Kapitel 21.3 - Charisma in Gold

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Der Moment hätte Ewigkeiten dauern können. Weiterhin strich der Auftragsmörder sanft über Zuriels Haare. Mittlerweile waren seine Tränen versiegt, trotzdem konnte er sich nicht von Kain lösen. Aber das musste er auch nicht. Er würde so lange warten, bis er sich bereit fühlte voranzuschreiten. Trotzdem konnten sie hier nicht ewig verweilen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Candela sie fand. Ohnehin war es ein Wunder, dass die Urgöttin noch nicht aufgekreuzt war.

Gerade als Kain diesen Gedankengang beendete, erschien eine Gestalt hinter ihm. Lautlos landete Candela auf einem der Trümmer. In ihrer linken Hand trug sie einen Untersetzer, während sie mit ihrer Rechten einen Schluck aus einer Teetasse nahm. Stirnrunzelnd betrachtete sie Mariels Leiche und sah dann zu Zuriel, der ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt hatte.

»Ich komme nicht umher zu sagen, dass ich enttäuscht bin.« Ein eisiger Schauer huschte über Kains Rücken. Mit geweiteten Augen sah er zu der Urgöttin, während Zuriel ein erstickter Schrei entfuhr. Augenblicklich löste er sich von der Krähe und rückte so weit zurück, bis ein Trümmerbrocken ihm den Weg versperrte. Er schlug die Hände vor den Mund. In seinen Augen stand blanke Angst geschrieben.

Als Candela leichtfüßig von dem Fels sprang, stellte sich Kain zwischen sie und Zuriel. Ein drohendes Knurren drang aus seiner Kehle, trotzdem konnte er seine aufkommende Angst nicht verbergen. Er hatte Zuriel versprochen, dass sie es schaffen würden, zu fliehen. In der Vergangenheit hatte er viel verloren, aber dieses Mal würde er bis zum bitteren Ende für sein Wort einstehen. Candela sollte kommen. Er war bereit, egal, wie oft sie seine Todessymphonie anstimmen würde. Wenn sie nun scheiterten, dann würden sie an Lucifer gnadenlos zerbrechen.

»Du tust ihm nichts an«, sprach Kain und obwohl er versuchte, ruhig zu bleiben, konnte er seine Entschlossenheit kaum zügeln. Mit einem stummen Befehl erschienen die Pistolen in seinen Händen. Den Lauf richtete er auf Candela, die unbekümmert von seiner Drohung blieb.

»Das entscheide noch immer ich.« Die Urgöttin stellte den Tee in der Luft ab, bevor sie sich zu Mariel drehte. »Dennoch muss ich zugeben, dass ich dieses Ende nicht vorhergesehen habe. Ich hatte Mariel nicht für so schwach gehalten oder vielleicht...«, ihre Blicke fixieren Zuriel, »hast du ihn schwach gemacht.«

Candela ging in die Hocke und strich mit einer Hand über Mariels Wange. Kain wusste nicht wieso, aber für einen kurzen Moment glaubte er Liebe in ihren Augen zu erkennen. Obwohl sie einen bestialischen Charakter besaß, hatte sie die Engel mit ihren eigenen Händen erschaffen. Sie schien nicht traurig zu sein, doch ihr Blick war der einer Mutter, der ihr Kind ohne Reue gehen lassen konnte.

»Lepha. Raphael«, forderte die Urgöttin die Engel auf, welche sofort ihre Köpfe erhoben.

»Bitte verzeiht uns, Herrin«, begann Lepha und schluckte heftig. Verzweifelt versuchte sie das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Wir haben versagt. Bitte richtet über uns wie es Euch beliebt.«

Candela antwortete nicht sofort, stattdessen beugte sie sich vor und küsste Mariels Stirn sanft. Dort, wo ihre Lippen seine Haut berührten, entstand ein kleines Leuchten. Sanft stiegen Funken auf, bevor sie einen goldenen Faden bildeten. Die Urgöttin streckte ihre Hand danach aus und berührte ihn sanft. Sofort löste sich der Faden von der Stelle und schwebte zu ihr. Dort verband er sich mit ihrem Herzen und kurz wurde der Ätherstrom sichtbar, dem Candela als Ursprung diente. Der Faden war nur einer von vielen, doch gemeinsam waren sie stark, gewaltig, unberechenbar.

»Ich muss mich entschuldigen.« Die Urgöttin erhob sich und zog das Schwert, das noch immer in Mariel steckte, aus seinem Brustkorb. Sofort verlor sein Leichnam an Gestalt. Erst faserten nur die Umrisse, doch schließlich löste sich auch die letzte Zelle in goldenem Nebel auf.

Die blutrote KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt