26.

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Haven:

Ich sitze in der Bahn und schaue aus dem Fenster, die Umgebung zieht flatternd an mir vorüber und meine Gedanken schweifen.
Heute ist schon Donnerstag, seit Dienstag ist Theo nun schon weg, dass heißt ich habe ihn das letzte mal vor drei Tagen gesehen. Ja, ich weiß, das ist nicht soo dramatisch lang, doch trotzdem haben wir jeden Tag telefoniert.
Aber heute kommt er endlich wieder von seinem Vater zurück, deshalb bin ich auf dem Weg zur Villa. Genauer gesagt verpasse ich gerade fast meine Haltestelle.
Mit dem Kopf wo anders starre ich auf die sich öffnenden Türen und bemerke erst nach einigen Sekunden, dass der Haltestellenname da draußen meine Endstation ist. Hastig springe ich auf, dränge mich durch die Leute, murmle einige Entschuldigungen und springe durch die Tür. Ein Luftzug umfängt mich und die Türen schließen piepsend. Puh, das wäre geschafft.

Nach kurzem Fußweg im Licht der Nachmittagssonne stehe ich vor der Haustür der Villa und klingele nervös. Theo weiß nicht, dass ich komme. Nichts passiert. Nach kurzem Zögern drücke ich erneut auf den Knopf, diesmal mit mehr Nachdruck und im selben Moment schwingt die Tür auch schon auf. Nils steht dahinter und murmelt, "Ich komm ja schon..." und irgendwas unverständliches, das verdächtig nach Schimpfwörtern klingt. Doch als er mich erkennt hellt sich sein Blick auf. "Hey Haven, was machst du den hier?" er umarmt mich zur Begrüßung und lässt mich dann rein. "Falls du zu Theo willst, der ist noch gar nicht da." Neugierig schaut mich Nils an. "Das macht nichts." winke ich ab, "Er weiß gar nicht, dass ich hier bin, ich will ihn überraschen. Ich weiß nicht genau wann er ankommt, aber solang ihr mich hier ertragen könnt, ist das nicht so schlimm." Ich ziehe eine Grimase und Nils zwinkert mir zu. "Klar können wir dich hier ertragen, komm nur rein."

Ich kicke meine Schuhe von den Füßen und schiebe sie zusammen mit meiner Jacke in eine dunkle Ecke der Gaderobe, sodass sie einem nicht gleich ins Auge fallen. Dann folge ich Nils ins Wohnzimmer.
Dort sitzt Samy am Tisch, Kopfhörer auf, sein Kopf wippt im Beat, während er am Laptop Bilder bearbeitet. Levin wiederum steht am Fenster und tanzt vor sich hin, wobei... Nein er tanzt nicht einfach, er macht ein TikTok. Er wiederholt die ganze Zeit genau das gleiche immer und immer wieder, bis es perfektioniert ist. Ich muss schmunzeln, denn es sieht einigermaßen lustig aus.
Nils kündigt mich mit einem lauten "Leutee, Haven ist da." an worauf Samy kurz die Kopfhörer hebt und mich begrüßt und Levin mir nur zunickt. Er ist also immer noch kein Fan von mir und Theo...
Nils führt mich zum Sofa und lässt sich neben mich plumsen. "Soso, dann hast du also den guten, alten Theo so vermisst. Dass du gar nicht warten kannst bis er wieder da ist." Nils schüttelt gespielt missbilligend den Kopf und ich verdrehe die Augen, gebe aber zu, "Ein bisschen vielleicht." Nils lächelt mich offen an und setzt an etwas zu sagen, als ihn plötzlich Emil aus seinem Zimmer zu sich ruft. "Ich schau mal kurz." entschuldigt sich Nils und lässt mich allein auf der Couch zurück.

Ich lasse mein Blick durchs Wohnzimmer schweifen und komme mir ein wenig Fehl am Platz vor und tue das, was jeder junge Mensch in meiner Situation tun würde. Ich ziehe mein Handy hervor und werfe ein Blick auf mein Display, als sich plötzlich jemand neben mir auf die Couch wirft. "Konrad." sage ich überrascht, als ich ihn sehe. "Hey." füge ich lächelnd hinzu. Wir begrüßen uns mit einer umständlichen Umarmung, im sitzten klappt das nicht so gut und auch er lächelt mir zu.
"Wie geht's dir so? Was hast du so gemacht die letzten Tage?" Beginne ich das Gespräch und versuche ihn nicht sofort auf Valentin anzusprechen.
"Nicht viel, to be honest." Konrad zuckt mit den Schulter. "Ich hab am Dienstag unseren Podcast hochgeladen, den ich und Valentin zum Glück schon Freitag aufgenommen haben. Und ich war n bisschen mit den Jungs unterwegs, aber sonst..." "Ich hab auch nicht so viel gemacht." gebe ich zu und ziehe eine Grimasse. "Obwohl mein FSJ nächste Woche anfängt und ich noch n paar Sachen vorbereiten sollte."

Konrad blickt mich interessiert an, "Ach du machst ein FSJ?" "Ja, deswegen bin ich auch hier in Berlin. Hatte keine Ahnung was ich sonst machen soll und dachte mir dann soll es wenigstens was sinnvolles sein." Ich zögere kurz und füge dann hinzu, "Naja, das letzte Jahr über war ich theoretisch schon genug weg von zuhause, ich hab einen Freiwilligendienst in Thailand gemacht für ein Jahr. Aber ich hab immer noch nicht genau gewusst, was ich denn machen soll und wollte mich nicht festlegen. Deswegen das FSJ." Ich zucke mit den Schultern, unsicher was ich erwarten soll. Viele Leute finden das was ich mache komisch und vorallem ältere missbilligen das auch mal. Doch Konrad, der offen ist und außerdem selbst nicht in der konventionellen Berufswelt unterwegs ist, findet das Ganze anscheinend total interessant.
"Du warst ein Jahr lang in Thailand? Wow. Wie mega cool. Das würde ich auch gerne mal machen. Ein Jahr lang einfach irgendwo hinreisen und da leben und so. Ich hab selber noch nicht soo viel gesehen von der Welt, aber wir waren vor einer Weile auf Bali. Nils, Theo, Samy, Karlotta, Emil, Levin und ich. Das war einfach traumhaft schön. Aber klingt auf jeden Fall mega nice, dein Freiwilligendienst."

Ich nicke, selbst begeistert, denn die Erinnerungen daran sind wunderschön und meine ganze dort gewonnene Erfahrung und Erlebnisse würde ich um nichts wieder hergeben. "Ja, es war total schön und ich bin so froh, dass ich dort war. Auf Bali war ich bisher noch nicht, aber da will ich auch mal hin." stimme ich ihm zu.
"Auf jeden Fall! Ich komm dann mit." Konrad zwinkert mir zu und ich sehe wie seine Augen beim Gedanken an die schöne Zeit funkeln. "Und dein FSJ? Wo machst du das den?" fragt er mich interessiert. "Naja obviously hier in Berlin." ärgere ich ihn und er verdreht die Augen.
"Jetzt aber mal Spaß beiseite, du bist doch sicher nicht hier hergekommen, um in irgendeinem U-Bahntunnel Musik zumachen." Ich reiße die Augen auf und tue so als wäre es die beste Idee des Jahrhunderts. "Natürlich, wieso bin ich den nicht schon frühet darauf gekommen?" ich muss lachen, aber so leicht lässt sich Konrad nicht abweisen. Er hebt drohend den Finger und meint "Wenn du mir nicht sofort die Wahrheit sagst Haven, dann kann ich nicht mehr für deine Sicherheit garantieren."

"Na gut, na gut." lenke ich angesichts der drastisch Maßnahmen ein. "Ich arbeite ab nächster Woche in einem Jugendclub in Neukölln. Bzw. helfe da aus oder was auch immer man als FSJler so tut." Konrad nickt und sagt dann "Klingt doch ganz entspannt." "Hoffen wir mal, aber ich freu mich jedenfalls." Es wird still um uns, zwar angenehm, aber trotzdem weiß ich nicht genau was ich sagen soll, da mir immer noch eine Frage auf der Zunge brennt. Und so rutsche ich auf dem Sofa umher, in eine neue Position, ziehe mein Handy hervor und schaue, ob Theo geschrieben hat. Er wollte mir nämlich schreiben, sobald er da ist, aber Fehlanzeige. Ich schaue wieder zu Konrad der in Gedanken versunken da sitzt und dabei etwas unglücklich aussieht. Zwar besser als am Montag, aber dennoch.

Und das ist schlussendlich der ausschlaggebende Grund, weshalb ich ihn endlich frage.
"Wie geht's dir eigentlich? Wegen der Sache mit Valentin, meine ich. Hat sich schon irgendetwas getan?"

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