TWENTEIGHT

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Seit ich wieder im Haus war schlief ich eigentlich die meiste Zeit, was bestimmt noch immer an dem Schock lag, den ich verarbeiten musste. J war oft unterwegs oder unten im Keller, wenn ich daran dachte wie schlimm Mike mittlerweile aussehen musste, wurde mir zuerst schlecht und dann spürte ich wieder dieses Gefühl der Genugtuung. Ich wollte endlich auch meine Rache bekommen, an der Frau, die mir all die Schmerzen zugefügt hatte. Manchmal, wenn ich zwischen meinem tiefen Schlaf eine kurze Wachphase hatte, erwischte ich Joker jedoch dabei wie er mich beobachtete und ein Grinsen zu verkneifen war schwerer als vermutet. Mir war durchaus bewusst, dass er noch immer wütend war, da ich sein Vertrauen missbraucht hatte, aber andererseits war es süß, wie sehr er sich um mich sorgte. Das konnte ich an dem Blick in seinen Augen sehen, wenn er mich beobachtete. Mittlerweile war ich mir ziemlich sicher, dass er mir nie wieder erlauben würde allein das Haus zu verlassen, was mich auf der einen Seite ziemlich störte, mir auf der anderen Seite aber auch ein wenig mehr Sicherheit gab, dass so etwas nicht mehr geschehen konnte. Über die Zeit der letzten drei oder vier Tage hatte ich mich auch schon ziemlich gut erholt und meine zahlreichen Blutergüsse waren soweit ganz gut verblasst, nur meine Handgelenke waren noch immer eher lila als hautfarben. Außerdem wollte die ständige Übelkeit einfach nicht verschwinden und alles, was ich an einem Tag aß, kam nächsten Morgen auch schon wieder hoch. Ich konnte mir nicht erklären, woher das kam, aber ich hoffte es würde in der nächsten Zeit verschwinden. 

Heute fühlte mich schon um einiges besser und raffte mich, das erste Mal seit ich zurück war, dazu auf mir etwas vernünftiges anzuziehen. Ich trug in der letzten Zeit nur eine kurze Stoffhose und die Hemden von Joker, die immer seinen einzigartigen Geruch an sich hatten, was bestimmt auch dafür sorgte, dass ich so beruhigt schlafen konnte. Zu meinem erstaunen hatte ich noch keinen einzigen Alptraum gehabt, was sich als wirklich praktisch erwies, denn ich konnte gut darauf verzichten nachts schweißgebadet und weinend aufzuwachen. Mal ganz davon abgesehen, dass es mir neben Joker tatsächlich ein wenig unangenehm wäre. Doch das komische Gefühl und die Bilder, die ständig vor meinem inneren Auge auftauchten, wollten einfach nicht verschwinden. Jedes Mal, wenn ich wieder den dunklen Raum vor mir sah, hatte ich das Gefühl die Ketten um meine Handgelenke und meinen Hals zu spüren und fühlte mich unglaublich schwach. Möglicherweise würde eine kleine Rache dabei helfen es zu verarbeiten. Hoffentlich. 

Ich ging zum Kleiderschrank, wo ich vor meiner Seite immer wieder auf und ab ging, bis ich das Gefühl hatte endlich das richtige Outfit gefunden zu haben. Da ich ja nichts besonderes vorhatte entschied ich mich für eine weite Jeans mit ein paar Löchern, weiße Sneaker und ein ebenfalls weißes Oberteil, was ein wenig an ein Korsett oder sowas in der Art erinnerte und wie so vieles in diesem Schrank zu einem großen Teil aus Spitze bestand, drüber kam meine Jeansjacke. Als ich mich umgezogen hatte ging ich ins Badezimmer, wo ich im Spiegel sah, dass ich keine Augenringe mehr hatte und auch mein Hals bei weitem nicht mehr so geschwollen und rot war. Auf meiner aufgeplatzten Lippe hatte sich eine Kruste gebildet und die Schramme an meiner Stirn war schon wieder völlig verheilt. Ich sah also tatsächlich ganz ansehnlich aus, nachdem ich mir meine Haare noch ein wenig gebürstet hatte. So konnte guten Gewissens das erste Mal seit dem Vorfall wieder das Zimmer verlassen und machte mich sofort wieder auf den Weg nach unten. Aus der Küche drangen ein paar Stimmen zu mir, aber ich konnte nicht alle davon sofort zuordnen. Bloß das tiefe Grummeln von Jonny war unverkennbar. 

Als ich die Küche betrat wurde es automatisch ruhig um mich herum und ich biss mir verlegen auf die Unterlippe, dass war wirklich peinlich von allen so angestarrt zu werden. Innerlich verfluchte ich mich selbst. Diese Leute hatten es geschafft mich wieder schüchterner zu machen, das hasste ich, denn augenblicklich hörte ich wieder diese beiden Stimmen in meinem Kopf, die sich stritten. Ich verzog das Gesicht, setzte mich aber neben Jonny an den Tisch. Dieser schob mir einen Teller mit gekauften Sandwiches entgegen, aber ich lehnte ab. 

What if...? [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt