why not now? | ✅

25.

Haven:

Pitsch nass, vom Weg von der U-Bahnstation nach Hause, stehe ich vor der Tür des Mehrfamilienhauses und krame nach meinem Schlüssel. Ich will schon klingeln, als ich endlich das Metall meines Schlüsselrings zwischen den Fingern spüre und ihn triumphierend aus dem Rucksack ziehe.
Dabei bleiben allerdings die Schlüssel an irgendwelchen Klamotten hängen und die Hälfte des Inhalts purzelt mit raus. Mist. Das ist mal wieder typisch, weil ich ja davor alles nur reingestopft habe. Seufztend über meine eigene Faulheit bücke ich mich und stopfe die Sachen zurück, wo sie hergekommen sind. Naja, geht halt einfach schneller und immerhin sind sie nicht ins Nasse gefallen. Denn, obwohl ich von Kopf bis Fuß tropfe wie ein Wasserfall, stehe ich trocken unter dem Vordach der Haustür. Schnell schließe ich auf und schlüpfe ins Innere des Hauses und steige dann die Treppen zu mein und Annis Wohnung hoch. Dort angekommen schließe ich ebenfalls auf, diesmal wesentlich schneller, da ich den Schlüssel schon in der Hand halte. Dann lausche ich in die Stille der Wohnung hinein.

Komisch, Anni müsste doch da sein? Naja, vielleicht schläft sie ja, überlege ich und bring meine Sachen erstmal in mein Zimmer. Dann schmeiße ich mich auf mein Bett und lasse die letzten Tage revue passieren.
Es ist so viel passiert wie gefühlt in meinem ganzen Leben noch nicht, weswegen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf schwirren, im reinste Chaos.
Wie krass, dass ich jetzt mit einem Jungen zusammen bin, den ich vor ein paar Tagen nicht mal gekannt habe... Wenn wir denn schon zusammen sind... Sind wir das? Naja mal offiziell noch nicht, überlege ich.
Und ich hab Theo ausgerechnet in einem ganz normalen Club getroffen, dabei wäre doch die Wahrscheinlichkeit in einem der Lqbtq+ Clubs viel höher, dass ich jemanden treffe der auf mich stehen könnte, oder? Naja, da hat mal wieder das Schicksal zugeschlagen und mich gehörig verarscht. Die K.O. Tropfen waren bestimmt auch Teil des Plan, ich meine wer wird schon von einem Wildfremden mit nach Hause genommen, weil er K.O. Tropfen in einem Club abbekommen hat und kommt dann mit ihm zusammen? Wie komisch ist das den bitte? Zufall kann das nicht sein.
Zum Glück sind wir noch nicht an dem Punkt, wo wir unsere Kennenlern-Geschichte erzählen müssen, dass wird etwas makaber... Ich schüttele schnell den Kopf um meine strangen Gedanken wieder loszuwerden.

Trotzdem hat mich all das hierher gebracht und im Moment bin ich sehr glücklich. Ich drücke eines meiner Kissen fest an mich und grinse zufrieden in mich hinein. Ich... Ich und Theo... Wie verrückt ist das bitte? Und apropo  Theo... Er ist einfach so... perfekt, ohne kitschig klingen zu wollen. Wobei, scheiß drauf, dass hier ist Verliebtsein, Liebe, die ist kitschig...
Nachdem ich einige Minuten verliebt an die Decke gestarrt und vor mich hingesabbert habe (kleiner Spaß am Rande, hab ich natürlich nicht xD) raffe ich mich wieder vom Bett auf, um mal nachzusehen ob Anni tatsächlich nicht da ist, oder was sie eigentlich treibt. Ich gehe über den Flur und öffne ohne zu klopfen ihre Tür und muss erstmal kurz innehalten bei dem Anblick, der sich mir bietet.

Anni liegt in ihrem Bett, was an sich ja nichts schlimmes ist, wäre da nicht die Tatsache, dass sie nicht allein dort ist. Hinzu kommt, dass sie und der Typ mit braunen Haaren neben ihr, nackt sind, soweit ich das von hier beurteilen kann... Schnell mache ich einen Schritt zurück und ziehe die Tür wieder etwas zu, nicht ganz damit sie es nicht höhren. Ich hole tief Luft. Immerhin kuscheln sie nur, dass ist jetzt nicht so tragisch und mich haben sie ja auch nicht bemerkt, also ist es eigentlich überhaupt nicht peinlich. Trotzdem muss ich den Kopf schütteln, um mein Kopfkino zu stoppen, bevor ich laut an Annis Tür klopfe. Ich zähle langsam bis drei bevor ich die Tür öffne und schaue erstmal bewusst nicht zum Bett. "Hey, Anni, ich wollte nicht stören, aber ich dachte ich sag mal bescheid, dass ich wieder da bin." Vorsichtig schaue ich zu den beiden rüber, die mittlerweile zum Glück unter der Bettdecke liegen. Dafür hat Anni einen ganz roten Kopf und lacht peinlich berührt auf. "Ääh, hey Haven. Schön das du wieder da bist." Dann zieht sie eine Grimasse und fügt hinzu, "Sorry, vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen." Ich winke ab, "Halb so schlimm, hab ich nur nicht erwartet." Ich wackle mit den Augenbrauen, um sie ein bisschen zu ärgern und sie schlägt sich stöhnend eine Hand vor die Augen. Der Typ neben ihr grinst nur selbstbewusst und wuschelt Anni mit einer Hand durch ihre Haare, woraufhin sie ihn böse anschaut.

Okay, mein Stichwort zu gehen und ich schließe die Tür wieder, unbemerkt von den beiden Turteltäubchen, die ich jetzt garantiert nicht mehr stören werde. Stattdessen verziehe ich mich in die Küche und koche was zum Abendessen.
Als nach einer Weile das dampfende Essen auf dem Tisch steht höhre ich, wie die Tür von Annis Zimmer aufgeht und die beiden heraustreten. Im Gegensatz zu vorhin sind beide angezogen und der junge Mann trägt sogar seine Jacke und Schuhe. Er nickt mir im Vorbeigehen zu und Anni begleitet ihn nach draußen, wie sie sich verabschieden sehe ich nicht, da sie ihn bis nach unten begleitet. Ich höre nur wie sie die Treppenstufen hinunter gehen, die Wohnungstür leicht angelehnt.
Als sie wieder zurück kommt grinse ich sie schelmisch an, "Na, willst du mir nichts erzählen?"

Anni lacht und setzt sich zu mir an den Tisch, schöpft sich und schiebt sich erstmal eine Gabel voll in den Mund. "Mmmmh, ist das lecker." schwärmt sie, aber ich schüttle den Kopf. "Nicht vom Thema abweichen." necke ich sie und nehme selbst eine Gabel voll. Sie schluckt, nimmt einen Schluck Wasser aus ihrem Glas und sieht mich dann nachdenklich an.
"Naja, ich hab ihn im Club letzte Woche kennengelernt, er ist der Grund warum ich dich alleine gelassen habe..." Zerknirscht blickt sie zu Boden. "Hey, es ist niemandes Schuld, dass du mich alleine gelassen hast. Weder seine und erst Recht nicht deine. Ich bin ja schließlich selber groß. " sage ich sanft und lächle ihr aufmunternd zu, als sie wieder aufblickt. "Wenn schon sollte ich ihm dankbar sein, sonst hätte mich Theo nie mitgenommen. Also los erzähl schon, was läuft da zwischen euch?" Sie wir rot. "Also, soo viel läuft da nicht... Wir haben uns wie gesagt im Club kennengelernt und mega gut verstanden und dann sind wir halt zu ihm. Ich mag ihn und er ist echt mega nett und so, aber mehr als ein One Night Stand wars nicht. Und gestern Abend haben wir uns nach der Party noch getroffen, er kam von nem Kumpel und wir waren beide betrunken. " Sie lächelt hilflos und trinkt noch etwas von ihrem Wasser.

"Du meinst wohl Two Night Stand." ziehe ich Anni auf und sie verschluckt sich, woraufhin ich lachen muss. "Jaa..." antwortet sie gedehnt, " aber viel mehr wird daraus auch nicht, er hat von Anfang an gesagt, dass er im Moment nichts festes will und ich versteh mich mit ihm zwar super, aber ich bin nicht verliebt oder so." Sie zögert kurz und fügt dann hinzu, "Es ist eher so was wie Freundschaft Plus oder so. Man klingt das bescheuert." Sie lacht und ich lächle ihr zu. "Solange du darin glücklich bist, ist mir egal wie ihr es definiert."

"Aber jetzt erzähl mal, wie läufts den bei dir und Theo? Was habt ihr noch so gemacht gestern Abend und heute den ganzen Tag über?" fragt Anni mit wackelnden Augenbrauen und diesmal bin ich dran mit rot werden.