Haven:
Es ist einer der Jungs, die ich noch nicht kenne, er trägt seine dunkelblonde, halb langen Haare in einem Mittelscheitel und schaut mich überrascht an. Dann runzelt er die Stirn, als würde er überlegen, was ich hier mache und verengt seine Augen. Aus seinem Blick spricht Wiederwille und er schaut mich misstrauisch an.
"Äähm, guten Morgen..." versuche ich die unangenehme Situation etwas zu lockern, aber er nickt mir nur, zu murmelt ein "Morgen." und drückt sich an mir vorbei in Richtung Bad.
Okay, das war jetzt etwas komisch... Ich meine klar er kennt mich nicht und ich laufe hier durch sein Haus, aber bei so vielen Mitbewohner dürfte es ihn kaum wundern, wenn mal jemand Unbekanntes durchs Haus geistert oder?
Er hat mich aber angeschaut, als wäre ich hier eingebrochen. Oder vielleicht ist er einfach nur ein Morgenmuffel und er hatte noch keinen Kaffe? Aber er war doch in der Küche also warum...?Ich schüttele den Kopf um mein unnützes Gedankenkarussel zu stopen und gehe durch die Tür in die Küche.
Beim eintreten bemerke ich, dass sich bereits jemand im Raum befindet, kann aber nicht gleich erkennen wer, da sich die Person dem Fenster zugewandt hat.
"Guten Morgen." mache ich mich vorsichtig bemerkbar, in der Hoffnung, jemandem zu begegnen, der mich nicht als Einbrecher behandelt.
Der Junge am Fenster dreht sich beim Klang meiner Stimme um und ich erkenne, dass es Konrad ist, Gott sei Dank. Ich lächle ihm zu, aber er nickt mir nur kurz zu und dreht sich wieder zum Fenster, seine Hände umklammern eine Tasse, aus der Dampf aufsteigt.Okay, Konrad schein irgendwie auch nicht so gut drauf zu sein...? Aber immerhin behandelt er mich nicht wie irgendein Fremder, der in sein zu Hause eindringt.
Ich zucke mit den Schultern, was solls, ich bin noch gut gelaunt und mache mich auf die Suche nach zwei Tassen.
Als ich das letzte Mal hier war hat Theo mein Glas aus dem Schrank da oben geholt, also sind die Tassen wahrscheinlich ganz in der Nähe, überlege ich. Ich öffne den nächsten Schrank und tatsächlich stehen Tassen darin, sodass ich mir zufrieden zwei angele, ist als kleiner Mensch einfacher gesagt als getan.
Mit diesen bewaffnet drehe ich mich schwungvoll zur Kaffeemaschine um, stelle sie dort ab und beschließe zunächst die Milch aus dem Kühlschrank zu holen. Ich greife mir die Mandelmilch und stelle sie neben die Maschine, dann die Tassen auf den dafür vorgesehenen Platz. Dann starre ich ratlos auf die vielen Knöpfe...Zu Hause haben wir eine schon etwas ältere Maschine, sodass sie wesentlich einfacher zu bedinen ist als diese hier. Ich überlege, zunächst sollte ich sie irgendwie anschalten... Ah da perfekt, ich finde den "On" Knopf und drücke darauf, worauf hin das Display aufleuchtet.
Und jetzt...?"Brauchst du Hilfe?" fragt mich plötzlich jemand, Konrad, wie ich nach einer Sekunde realisiere und drehe mich um.
"Em, also ja, wäre nicht schlecht, ich kenne mich mit dem Ding nicht so wirklich aus..." antworte ich ihm und kratze mich dabei mit einer Hand nervös hinterm Ohr. Konrad lächelt mir kurz schief zu und drückt ein paar Knöpfe, hält dann inne und fragt dann mit einem Blick zu mir, "Beide mit Milch nehme ich mal an?" und ich nicke. Dabei fällt mir auf, dass Konrads Augen rot sind und etwas verquollen, als hätte er viel geweint. Auch insgesamt sieht er eher fertig aus und seine ganze Körperhaltung wirkt resigniert, mit hängenden Schultern und den Blick nach unten gerichtet. Ob bei ihm alles okay ist? Oder ist gestern noch irgendwas passiert, dass ich nicht mitbekommen habe?Ich bin nicht umbedingt die Person, die mit der Tür ins Haus fällt, also spreche ich ihn nicht direkt darauf an und außerdem kennen wir uns ja kaum. Ich lächle ihm also nur vorsichtig zu, aber er blickt mich schon gar nicht mehr an, sondern drückt nochmal ein paar Knöpfe auf der Kaffeemaschine. Diese fängt daraufhin an, mit lauten Geräuschen, die Bohnen zu mahlen und den Kaffee zu produzieren.
Konrad dreht sich wieder um "So, jetzt läuft alles." er nickt mir zu und will sich schon abwenden, aber ich halte auf, gegen meinen ursprünglichen Plan. "Danke Konrad. Ohne dich wäre das ein Desaster geworden." ich lächle ihm wieder zu und füge vorsichtig hinzu "Ist bei dir alles in Ordnung...?"Er holt tief Luft, seuftzt und fährt sich mit einer Hand durchs Gesicht.
"Em, du musst mir nichts erzählen, also wenn du nicht willst. Nur wenn... Du reden willst?" versuche ich wieder etwas zurück zu rudern, ich will ihn nicht unter Druck setzen.
"Schon in Ordnung." er winkt ab. "Wie man anscheinend offensichtlich sehen kann geht's mir nicht so gut, aber ist nicht so schlimm, dass wird auch wieder." er zuckt nur mit den Schultern, aber ich kann sehen wie er schlucken muss.
Es wird plötzlich wieder still, da der Kaffe fertig ist und so wende ich mich den Tassen zu und fülle die Mandelmich hinein."Was mir immer hilft einen klaren Kopf zu bekommen oder einfach nochmal den nötigen Abstand zu gewinnen, ist, wenn ich raus gehe, ein bisschen spazieren, das kann helfen. Oder du setzt dich in einen Park, irgendwo in die Natur." Ich halte kurz inne, hebe die Tassen hoch, sie sind angenehm warm und drehe mich zu Konrad zurück, der vor sich auf den Boden starrt.
"Aber das beste ist immer noch darüber zu reden was dich beschäftigt. Und ich glaube hier in diesem Haus gibt es ganz viele, die dir gerne helfen und zu hören würden." Er blickt auf und mustert mich kurz."Danke. Aber... Ich glaub... nein ich weiß nicht, ob sie... Also ob sie verstehen würden, ich glaube sie sind zu nah dran, verstehst du?"
Ich nicke "Ja. Klar. Wenn du aber trotzdem mit jemandem reden möchtest, dann kannst du gerne zu mir kommen."
"Okay." er hält kurz inne, atmet tief ein und blickt mich an. "Also. Em... Also ich... Valentin..."Konrad schüttelt den Kopf und murmelt dann "Sorry, ich glaub ich muss erst ein bisschen den Kopf frei kriegen. Ich geh raus."
Mit diesen Worten stößt er sich vom Küchenschrank ab und quetscht sich an mir vorbei in den Gang und kurz darauf fällt die Haustür ins Schloss.
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Teen FictionA u s z u g 1 Das Licht der Straßenlaterne verschwimmt. Alles wird unscharf. Etwas tropft auf meine Wange. Ich schaue nach oben. Regnet es? Nein. Es regnet nicht. Nun tropft es auch auf meine Hand. Ich wische mir über die Wange. Ich weine? "Hey."...