Kapitel 20.3 - Blutfluch

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Als sich Kains Waffen in seinen Händen manifestierten, schien Mariel zu begreifen, wer sich unter dem Helm versteckte. Seine Augen leuchteten wie ein Funkenmeer, während der Griff um sein Schwert sich verfestigte. Sein Oberkörper schien vor Anspannung zu beben. »Krähe!«, brüllte er so laut, dass man die Vibration seiner Stimmbänder spürte.

»Glaub mir, ich bin auch nicht sonderlich erfreut darüber, dich zu sehen«, zischte Kain. Allmählich geriet sein Blut in Wallung. Die Lage sah ganz und gar nicht gut aus. Sie waren in der Unterzahl und standen im Angesicht mehrerer Engel.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Zuriel zu zittern begann. Ein leiser Schrei verließ seine Lippen, was Kains Zorn ins Unermessliche steigen ließ. Auch wenn er schon vorher die Auswirkungen des Entzugs gespürt hatte, noch nie waren sie so präsent in seinem Kopf gewesen. Die Krähe, die man wochenlang unterdrückt, hinter stählerne Gitter gesperrt hatte, weil man gedacht hatte, es würde sie zähmen. Sie breitete ihre Flügel aus und sprengte alle Ketten, wie das Monster das sie war. Der Auftragsmörder musste sich nicht länger unter Kontrolle halten. Er konnte die Schwäche in Macht verwandeln. Was waren sie schon im Gegensatz zu ihm? Ein paar aufgeschreckte Tauben? Er hatte schon ganz andere Vögel erlegt.

»Du wirst für deinen Wagemut bezahlen.« Während Mariel sprach, zuckte die goldene Materie, die seinen Ätherwurzeln entsprang, gefährlich. Beinahe unkontrolliert zogen sich die Zacken in die Höhe, während ihre Spitzen Kain fokussierten. Sie wollten sich in warmes Fleisch versenken, aber Kain würde das nicht zulassen.

»Und du!« Nun richtete sich Mariels Zorn gegen Zuriel. Noch nie hatte die Krähe jemanden mit so viel Abscheu in seiner Stimme sprechen hören. Jedes Wort spuckte er ihm entgegen als wäre es Gift. »Schämst du dich nicht, Verrat an unserer Herrin begangen zu haben?«

»Er hat die richtige Entscheidung getroffen.« Kain war sich nicht sicher, warum er Mariels Vorwurf an Zuriel als persönliche Beleidigung verstand, trotzdem kam keine andere Option infrage, als ihn zu verteidigen.

»Was weißt du schon?«, fauchte Mariel, während er seinen Soldaten den Befehl gab, sie zu umzingeln. Doch Kain ließ es nicht so weit kommen. Mit zwei gezielten Schüssen, hielt er die Soldaten auf Abstand, bevor er sich mit einem Brüllen, auf die Engel schmiss.

Der erste Soldat parierte seinen Tritt mit einer Lanze, während ein Zweiter seine himmlische Magie aktivierte. Mehrere Kugeln aus gebündelter Energie schossen auf ihn zu. Gerade rechtzeitig erkannte Kain die Gefahr. Die erste Kugel ließ sich durch einen gezielten Schuss aufhalten, bevor er sich von seinem Gegner lösen musste. Mit einer Rolle und einem geschickten Ausweichmanöver, bei dem er auf einem der Sockel landete, entkam er den gegnerischen Angriffen. Sein Atem beschleunigte sich, trotzdem kreisten sich seine Gedanken lediglich um den Kampf. Diese Waffen waren perfekt. Vermutlich, weil Zuriel sie für ihn hergestellt hatte.

»Halt mir den Rücken frei«, befahl Kain dem Halbengel, bevor er erneut einem Angriff der Soldaten entging. Er sprang von dem Sockel, feuerte einen weiteren Schuss ab und landete neben Zuriel. Dieser schien allmählich aus seiner Starre zu erwachen. Mit Sicherheit war es nicht einfach für ihn, sich gegen seine alten Kameraden zu behaupten, aber er musste sich zusammenreißen.

Durch zwei weitere Schüsse hielt er einen Soldaten ab, Zuriel am Boden zu fixieren. Anschließend gab er dem Schmied einen Stoß in die Seite. »Beweg dich.«

Erst als sich Zuriels Griff um die Lanze verstärkte, richtete Kain seine Aufmerksamkeit zurück auf das Kampfgeschehen. Dieses Mal griff Mariel an, während seine Kameraden Zuriel in einen Schlagabtausch verwickelten. Aus den Augenwinkeln beobachtete der Auftragsmörder, wie der Schmied die gegnerischen Schläge parierte. Er musste sich keine Sorgen machen, so konnte er sich gänzlich auf Mariel konzentrieren. Möglicherweise war es noch immer wahnsinnig, einem Engel die Stirn zu bieten, aber was blieb ihm anderes übrig, wenn sie von hier entkommen wollten?

Die blutrote KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt