SIX

4.1K 158 5
                                    

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, was wohl echt mager ausgefallen war, verzog ich mich sofort wieder auf mein Zimmer. So wie ich es vermutet hatte sah ich den Joker überhaupt nicht. Wahrscheinlich war er schon dabei sein nächstes Verbrechen zu planen oder irgendeine Folter stand an. Mich brauchte es nicht zu interessieren, ich hatte damit nichts zu tun. Noch nicht. So lange ich nichts richtiges zu tun hatte setzte ich mich auf mein Bett und sah die Tür an. Ich wusste selbst nicht so wirklich, worauf ich wartete, aber tatsächlich wurde diese nach kurzer Zeit, mal wieder ohne anzuklopfen, geöffnet. Jonny trat ein und trug in der einen Hand eine Mappe und der anderen ein dunkelgrünes Kleid.

„Wie schön, dass wir schon soweit sind, dass Privatsphäre keine Rolle mehr spielt.“, sagte ich schnippisch, als er mir die Mappe in die Hand drückte. „Keine Zeit für Höflichkeiten. Der Joker will, dass du das lernst und das Kleid heute Abend trägst, wenn deine Begleitung dich abholt.“, erklärte er gestresst. Ich wollte ihm dutzende Fragen stellen, aber ich wusste, dass er mir auf fast keine eine vernünftige Antwort geben konnte. „Um wie viel Uhr muss ich fertig sein?“ „Um sieben. Du wirst den Joker dort treffen und so tun, als würdest du ihn zum ersten Mal treffen.“ Ohne noch auf eine Reaktion zu warten ging er auch schon wieder und schloss die Tür hinter sich. Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr. Es war gerade mal kurz vor eins, weshalb ich mich ruhig an meinen Schreibtisch setzte und begann die Akte zu lesen.

Schnell verstand ich, dass das die Frau, die ich heute Abend spielen sollte. Ich mochte sie. Ich war eine Frau, die ihre Verbrechen im Untergrund von New York ausführte und größtenteils die Regierung im Auge hatte. Ich hatte ein großes Imperium und viele Anhänger, weshalb ich normalerweise nicht in Städten wie Gotham City unterwegs war, nun aber mitwirken wollte. Ich war wohl ziemlich selbstbewusst und etwas arrogant, was der Joker bestimmt von seinen Erfahrungen in der Bar vermutet hatte. In gewisser Weise traf es manchmal auch auf mich zu. Mein Name war Amaris. Nur Amaris, kein Nachname. Vielleicht war das in dieser Branche so üblich. Genauso wie es üblich war, dass ich hunderte Mordopfer hatte, sonst würde mich wohl keiner der Anwesenden ernst nehmen. Jedoch bezweifelte ich, dass der Joker mir tatsächlich eine Waffe geben würde, denn er musste wissen, dass ich damit nicht lange bei ihm bleiben würde. Denn so sehr ich dieses Rollenspiel auch mochte, ich wollte dennoch wieder in mein eigenes Leben zurück. Ich war mit Sicherheit nicht gerne dir Gefangene von irgendjemandem. Egal was man mir dafür anbot.

Bevor ich mir das Kleid anzog, ging ich duschen und versuchte mich so fertig zu machen, wie man es von der Frau in der Akte erwartete. Dezentes Make-up mit betonten Lippen, ließ meine Haare glatt über meine Schulter fallen und zog die Diamantenkette an, die beim Kleid dabeilag. Dann musterte ich dieses. Es war lang, ging bis zum Boden, hatte aber einen Einschnitt, der bis zur Mitte meines Oberschenkels ging und auch einen leichten Ausschnitt. Das Material erinnerte mich stark an Seide, da es in dem Licht ein wenig schimmerte. Ich striff das Kleid vorsichtig über meinen Körper und bemerkte, dass es nur bis zur Taille eng anlag und danach in einen fließend Rock überging. Ich konnte nich abstreiten, dass ich mich unglaublich hübsch fühlte. Ein kleines Grinsen trat auf meine roten Lippen und ich vergaß einen Augenblick welchen Preis ich für dafür bezahlte sowas tragen zu dürfen. Im Badezimmer fand ich einen silbernen Armreif, den ich mir noch zusätzlich anlegte, dann war ich pünktlich zum Klopfen fertig.

Drei Männer in vollkommen schwarzen Anzügen und gefährlich aussehenden Waffen in den Händen standen in der Tür. Ihre Blicke auf mir waren keines Falls würdigend oder respektvoll. Sie waren gierig und ekelhaft. Ich schluckte kurz, dann sah ich sie skeptisch an. „Ich glaube das Essen findet nicht in meinem Zimmer statt.“, stellte ich fest und der jüngste der Männer, der etwas hinten stand, lächelte schüchtern. „Wenn Sie uns bitte folgen würden, Amaris.“, sagte er freundlich und die drei führten mich aus dem Haus. Ein Jeep stand auf der Straße. Der Joker war nicht zu sehen, deshalb konnte ich beruhigt aufatmen, wusste aber nicht ob es besser war ihn später in einem Raum voller Verbrecher zu sehen. Weder allein mit ihm, noch mit anderen Leuten, die beinahe genauso schlimm waren wie er, konnte ich mich auch nur ansatzweise wohl fühlen. Wie auch?

Der Wagen hielt vor einem Gebäude, das wohl eher an einen Palast erinnerte. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Ich wusste nicht, ob ich meinen Begleitern trauen konnte, aber das waren im Moment meine einzigen Verbündeten. „Versprechen Sie mir bitte, dass Sie mich beim ersten Schuss sofort hier wegbringen.“, bat ich Sie und zu meiner Überraschung nickten alle einstimmig. Ich atmete tief durch, dann ging ich los. Ich erklomm die Stufen bis zum Eingang, hinter dem es wohl schon heftig zu ging. Ich konnte klassische Musik und viele Stimmen, Lachen hören. Ich schluckte hart, dann hob ich zitternd meine Hand und klopfte. Ich musste mich beruhigen, sonst war ich tot bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte. Ich sah noch einmal zu den Männern hinter mir, die mir alle ein schräges ekliges Grinsen schenkten, bevor die Tür geöffnet wurde.

Ein Buttler stand vor mir und hielt eine Liste in der Hand. „Ihr Name bitte?“, fragte er. „Amaris.“, entgegnete ich mit fester Stimme. Erstaunt sah der Mann mich an und musterte mich aufmerksam. „Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen.“, sagte er und deutete eine Verbeugung an, die mich kurz etwas aus dem Konzept warf. „Bitte warten Sie einen Moment ich werde Gabriel holen.“, sagte er. Ich sah ihm hinterher, als er zwischen den Gästen verschwand und kurze Zeit später mit einem breit grinsenden blonden Mann wieder auftauchte. „Amaris. Ich hätte nie gedacht so hohen Besuch zu bekommen. Und doch, obwohl wir uns noch nie gesehen haben, kommt es mir vor, als würden wir schon ewig zusammen arbeiten.“, sagte Gabriel begeistert. Ich schnalzte mit der Zunge, so wie der Joker es tat, wenn ihm etwas nicht gefiel. „Noch ist nichts entschieden mein Lieber.“, gab ich zu und trat ein. Die drei Männer wollten mit hinterher kommen, aber Gabriel stoppte sie. „Sie können nicht mitkommen. Unsere Gespräche sind nicht für Außenstehende zugelassen.“, sagte er streng. „Weißt du, Gabriel. Diese Männer sind meine einzige Versicherung, dass ich hier heute sicher sein werde. Wenn sie nicht dürfen, sehe ich mich gezwungen ebenfalls wieder zu gehen.“, log ich. Gabriel schluckte bei meinen Worten, nickte dann aber.

Ich trat ein und sofort lagen alle Blicke auf mir. Ich schmunzelte es gab tatsächlich nichts, was ich mehr liebte als grenzenlose Aufmerksamkeit, was mir in diesem Moment den restlichen Mut gab. Mit großen Schritten durchquerte ich neben Gabriel den Raum, der Mühe hatte mit seinen kurzen Beinen mitzuhalten. Er stellte mich neben einen großen Mann mit dunklen Haaren. Hinter ihm konnte ich den Joker erkennen, der trotz meiner hohen Schuhe noch immer größer war, als ich. Ich versuchte ihn nicht weiter zu beachten. Der dunkelhaarige sah mich prüfend an, bevor er mir den Arm hinhielt und mich zu einer kleinen Empore führte, wo wir uns gemeinsam hinstellten. „Ladys and Gentleman, darf ich vorstellen unser heutiger Ehrengast. Amaris.“, rief er laut und Applaus erklang. Wieso war mein Name so bekannt? Ich hatte diese Identität doch gerade erst angenommen. Hilfe suchend versuchte ich nun doch einen Blick vom Joker zu erhaschen, aber er sah mich nur mahnend an. „Ich muss sagen, ich hatte befürchtet du würdest gar nicht mehr kommen.“, sagte der dunkelhaarige. „Ach weißt du - eh -...“ „Marco.“ „Marco, das Beste kommt immer zum Schluss.“, sagte ich so beiläufig wie möglich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob man so mit einem Mafiaboss reden konnte. Zu meinem Glück lachte er daraufhin nur und führte mich an einen langen Tisch. Dort standen Hummer, Salate, Fleisch, Nudeln und alles was man sich nur wünschen konnte. Allein beim Anblick war ich schlagartig satt.

Alle setzten sich, aber diesmal mussten meine Begleiter vor der Tür warten. Ich fühlte mich unwohl zwischen diesen Menschen, versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. „Wie alt sind Sie, Amaris.“, fragte ein alter Mann während er kaute. Ich unterdrückte ein Würgen. Mahnend sah ich ihn an. „Eine mutige erste Frage an eine Frau.“, entgegnete ich schroff und er zuckte kurz zusammen. Mein Gott was dachten diese Menschen wer hier vor ihnen saß? Eine Frau neben mir kicherte leise. „Aber weil Sie so nett gefragt haben, werde ich es Ihnen sagen. Ich bin vierundzwanzig.“, erklärte ich. Tatsächlich durfte ich mein richtiges Alter beibehalten. „Da kann man sie ja schon fast als Joker von New York bezeichnen.“, stellte Gabriel fest und aus dem Augenwinkel sah ich wie Wut in dem Genannten hochstieg. „Ich plane im Verborgenen und meist handle ich genauso. Mir ist das Ergebnis wichtiger als der Prozess.“ Ich versuchte der Frage auszuweichen, aber war mir dennoch nicht sicher, ob es den Clown besänftigen würde. „Wo wir doch gerade vom Geschäftlichen reden. Wir sollten über deinen Plan reden, Mister J.“, warf Marco ein und ich war froh, dass ich keine Fragen mehr beantworten musste.

Die nächsten Stunden vergingen bei Gesprächen über Morde, Überfälle, falsche Fährten und eine ganze Menge Geld. Ich wusste gar nicht genau worauf das alles hinauf laufen sollte, schaltete irgendwann aber sowieso einfach ab. Alle waren so in ihrem Element, dass sie mich gar nicht mehr richtig wahrnahmen.

What if...? [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt