weg fort. „Ich würde auch gerne so viel Schönes erschaffen wie du." Deprimiert sehe ich auf meine Hände, um die sich nun schwarze Handschuhe schließen. „Wer sagt denn, dass du nicht dazu in der Lage bist?", flüstert er mir leise zu und lächelt mich schüchtern an. „Was meinst du?", will ich ebenso leise wissen und schaue ihm in seine wunderschönen grünen Augen.

„Stell dir doch nur mal vor, was du alles machen könntest! Blumen, die im Sonnenlicht glitzern wie Diamanten, Eisskulpturen und komplette Gebäude! Auch der Winter hat seine schönen Seiten, du musst sie dir nur bewusst machen.", platzt es aus Levin heraus und ich bin überrascht von seinem begeisterten Ausbruch. Und motiviert, dass alles umzusetzen wie noch nie zuvor. Ich will genau das erschaffen, was Levin sich hier vorstellt. Nicht für mich, sondern um diese Begeisterung in seinen Augen zu sehen.

„Lass es uns probieren!", schlage ich daher kurz entschlossen vor und lasse mich von seiner Euphorie anstecken. Ich lasse mich direkt an Ort und Stelle auf den Boden fallen und ziehe Levin einfach mit mir mit. Die Rose nehme ich wieder aus meinen Haaren und stecke sie vorsichtig in den Schnee. Dann schaue ich sie an und versuche mir jede Einzelheit einzuprägen. Jedes Blütenblatt und jede Biegung.

Dann konzentriere ich mich auf die Kälte, die mich nun bereits seit einigen Wochen begleitet. Bei meinem ersten Versuch die Rose nachzubilden, schaffe ich es jedoch nur einen perfekt quadratischen Würfel auf einem Zylinder entstehen zu lassen. Lachend schüttelt Levin den Kopf und fordert mich auf es noch einmal zu probieren.

Mit neuem Mut mache ich mich wieder an die Arbeit. Und es funktioniert! Nicht sehr gut und der Stiel mit Zacken obendrauf sieht auch noch nicht nach einer Rose aus, doch ich bin durchaus stolz auf mich. Zum ersten Mal macht mein Element genau das, was es soll!

„Lass uns morgen weiter üben.", unterbricht mich Levin jedoch, bevor ich einen weiteren Versuch starten kann. Seine Lippen sind schon leicht blau und das Zittern ist kaum zu übersehen. Inzwischen vergesse ich manchmal, dass es anderen zu kalt sein könnte. Und da Levin auch nicht über das Element Feuer verfügt, kann er sich nicht selbst warmhalten.

„Aber sicher doch. Es müsste ja sowieso schon Essen geben.", stimme ich ihm zu und stecke mir die rote Rose wieder in die Haare. Wahrscheinlich werde ich nach dem Abendessen noch einmal nach draußen gehen und einen erneuten Versuch wagen, doch das kann ich auch ohne Levin tun. Nicht, dass er wegen mir noch krank wird.

Gemeinsam gehen wir ins Hauptgebäude und direkt in den Speisesaal, wo wir uns an der Essensausgabe beide einen Burger holen und uns schließlich zu unseren Freunden an den Tisch setzen. Alle mustern uns mehr als überrascht, doch niemand sagt etwas. Bis Flavia es nicht mehr aushält. „Was habt ihr denn gemacht?"

Levin und ich tauschen kurz einen Blick und sagen dann gleichzeitig: „Nichts!" Zumindest erstmal werden unsere kleinen Übungsstunden unser Geheimnis bleiben. Kurz lächeln wir uns gegenseitig an, bis wir uns unserem Essen zuwenden. Die fragenden Blicke unserer Freunde ignorieren wir dabei geflissentlich.

Aber wir müssen ja auch merkwürdig aussehen. Levin ist vollkommen durchgefroren, mit blauen Lippen und Schnee in den Haaren. Wohingegen in meinen Haaren eine wunderschöne rote Rose steckt. Und keiner von uns rückt mit der Sprache heraus.

Aber es macht ja auch viel zu viel Spaß in diese verdutzten und verwirrten Gesichter zu sehen. Dieser Tag hat sich definitiv gelohnt. So erfolgreich wie heute habe ich mein Element noch nie benutzen können. Und außerdem hatte ich heute so viel Spaß, wie schon ewig nicht mehr. Endlich erlange ich die Kontrolle über meine Elemente und damit auch über mein Leben zurück. 

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