Kapitel 17

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Still und in Gedanken versunken laufe ich durch den abendlichen Wald neben unserer Schule. Hier habe ich meine Ruhe und niemand geht mir auf die Nerven. Der viele Schnee beruhigt mich und lenkt mich ein wenig von meinen düsteren Gedanken ab.

Schon im letzten Jahr habe ich Weihnachten nicht zuhause, sondern hier an der Schule verbracht. Doch in diesem Jahr finde ich es noch schlimmer, da ich nicht mal nach Hause darf, selbst wenn ich könnte. Meine Familie hat mich verstoßen und wenn ich nun dort auftauchen würde, würden sie mich sicherlich nicht mit offenen Armen empfangen. Eher mit Angst und Hass.

Das ist auch der Grund, weshalb ich in letzter Zeit gerne alleine draußen unterwegs bin. Meist in Gedanken versunken.

Meine Freunde haben sich inzwischen an meine düstere Stimmung gewöhnt und lassen mich weitestgehend in Ruhe. Sogar Jace hält sich ziemlich zurück mit seinen dummen Kommentaren. Wobei ich das Gefühl habe, dass auch er nicht in bester Laune ist. Doch das kann man bei ihm ja auch immer schwer einschätzen. Seine Miene verrät nichts, doch seine Augen sagen oft etwas anderes.

Doch selbst das kann mich nicht von den besorgten Blicken von Flavia, Isabell, David und Levin ablenken. Aber ich schaffe es noch sie zu ignorieren. Daher bin ich jetzt auch draußen im Garten unterwegs, wo ich letztens mit Levin geübt habe Blumen aus Eis entstehen zu lassen.

Nachdenklich sehe ich mir die Natur um mich herum an. Wieso sollte ich nicht mal versuchen etwas anderes als Blumen formen? Kurz entschlossen verlasse ich den Garten und laufe in den angrenzenden Wald. Wenig später komme ich an meinem Ziel an. Eine kleine Lichtung. Hier setze ich mich auf den Boden und atme erstmal tief durch.

Wenn ich kleine, zierliche Blumen erschaffen kann, dann sollte es doch auch mit großen, starken Bäumen möglich sein. Nachdenklich sehe ich mich um, bis ich eine kleine, hübsche Tanne entdecke. Das wird meine Vorlage!

Mit den Augen fixiere ich den kleinen Baum, während ich meine Kraft vor mir richte. Mühsam konzentriere ich mich auf mein Vorhaben und versuche alles andere auszublenden. Erst nach einigen Minuten schaue ich nach vorne, um zu sehen, was ich hier erschaffen habe. Und tatsächlich! Dieser Baum aus Eis sieht genauso aus wie die Tanne am Rand der Lichtung.

Langsam stehe ich auf und begutachte meinen Eisbaum von allen Seiten. Nicht schlecht, doch er ist gerade einmal so groß wie ich. Was ziemlich traurig ist für eine stattliche Tanne ist. „Also, dann nur noch etwas größer.", murmel ich nachdenklich vor mich hin und kontriere wieder mein Element auf diesen Baum. Und genau wie ich es mir vorstelle, wächst der Baum nach oben. Der Stamm wird breiter, die Äste und Nadeln länger, bis eine richtige Tanne entstanden ist.

Erschöpft lasse ich mich nach hinten in den Schnee fallen. Auf dem Rücken liegend sieht der Baum aus Eis sogar noch gigantischer aus. Ich bin direkt stolz auf mich, wie detailliert ich das hinbekommen habe. Man kann sogar die einzelnen Nadeln erkennen und die Unebenheiten der Rinde.

Schon in der Nacht glitzert mein Baum wunderschön mit den Sternen und dem Schnee um die Wette. Mit ein wenig Beleuchtung würde es sicherlich noch viel besser aussehen, doch für den Augenblick reicht es vollkommen zu. Der Anblick bringt mich innerlich zur Ruhe und wieder zu mir selbst.

Glücklich vor mich hin lächelnd schaue ich nach oben in den Sternenhimmel und genieße Stille und den Frieden.

Ich will gerade aufstehen und zurück gehen, als Flavia und Isabell auf die Lichtung treten. „Hier steckst du! Was machst du hier?", fragt Flavia, ehe sie den Blick schweifen lässt und erschrocken, mit offenem Mund, so stehen bleibt, dass Isabell direkt in sie hineinläuft. „Der ist ja gigantisch geworden! Der Wahnsinn!", gibt Flavia von sich und lässt sich neben mich fallen, um genauso nach oben zu starren.

„Ich hole mal Levin. Das muss er gesehen haben!", höre ich Isabell sagen und schaue überrascht dabei zu, wie meine Freundin wieder zwischen den Bäumen verschwindet. „Es ist schön zu sehen, wie du langsam mit deinen Kräften zu Recht kommst. Ich habe mir Anfangs wirklich Sorgen gemacht. Genau, wie die anderen auch."

Flavia so ernst zu hören, überrascht mich, weshalb ich ihr nur ein beruhigendes Lächeln schenke. „Ich habe mir auch Sorgen gemacht. Erst das mit meiner Familie und dann auch noch Lukas." Seufzend sehe ich wieder in den Himmel, von welchem die Sterne auf uns hinunter scheinen. „Doch ich schaffe das. Dank euch habe ich nicht aufgegeben und das werde ich auch nicht. Ich zeige allen, dass ich mich nicht unterkriegen lasse!", gebe ich von mir und meine es auch genau so.

Ich habe mein Leben selbst in der Hand, weshalb ich mich auch von niemandem runterziehen lasse.

Still sitzen wir gemeinsam im Schnee und genießen den Moment. Bis Isabell mit David, Levin und Jace im Schlepptau auf der Lichtung erscheint. Während Jace und David eher zurückhaltend sind, ist Levin komplett aus dem Häuschen. „Wie unglaublich ist das denn? Als hätte ich ihn entstehen lassen!", ruft er begeistert und läuft um den Baum herum, um ihn sich genau einzuprägen und zu begutachten.

„Da fehlt noch etwas.", höre ich David nachdenklich sagen, während er den Baum aus Eis genau beobachtet. Ich spüre bereits am Temperaturanstieg, dass Flavia kurz davor ist zu explodieren, da mischt sich Jace ein. „Ich weiß was du meinst." Und im selben Moment streckt er konzentriert seine Hände aus und überall im Eisgeäst beginnt es zu flackern. Viele kleine Lichter entstehen nach und nach. Alles glitzert und glänzt wie verrückt, sodass auch ich nicht mehr aus dem Staunen herauskomme. „Frohe Weihnachten.", meint Flavia leise und legt einen Arm um meine Schulter und ihren Kopf darauf.

Wie gebannt schauen wir nach oben, während es sich die anderen neben uns bequem machen. Ich bin so glücklich, wie schon wirklich lange nicht mehr. Meine Familie hat mich zwar verstoßen, doch ich habe eine Neue gefunden. Menschen, die mich akzeptieren, wie ich bin. Mit denen ich lachen und weinen kann. Wo ein einzelner Abend zu einem Wunder wird.

Und diese Erinnerungen werden bleiben, auch wenn dieser Moment leider irgendwann vergehen wird. Doch auch wenn ich in den nächsten Wochen wieder deprimiert und traurig in meinem Zimmer sitze, werde ich mich an diesen Augenblick erinnern und den notwendigen Mut schöpfen, um weiterzumachen. Man sollte niemals aufgeben. 

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