Kapitel 13.1 - Die Straße des Lichts

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Die Straße des Lichts

Als der Auftragsmörder einen tiefen Atemzug nahm, roch er den unverwechselbaren Duft des Meeres. Eine Mischung aus Salz und Algen lag in der Luft, sorgte zusammen mit dem Rauschen des Wassers für eine entspannende Atmosphäre. Das Meer war hellblau, nur an der Küste kräuselte es sich zu kleinen Wellen, die weiße Kronen trugen. Die Gischt färbte den Sand dunkler, der wie Sternenstaub über den Dünen verteilt lag. In der Ferne wiegten sich Gräser und Bäume im Takt des Windes, während gelegentlich Sand aufwirbelte, sodass er über die Weite fegte wie der Qualm von Feuer. Zwischen dem verstreuten Gold erkannte Kain einige Muscheln und auch die glibberige Gestalt einer Qualle fiel in sein Blickfeld.

Mithilfe der Magie der Engel hatte die Reise zum nördlichsten Punkt Inidos nicht lange benötigt. Es war nicht mehr als ein einzelner Zauberspruch nötig gewesen und Kain landete zusammen mit den Marionetten am Strand.

Die Ankunft war mit einer schweren Erschütterung verbunden, doch da Kains Zelle noch immer schwebte, stieß er sich lediglich am Gitter. Dabei gab er ein lautes Fluchen von sich, bevor er scharf die Luft einzog und seine neue Umgebung betrachtete.

Obwohl er die meisten Orte in Inido kannte, sagte ihm die Küste nichts. Vermutlich befanden sie sich abseits jeglicher Zivilisation, denn obwohl die Fläche größtenteils unbewachsen war, erblickte er weder Menschen noch die schemenhaften Umrisse einer Stadt. Nur Möwen zogen am Himmel ihre Kreise, ließen in unregelmäßigen Abständen ein Krächzen ertönen. Gleichzeitig brannte die Sonne unbarmherzig von ihrem Zenit herab. Keine Wolke bedeckte den Himmel, sodass es lediglich dem kühlen Wind zu verdanken war, dass angenehme Temperaturen herrschten.

»Wo sind wir?«, fragte Kain und richtete seine Haltung, damit der Stahl nicht weiter in seinen Rücken schnitt. Währenddessen runzelte er die Stirn und sah zu den drei Marionetten, die neben ihm im Sand saßen.

Raphael richtete sich auf und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Dabei warf er Lepha einen vorwurfsvollen Blick zu. »Hättest du uns nicht schonungsvoller teleportieren können?«

»Wenn ich es könnte, hätte ich es gemacht.« Die weibliche Marionette gab einen unzufriedenen Laut von sich. »Aber mit diesem Körper lässt sich Magie nur begrenzt einsetzen. Du solltest dich glücklich schätzen, dass die Teleportation überhaupt funktioniert hat.«

»Hört auf zu streiten. Manchmal benehmt ihr euch wie kleine Engel. Unterlasst es zumindest in der Anwesenheit unseres Gefangenen«, mahnte Mariel, allerdings zeigte sein Tonklang eine Art von Amüsement. Wenn es sein hölzerner Körper zugelassen hätte, würden seine Lippen womöglich ein leichtes Lächeln zeigen.

Lepha verschränkte die Arme, folgte jedoch den Anweisungen ihres Kameraden. Etwas, das schon öfters vorgekommen war und die Krähe jedes Mal aufs Neue überraschte. Lepha wirkte nicht wie jemand, dessen Temperament man leicht zügeln konnte. Sie musste starken Respekt vor Mariel besitzen.

Raphael gab ein Räuspern von sich: »Du hast wie immer recht. Die Körper bereiten uns allen Probleme. Ich freue mich schon, wenn wir sie endlich abwerfen können.«

»Könntet ihr bitte aufhören mich zu ignorieren?«, giftete Kain die Engel an und stieß dabei ein kehliges Knurren aus. Zeitgleich trat er gegen die Gitterstäbe. Mehr aus Ärgernis, als dass er sich tatsächlich erhoffte, sie würden nachgeben.

»Trotz deiner Gefangennahme ist deine impulsive Art gleich geblieben«, scherzte Mariel und erhob sich ebenfalls, nachdem ihm Lepha ihre Hand hingehalten hatte. Die männliche Puppe ergriff diese sofort und es benötigte nur wenige Sekunden, bis er auf beiden Beinen stand.

Die blutrote KräheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt