26.11.2019 - Tim

889 40 19
                                    


Auf dem Weg zurück zu meinem Auto, beschließe ich Jan anzurufen. Ingrids Worte klingen immer noch in meinem Kopf nach.

Wenn du ihn wirklich liebst, dann kämpfe um ihn!

Und selbst wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben will, kann ich ihn vielleicht wenigstens überreden ihn noch heimfahren zu dürfen, bevor er in der Eiseskälte noch erfriert.

Es klingelt. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Er wird nicht rangehen, aber ich bleibe hartnäckig. Fünfmal. Sechsmal. Dann hört es auf. Aber anstelle der Mailbox, ist es einfach still. Verwirrt schaue ich auf den Bildschirm und sehe, dass er abgenommen hat. Ich bin überfordert. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich wegdrückt oder wenn er rangeht, mich anschreit, aber er gibt mir einfach die Chance, die ich mir gewünscht habe. Er erlaubt mir, mich zu erklären. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und bleibe ebenfalls still.

So geht es noch weitere fünf Minuten. Mehrfach überlege ich mir, wie ich das Gespräch anfange, aber nicht scheint der Situation angemessen. Ich weiß ja nicht mal, was passiert ist. Als ich endlich in meinem Auto sitze, lehne ich mich erschöpft in den Sitz. Plötzlich ertönt aus dem Lautsprecher meines Smartphones: „Will der Spacko jetzt noch etwas sagen, oder nur meine Zeit verschwenden?" Irgendwie erleichtert es mich seine Stimme zu hören, auch wenn es nur sein Tourette ist. „Jan, was ist passiert?", spreche ich die Frage aus, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt. „Wenn das deine Frage ist, dann können wir uns das Gespräch gleich sparen.", gibt Jan trocken von sich. Ich bekomme Angst, dass er gleich auflegt und rede schnell weiter: „Ich verstehe einfach nicht, was ich falsch gemacht habe, dass du so wütend auf mich bist." „Tim, spar dir das. Was willst du damit erreichen? Sei doch froh, dass du mich endlich los bist. Dass der Typ mit dem nervigen Tourette nicht länger dein Problem ist", unterbricht mich Jan und ich höre die Tränen aus seiner Stimme heraus. „Was sagst du da?", bringe ich völlig fassungslos hervor. Noch nie habe ich so einen Selbsthass aus ihm sprechen hören. Seit wann denkt er so? Bin ich der Grund dafür? Habe ich ihm irgendwie, dass Gefühl gegeben, dass er nichts wert wäre, nur weil er eine Krankheit hat?

„Ich sage, dass was du dich so lange nicht getraut hast, mir ins Gesicht zu sagen. Du bist so ein Feigling. Arschloch würde es wesentlich besser treffen, aber reicht immer noch nicht ansatzweise daran, wie ich gerade über dich denke.", giftet er mich völlig zusammenhanglos an und ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich brauche einen kurzen Moment, um mich zu sammeln und zu verstehen, was Jan da gerade behauptet. Dann versuche ich mit beruhigender Stimme auf ihn einzureden: „Jan, ich weiß nicht, wie du auf diese Gedanken kommst. Nie im Leben würde ich so über dich denken." „Und warum, dann hast du mit mir Schluss gemacht?", bricht es aus ihm heraus. Ich verstehe immer noch nicht ganz, wie zur Hölle er darauf kommt, aber immerhin wird mir seine Reaktion etwas klarer. Ich würde genauso denken, wenn er mit mir Schluss machen würde. Bloß wie kommt er darauf? „Ich hab nicht mit dir Schluss gemacht! Ich weiß gar nicht, wie du überhaupt darauf kommst. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob wir endlich offiziell zusammen sein können, aber soweit bin ich ja gar nicht kommen.", stelle ich meine Sicht der Geschehnisse dar und hoffe endlich etwas Klarheit zu erreichen. Es bleibt lange Zeit still am anderen Ende und ich habe schon die Befürchtung wieder etwas falsches gesagt zu haben. „Und warum hast du dann gesagt, dass du unsere Beziehung beenden möchtest?", kommt es leise von Jan.

Auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Meine Formulierung, dass ich unsere Beziehung auf Probe beenden möchte, sehr unglücklich gewählt war und er gedacht hatte, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Sein Selbsthass, war dann nur die Folge davon.

„Man ich meinte damit doch bloß, dass ich das ,auf Probe' in unserer Beziehung wegstreichen möchte!", erkläre ich ihm meine Erkenntnis. „Och ne, jetzt bleibt der Spaßt noch länger bei mir! Ich hatte schon Hoffnungen!" Wir müssen beide etwas lachen. „Und ich dachte du hättest mit mir Schluss gemacht... Wir sind echt so zwei Spezialisten." Langsam aber sicher kehr das Lächeln wieder zurück in mein Gesicht. 


-----

Entgegen der Erwartungen, der meisten von euch, ist Jan doch rangegangen und sie haben es sogar geschafft sofort zu reden! Man kann richtig stolz auf die beiden sein 😂

Liebe Grüße

Gewitter im Kopf - FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt