☬ Das Geschenk der Göttlichkeit ☬
Als Kain erwachte, waren die Schmerzen verschwunden. Er lag in einem großen Himmelbett, zwischen flauschigen Kissen und einer Decke, die seinen Körper verhüllte. Sein Kopf dröhnte und die plötzliche Helligkeit reizte seine Augen, doch nach wenigen Sekunden gewöhnte er sich an das Licht, das durch mehrere Fenster an der gegenüberliegenden Wand schien. Der Raum war mit einem blauen Teppich ausgekleidet, der den hellgrauen Parkettboden größtenteils versteckte. Ein Sofa stand unter den Fenstern, gepaart mit einem Tisch aus Quarz. Zur Dekoration befanden sich schwarze Rosen in einer gläsernen Vase auf ihm. Darunter erkannte er eine Teetasse, aus der sich fahler Qualm schlängelte. In der Luft lag der Geruch von Pfefferminz, woraufhin Kains Magen hörbar grummelte. Der Auftragsmörder verzog das Gesicht. Er brauchte etwas zu essen. Lange würde sein Körper nicht mehr durchhalten, aber zumindest hatte er den Schlaf bekommen, nach dem er sich gesehnt hatte.
Gerade als sich Kain aufrichtete, erblickte er Candela, die ihren Kopf auf die Matratze gebettet hatte. Sie saß auf einem einfachen Hocker und schlief friedlich. Das Sonnenlicht erhellte ihr Gesicht, sodass ihr Haar wie ein Sternenmeer funkelte. War sie die ganze Zeit über bei ihm gewesen? Aber warum sollte sie das tun? Angesichts der Sonne, die an ihrem höchsten Punkt stand, musste es bereits nach Mittag sein. Er war lange ohnmächtig gewesen und als Regentin dieses riesigen Reiches gab es mit Sicherheit wichtigere Angelegenheiten, als seinen Zustand zu überwachen.
Die Krähe strich sich das Haar aus der Stirn und blickte an sich herunter. Er trug ein frisches Hemd, das definitiv nicht sein eigenes war und auch die Hose kam ihm unbekannt vor. Ein ungutes Gefühl kam in ihm auf, als er aus den Augenwinkeln seine dreckige Wäsche auf dem Boden erblickte. Hatte sie ihm diese Kleidung angelegt? Augenblicklich verkrampften sich seine Hände. Dabei hatte er deutlich gemacht, dass seine Vergangenheit einzig und allein ihm gehört. Sie besaß kein Recht, sich in sein Leben einzumischen.
Dem Schwarzhaarigen drehte sich der Magen um, als vor seinem inneren Auge ihre Fratze auftauchte. Ein schrecklich verunstaltetes Gesicht, als wäre ein Dämon in ihren Körper gefahren. Ihre Wangenknochen standen ab und ihr Kiefer war verbogen, als hätte man ihr Genick gebrochen. Die Augen waren weiß und blutunterlaufen, mit einem roten Fleck als Zentrum, doch diese Gestalt des Schreckens war längst wieder verblasst. Die Candela, die an seinem Bettrand schlief, besaß keinerlei Ähnlichkeiten mit dem Monster, das er im Thronsaal gesehen hatte. Die Herrin machte einen unschuldigen, nahezu gebrechlichen Eindruck, aber auch das würde sie nicht schützen. Ein Auftragsmörder durfte mit seinen Zielpersonen nicht wählerisch sein. Selbst wenn es bedeutete, einem Säugling die Kehle aufzuschlitzen.
»Aufwachen.« Kain knirschte mit den Zähnen, während er dem Drang widerstand, die Urgöttin von seinem Bett zu schubsen. Es wäre verlockend, aber er konnte darauf verzichten, erneut das Bewusstsein zu verlieren.
Candela regte sich nicht. Nur ein bescheidenes Flüstern verließ ihre Lippen. Worte, die Kain nicht zu verstehen vermochte. Als Antwort stieß der Auftragsmörder ein Seufzen aus und schlug die Decke zur Seite. Vorsichtig bewegte er seinen Kopf nach links und rechts, bis ein Knacken ertönte. Anschließend folgten seine Finger, bevor er sich endlich aus dem Bett begab. Für einen kurzen Moment fühlte er sich unsicher auf den Beinen, doch nachdem er Halt an dem Nachtschränkchen gefunden hatte, verblasste der Schwindel schnell.
Noch ein letztes Mal atmete die Krähe durch, bevor er seine Haltung richtete und sich genauer in dem Raum umsah. Einige Fenster waren mit Gardinen verschlossen, deren Enden durch blaue Spitze verschönert wurden. Sofort begab sich Kain zu den Fenstern und öffnete eines, das nicht mit Stoff bedeckt war. Obwohl die Sonne schien, strömte ihm kalte Luft entgegen. Sofort überkam ihm eine Gänsehaut und seine Augen tränten. Er blinzelte ein paar Mal, um die Flüssigkeit aus seinen Augen zu vertreiben. Danach lehnte er sich über die Fensterbank und starrte in die Tiefe. Der Boden befand sich etliche Meter unter ihm und wenn der Auftragsmörder schätzen müsste, würde er sagen, dass sie sich im fünften Stock befanden.
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Die blutrote Krähe
Fantasy»𝐾𝑟𝑎̈ℎ𝑒𝑛 𝑤𝑖𝑠𝑠𝑒𝑛, 𝑤𝑖𝑒 𝑒𝑠 𝑖𝑠𝑡, 𝑢̈𝑏𝑒𝑟 𝐿𝑒𝑖𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑧𝑢 𝑔𝑒ℎ𝑒𝑛.« Das Land Inido wird durch die Zwillingsgötter Lyra und Arthur gespalten. Während Arthur allmählich dem Wahnsinn verfällt und die Herrschaft des gesamten Kontine...