Kapitel 4.3 - Nur ein Kampf zeigt wahre Gesichter

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Mit atemberaubender Geschwindigkeit hatte sich Zuriel Kain genähert. So schnell, dass der Mörder es nur im letzten Moment geschafft hatte, auszuweichen. Er hatte die Faust seines Gegners auf sich zufliegen sehen, wie ein Tiger, der sich auf seine Beute stürzte, doch eine Krähe war flink, so duckte er sich unter dem Angriff hinweg. Augenblicklich nutzt er die Chance und packte den Schmied am Kragen. Nahezu krampfhaft war sein Griff, mit dem er das alte Oberteil umklammerte, trotzdem schaffte er es Zuriel aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der junge Mann stürzte entgegen seiner Erwartungen jedoch nicht auf den Boden, sondern rollte sich gekonnt ab. Nun befand sich wieder etwas Platz zwischen ihnen.

Zugegeben kam es für Kain ziemlich überraschend, doch sein Beruf hatte ihm intuitives Handeln beigebracht. Gleichzeitig entflammte in seinem Herzen Vorfreude, die in Form von Adrenalin durch seine Arterien rauschte, wie eine Droge, die ihn zu Höchstleistungen trieb. Anscheinend war Zuriel doch nicht so schwach, wie man es wegen seiner Statur annahm.

Der Mörder gönnte seinem Gegner keine Pause, sondern startete auf der Stelle einen Gegenangriff. Mit einem Block würde er den feindlichen Konter erst abwehren und anschließend eine Lücke in seiner Technik suchen.

Mit Schwung holte der Schwarzhaarige aus und genau wie er es geplant hatte, erwiderte Zuriel mit einem eigenen Schlag. Diese Chance nutzte Kain, um seine vorgetäuschte Attacke zur Abwehr zu wandeln und kaum zwei Sekunden später vergrub sich Kains Knie in der Magengrube seines Gegners. Er spürte den Widerstand, auf den sein Tritt traf, trotzdem erreichte er sein Ziel. Schmerzerfüllt verzog der Schmied das Gesicht und seine Muskeln spannten sich umso stärker an, während er ein Keuchen von sich gab.

Zeitgleich musste die Krähe ein teuflisches Grinsen unterdrücken, das andernfalls seine Lippen gekräuselt hätte. Dafür würde es später immer noch Zeit geben, dann könnte er seinen Wahn in voller Gänze herauslassen.

Zuriels Antwort auf seinen gelungenen Angriff fiel impulsiv aus. Der Schwarzhaarige konnte sich zwar kaum erklären, woher der plötzliche Umschwung seines Gemütes kam, doch es wirkte so, als würde seine Kraft explosionsartig ausbrechen. Zorn entbrannte in seinen Augen, als würde Glut hinter ihnen flimmern. Ein Hexenfeuer, in dessen Flammen Unschuldige ihre letzten Momente verbrachten, während die geformte Hitze das Fleisch von ihren Knochen fraß, bis nicht einmal Asche einen Beweis ihrer Existenz lieferte.

Insgeheim löste sein Blick in Kain Angst aus. Echte Furcht, die seinen Herzschlag verdoppelte und seine Atmung unregelmäßig werden ließ. Es war lange her, dass er diese Emotion so real und in völliger Echtheit vernahm. Jedoch war der Augenblick der seltsamen Entfremdung von Zuriels Persönlichkeit nicht viel mehr als einen Moment lang, weswegen er sich schnell von seiner unüblichen Reaktion befreien konnte. Stattdessen stempelte er es als Täuschung ab, die durch seine Überraschung entstanden war.

Der Auftragsmörder atmete tief ein, füllte seine Lungen mit frischer Luft und schaffte es so seine Atmung wieder zu regulieren. Es gab kein Grund zur Beunruhigung. Der Schmied besaß zwar einiges an Kraft und Ausdauer, trotzdem könnte er mit seiner Geschwindigkeit nicht mithalten, wenn er wirklich alles gab.

Sein Gegner erhob sich wieder, während seinen Gesichtszügen der Schmerz entschwand. Er nahm eine Angriffsstellung ein und ergriff augenblicklich die Initiative. Beide verwickelten sich in einen wilden Schlagabtausch. Sie trafen, blockten die gegnerischen Schläge und wichen den feindlichen Techniken aus. Es war ein kriegerischer Tanz, der zu einer friedvollen Melodie spielte.

Inzwischen hatte Kain Gefallen an dem Training gefunden, auch wenn er es nie zugeben würde. Trotzdem kam er nicht um ein leichtes Grinsen, das beinahe unschuldig seine Mundwinkel nach oben zog. Tatsächlich traf ihn Zuriel bereits mehrmals und auch wenn seine Tritte und Schläge wohl platziert waren, ließ er sich davon nicht unterkriegen. Es war zwar schmerzhaft und es fühlte sich so an, als würde sich Nadeln durch seine Haut schieben, doch seine Unsterblichkeit bewahrte ihn glücklicherweise vor längeren Schäden. So konnte er nahezu unbedacht in die Offensive gehen und sein Augenmerk gänzlich auf den Angriff legen.

Die blutrote KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt