Kapitel 61

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Verzeihen: auf eine Tat nicht mit Strafe oder Rache reagieren, sondern mit Wohlwollen und Großherzigkeit

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Es war der 24. Dezember geworden, Luke und ich würden gegen 5 Uhr mittags zu den Hemmingways gehen und traditionell Weihnachten feiern.

Aber dennoch war jetzt alles anders. Es war das erste Weihnachten ohne meine Eltern und ich hatte zu dem Zeitpunkt noch absolut keine Idee, wie ich das alles schaffen sollte. Wie sollte ich Weihnachten feiern ohne sie? Luke, der genau wusste, wie ich mich fühlte, begleitete mich am Vormittag zum Friedhof.

Anschließend nutzten wir die restliche Zeit, um die Weihnachtsgeschenke einzupacken und ich war froh, dass mich Luke nicht alleine ließ. Dadurch fühlte ich mich zumindest nicht ganz so einsam.

„Es ist so schön, euch zu sehen" begrüßte uns Eva mit einem riesigen Lächeln auf dem Gesicht, als sie uns die Türe öffnete und uns in eine Umarmung zog. Wir folgten ihr ins Haus. Im Wohnzimmer war die große Tafel aufgebaut und dahinter der wunderschöne große Tannenbaum.

Nach und nach kam ein Hemmingway nach dem anderen hinunter zu uns und wir setzten uns an die schön geschmückte Tafel.

Es saßen bereits alle, als Jay sich auch dazu entschloss, sich zu uns zu setzen. Er setzte sich auf den Stuhl gegenüber von mir. „Das ist aber ganz schön viel Muster für so einen kleinen Pullover" schaute er mich kritisch an mit hochgezogener Augenbrauen. Ein kurzer Blick an mir herunter, erinnerte mich daran, dass ich einen Ugly Sweater mit vielen unterschiedlichen weihnachtlichen Motiven trug.

Die Stimmung am Tisch änderte sich augenblicklich, es war Mucks-Mäuschen-Still geworden, die Luft schon beinahe greifbar und jeder in diesem Raum beäugte uns kritisch.

„Dein Kopf passt auch nicht zu deinem Pullover, aber es sagt auch niemand etwas dazu" antwortete ich ernst, sodass wir beide anschließend in schallendes Gelächter ausbrachen und uns einen High-Five gaben.

Die Stimmung entspannte sich augenblicklich wieder und wir begannen zu essen. Es gab Truthahn, Ribs, Kartoffelbrei, Süßkartoffel Pommes, Blumenkohl, vier verschiedene Salate, Kuchen und Cupcakes. Es war ein Traum.

Papp satt setzten wir „Kinder" uns vor den Fernseher, um unseren Weihnachtsfilmemarathon anzugehen. Ich saß zwischen Lee und Luke, die nicht den Film schauten, sondern lieber mich nervten.

Lee pikste mir immer wieder in die Seite und spielte mit meinem Haar, während Luke in meine Backe pikste.

„Sagst du uns, wieso du Jay verziehen hast?" murmelte mir Lee zum tausendsten Mal in mein Ohr und ich schüttelte vehement meinen Kopf. „Komm schon" nörgelte Lee, aber ich schüttelte weiterhin meinen Kopf.

Lee nutzte dies, als seine Chancen, mir noch näher auf die Pelle zu rücken, sodass ich aufstand. „Ihr seid ja schlimmer, als jedes Kleinkind. Sucht euch ein Hobby"

Ich schaute mich nach einem neuen Sitzplatz um. Von dem Sofa war ich gerade erst aufgestanden und hatte definitiv nicht vor, mich dort noch einmal hinzusetzen, weil die Nerverei der beiden ertrug ich keine Sekunde länger. Und auf den restlichen zwei Sesseln saßen rechts Ben und links Jay.

Toll. Sollte ich es mir jetzt etwa auf dem Boden gemütlich machen? „Tja, es bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dich wieder zu uns zu setzen" meinte Lee mit einem großen Grinsen.

„Love" hörte ich die sachte Stimme von Jay, der seine Hand nach mir ausgestreckt hatte. Ich lief zu ihm und er zog mich auf seinen Schoß. Er hielt mich an meiner Hüfte fest und ich legte meinen Kopf an seine Schulter. Sodass ich von Sekunde zu Sekunde, als ich hier in Jays Armen lag immer müder wurde.

Auf dem FeldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt