26.11.2019 - Tim

908 33 22
                                    

Ich spüre, dass sich jemand neben mich auf die Bank setzt, aber es ist mir egal, dass diese Person mich jetzt völlig verheult sieht. Eigentlich ist mir alles egal. Das einzige, was mich hätte trösten können, wäre Jan, aber der ist ja einfach weg. Ich verstehe einfach nicht, was passiert ist. Warum ist er gegangen? Warum will er mich nicht mehr sehen? Warum glaubt er, dass ich mit seinen Gefühlen gespielt hätte?

Der Person neben mir scheine ich nicht egal zu sein, denn sie streicht mir beruhigend über den Rücken. Ich hebe meinen Kopf von den Knien und versuche durch den Tränenschleier zu erkennen, wer diese Person ist. Eine ältere Dame lächelt mich fürsorglich an und reicht mir mit ihrer freien Hand ein Taschentuch, welches ich dankend annehme. „Danke", bringe ich mit brüchiger Stimme hervor, bevor ich versuche mich von dem heulenden Etwas wieder in einen Menschen zu verwandeln. Die Frau bleibt einfach neben mir sitzen und sagt gar nichts. Ich bin froh nicht reden zu müssen, ich wüsste nicht, ob ich es überhaupt könnte oder nicht doch komplett zusammenbräche.

Nachdem ich es endlich geschafft hatte nicht mehr zu weinen, steht die Dame auf. „Junger Herr, kommen sie mit. Nach einem warmen Tee und einem leckeren Stück Kuchen wird die Welt schon viel besser aussehen.", fordert sie mich auf und wortlos folge ich ihr. Gemeinsam gehen wir den Weg zurück, den ich mit Jan gelaufen war. Glücklich gelaufen war. Glücklich ein Wort, dass unweigerlich mit Jan verbunden ist.

Jetzt trotte ich wie ein begossener Pudel der viel zu netten Dame hinterher und wünsche mir, eine halbe Stunde in der Zeit zurückreisen zu können. Mein Zeitgefühl hat mich komplett verlassen und ich fühle mich taub. Ausgelaugt. Wir bleiben vor einer Doppelhaushälfte stehen und die Frau kramt einen Schlüssel hervor. Nachdem wir eingetreten sind, ruft sie laut: „Herbert! Ich bin wieder da und habe einen Gast mitgebracht! Setzt du schon mal das Wasser für einen Tee auf?" „Du musst nicht jedes mal so schreien. Ich bin zwar nicht mehr der jüngste, aber Taub noch lange nicht.", ertönt eine angenehm tiefe Stimme aus einem der Zimmer, bevor ein ebenfalls älterer Herr den Flur betritt. „Das sagt er immer, aber er hört ja nicht mal mehr die Türklingel.", meint die Dame zu mir gewendet. „Ich kann die Klingel durchaus hören, dass ich die Türe dann nicht öffne ist ein ganz anderes Thema", erklärt der Herr und grinst dabei seine Frau an. Auch in mein Gesicht schleicht sich ein leichtes Lächeln. „Herbert!", stößt sie empört hervor. „Willst du mir unseren Gast nicht mal vorstellen?", lenkt Herbert vom Geschehen ab. „Ja natürlich, wie unhöflich ich bin. Also, ich bin Ingrid und das ist mein Mann Herbert", stellt sie sich vor. „Ich bin Tim", antworte ich schüchtern. „Schön, Tim. Mein Mann zeigt dir jetzt mal das Wohnzimmer und ich hole solange den Kuchen und mache Tee. Das Wasser hast du ja immer noch nicht aufgesetzt, so viel zum Thema nicht taub.", erklärt Ingrid, bevor sie durch ein Tür verschwindet.

„Frauen", mein Herbert kopfschüttelnd und ich folge ihm ins Wohnzimmer. Dort setzen wir uns und er fragt: „Was hast du angestellt, dass mein bezaubernde Frau dich einfach so mit nimmt?" Ich weiß nicht so recht, wie ich ohne wieder in Tränen auszubrechen antworten soll. Glücklicherweise kommt Ingrid in diesem Moment in das Zimmer. „Jetzt lass doch mal den armen Jungen in Ruhe!", ermahnt sie ihren Mann. Augenblicklich fühle ich mich etwas schuldig ihr gegenüber, weil sie mich so in den Schutz nimmt, obwohl sie selbst nicht weiß, wer genau ich bin und was mit mir los ist und trotzdem hat sie mich getröstet und einfach bei sich aufgenommen.

Während der nächsten Stunde bleibt dieses Thema weiter unberührt und ich kann für einen Moment vergessen, was passiert ist. Ingrid und Herbert erzählen jede Menge Geschichten aus ihrem Leben und wir können gemeinsam lachen.

Aber ich kann nicht ewig in dieser Blase der Geborgenheit bleiben und beschließe gegen 18 Uhr mich auf den Heimweg zu machen. Ich bedanke mich noch ausgiebig bei dem Ehepaar und möchte gerade das Haus verlassen, als Ingrid mich nochmal aufhält. „Tim, ich habe heute Mittag deinen Streit mit dem anderen jungen Mann mitbekommen. Ich weiß zwar nicht, was genau zwischen euch vorgefallen ist, aber wenn du ihn wirklich liebst, dann kämpfe um ihn!" „Woher...", will ich verwirrt wissen. „Lebenserfahrung. Ganz viel Lebenserfahrung.", meint sie nur. „Und jetzt komm gut nach Hause. Und wenn du mal wieder am Boden zerstört bist, dann ist unsere Haustüre immer offen für dich." Dann schließt sie die Türe und ich stehe alleine in der Dunkelheit.


-----

Keine Ahnung warum ich jetzt plötzlich wieder etwas motivierter zum schreiben bin, nachdem die letzten zwei Wochen so eine Qual waren. Von einem Tag auf den anderen geht es dann plötzlich wieder. 

Welchen Tipp würdet ihr Tim jetzt geben? Was soll er machen?

Liebe Grüße 

Gewitter im Kopf - FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt