Kapitel 52

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Schmerz: eine vielfältige subjektive Wahrnehmung der Sinne

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Ich lag auf meinem Bett, alle viere von mir gestreckt. Die weiße Decke war meinem ständigen Blick ausgesetzt. Mein Handy klingelte hin und wieder, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, darauf zu schauen.

„Lily, du hast den ganzen Tag nichts gegessen. Bitte esse das, ich stelle es dir hierhin" sagte Luke, als er gegen 12 Uhr mittags das Mittagessen in mein Zimmer brachte. Ich lag bereits den ganzen Samstag in meinem Bett, zu mehr konnte ich mich selbst nicht überzeugen.

„Lily" mit diesen Worten stürmte Luke später erneut in mein Zimmer herein. Ich hob den Blick nicht, sondern starrte an die Decke. „Telefon für dich" sagte Luke und blieb vor mir stehen.

„Ich will nicht" sagte ich, aber Luke legte einfach sein Handy neben mich auf das Bett und spazierte aus meinem Zimmer.

Seufzend griff ich nach seinem Handy, „Hallo?" fragte ich genervt mit einer krächzenden Stimme. „Hallihallo" sang Lee in sein Handy. Ihn würde ich nicht so einfach loswerden.

Ich stellte ihn auf laut und legte Lukes Handy neben mich. „Was willst du?" fragte ich genervt. „Ach, komm schon. Freust du dich nicht von deinem Lieblings-Hemmingway zu hören?"

„Du wirst lachen, aber damit triffst du genau ins Schwarze" seufzte ich. „Was ist denn bei euch da drüben los?" fragte Lee.

Ich sagte nichts, sodass Lee nach kurzer Zeit wieder aufsprach; „Also Stress im Paradies?". „Von welchem Paradies sprichst du?" fragte ich in einem monotonen Ton.

„Oh, bei euch klingt es ja wie Eiszeit" ich konnte hören, dass er noch immer dieses süffisante Lächeln auf seinem Gesicht hatte. „Also willst du mir jetzt endlich sagen, was passiert ist?" fragte Lee.

Also erzählte ich ihm alles, was mit Ben und Jay alles passiert war. „Oh je. Ich kann mich nur für die zwei Idioten entschuldigen" sagte er und seufzte einmal.

„Ich weiß doch auch nicht, vielleicht liegt es ja einfach nur an mir" und obwohl ich nicht verletzlich erscheinen wollte, konnte ich ein Schluchzen nicht unterdrücken und einige Tränen fanden ihren Weg meine Wangen hinunter.

„Lily, sag so etwas nicht. Die zwei sind einfach nur Deppen, aber du darfst dir selbst auf keinen Fall die Schuld geben. Ich komme nächste Woche, aber mach' dir solange keine Sorgen, ja?"

„Ja" sagte ich mit leiser Stimme und wischte mir schnell meine Tränen von der Wange. „Weißt du schon, was du zum Winter Ball trägst?" versuchte Lee das Thema zu wechseln.

„Ich gehe nicht" antwortete ich kurz und richtete meinen Blick von der Türe wieder stur an die Decke. „Spinnst du? In einem Jahr machst du deinen Abschluss, du musst die Zeit nutzen und wenn du schon nicht mit einem meiner Brüder gehst, dann gehe mit jemand anderem. Aber du solltest unbedingt gehen, dir würde wirklich etwas entgehen"

„Mal schauen" murmelte ich. „Aber verspreche mir, wenn dich einer ganz romantisch fragt, ob du mit ihm auf den Winter Ball mitkommst, breche dem Armen nicht sein Herz" sagte Lee.

„Ich glaube sowieso nicht, dass mich jemand fragen wird" murmelte ich. „Ich sage ja nur, falls dich jemand fragt" antwortete Lee, „Halt die Ohren steif, ja?" und damit beendeten wir das Telefonat.

Ich verblieb in meinem Bett den restlichen Tag. Am nächsten Morgen kam ich nur mit Mühe aus meinem Bett. Ich hatte keine Lust – keine Lust auf dieses Spiel, keine Lust Jay wieder zu sehen, allgemein einfach keine Lust.

Aber ich konnte mein Team nicht im Stich lassen, deshalb packte ich schnell mein Zeug, nahm mir einen Toast als Frühstück mit und stieg in mein Auto ein.

Müde trottete ich Richtung Umkleide, als mich plötzlich Kyle stoppte. Ich hatte mit ihm seit Ewigkeiten kein Wort gewechselt und heute wollte ich das schon gar nicht.

„Lily, kann ich nur ganz kurz mit dir reden?" sagte er und blieb vor mir stehen. „Ich möchte jetzt nicht mit dir reden" sagte ich und versuchte an ihm vorbei zu laufen, aber er versperrte mir den Weg.

„Bitte, nur ganz kurz. Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe und du solltest dich auch von Jay fern halten, er meint es nicht ernst" sagte er, „Ach, hör doch auf und lass mich in Ruhe. Wieso küsst du mich erst, dann sagst du, wir sollten nur Freunde sein und anschließend erzählst du Lügen über Jay? Was soll das denn?"

„Lily, mich hatte Jay einfach nur noch genervt. Ich wollte ihm zeigen, dass nicht nur er bei den Mädchen beliebt ist" er schaute mich ehrlich an. „Spinnst du eigentlich? Das heißt, ich bin nichts anderes, als eine Trophäe, die man bei jedem Sieg einfach einsammelt?" fragte ich in einem lauten Ton entrüstet.

„Du warst doch auch nie etwas anderes für Jay" ich holte aus, schlug zu, sodass meine Hand auf sein Gesicht traf.

Dann lief ich schnell in die Umkleide. Ich ließ meine Sporttasche auf die Bank in der Umkleide fallen und stemmte mich gegen die Wand. Kyle hatte Recht, ich war für Jay doch auch nur jemand mit dem er Spaß hatte und ich ließ es zu.

Schnell wischte ich meine Tränen beiseite. Ich zog mich an und überschminkte meine geröteten Augen, so gut es ging. Mit samt meinem Helm verließ ich die Umkleide und machte mich auf den Weg auf das Spielfeld.

Kaum hatte ich Liam gesehen, rannte ich zu ihm, „Wie geht's?" fragte ich ihn und band ihn in ein Gespräch ein, sodass Liam mir bereitwillig von seinem spannenden Samstag erzählte. Ich lief am Seitenrand und Liam direkt neben mir.

Ich wusste ich konnte Jay nicht den ganzen Tag komplett ausweichen, aber ich musste mein Bestes versuchen. Spätestens als Jay neben mir auftauchte, wusste ich, dass es vollkommen unmöglich war ihm irgendwie aus dem Weg zu gehen.

„Love, wie geht es dir?" fragte er, als er, sowie alle anderen die Oberschenkelvorderseite dehnte. „Nenne mich nicht so und tue nicht so scheinheilig" antwortete ich patzig.

Er schaute mich verwirrt an und hob abwehrend die Hände. „Was ist los?". „Du weißt genau, was los ist. Lass mich einfach in Ruhe. Das mit uns war einfach ein riesiger Fehler, ich hätte es von Anfang an wissen müssen" mit diesen Worten stand ich auf und ging zu meiner Tasche.

Ich war das ganze Spiel lang unkonzentriert, ich fing kaum einen Ball und auch Jay warf seine Bälle nicht so konzentriert, wie sonst manchmal. Das Spiel dauerte ewig und im Endeffekt verloren wir haushoch.

Nach dem Spiel zog ich mich schnell um und wollte sofort wieder nach Hause fahren, ich war beinahe an meinem Auto angekommen, als ich hörte, wie sich schnelle Fußschritte nährten.

„Love, was ist los?" Jay hatte noch sein Trikot und Schulterpad an, als er näher auf mich zu lief. Ich rannte zu meiner Fahrertüre, aber Jay war schneller und hielt meine Autotür zu.

„Was ist los?" Jays Haar lag verstrubbelt auf seinem Kopf, er sah verzweifelt aus. Alleine ihn anzuschauen brach mein Herz.

„Für dich bin ich doch nichts anderes, als jedes von deinen Flittchen. Für dich bin ich einfach austauschbar" ich holte tief Luft und war den Tränen nahe.

„Weißt du, die Sache ist einfach die, dass ich dachte, du hättest dich verändert. Dass ich die Person gewesen wäre, die dich verändert hätte. Aber im Endeffekt kann ich das nicht, weil du selbst die Entscheidung dafür treffen müsstest. Und das Problem ist, dass ich mich einfach in dich verliebt habe ohne dass ich es hätte verhindern können. Weil du genau weißt, wie du jedes einzelne Mädchen um deinen Finger wickelst" ich schaute einen Moment zu ihm hoch, muss aber meinen Blick sofort wieder abwenden.

„Ich bereue einfach, dass es so weit gekommen ist. Dass ich es so weit kommen ließ. Und dass ich dir die Möglichkeit gegeben habe, mich zu verletzen."

Die Tränen liefen mir bereits in Flüssen über die Wange. „Von was redest du?" fragte er. „Ich hab dich gestern Abend gesehen – mit Chloe. Wieso hast du eine Ausrede gesucht, wieso hast du mir nicht gleich gesagt woran ich bin?"

„Lily, so war das nicht..." ich unterbrach ihn. „Lass mich einfach in Ruhe" ich drückte ihn von meinem Auto weg, stieg ein und fuhr weg.

Auf dem FeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt