SEVENTEEN

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In den nächsten Tagen sah ich Mister J überhaupt nicht mehr, aber ich fand Jonny recht schnell in der Küche wieder. Es wunderte mich, dass er nicht mit seinem Boss unterwegs war. Er saß am Tisch und trommelte nachdenklich mit den Fingern auf das Holz. Er hatte mich noch nicht bemerkt, weshalb ich mich direkt vor ihn im Schneidersitz hinsetzte. Erschrocken sah er mir ins Gesicht. Ich grinste nur breit. Ich mochte es ihn so überrascht zu sehen und außerdem war ich froh, dass ich mich nicht länger nur mit mir selbst beschäftigen musste. Es war lästig Tag ein Tag aus nur auf dem Zimmer zu sitzen ohne mich mit jemandem zu unterhalten.

„Ist das Outfit besser?“, fragte ich ihn, woraufhin er mich musterte. Das letzte Mal hatte ich ihn gesehen, als ich nur den Pulli getragen hatte und nun trug ich beinahe dasselbe nur noch eine kurze Stoffhose. Er hob eine Augenbraue. „Was ist anders?“, hakte er nach. Ich schmunzelte. „Unterwäsche.“, antwortete ich schlicht und er räusperte sich perplex. Kein Wunder. In den letzten Tagen hatte die Stimme 'neue Version' immer mehr die Oberhand in meinem Kopf gewonnen und langsam veränderte ich mich in ihre Richtung, obwohl ich immer noch nicht recht verstand, was überhaupt da oben abging. Es war, als würde ich eine völlig neue Persönlichkeit bekommen. Es war ein beängstigendes Gefühl.

Jonny wollte sich verdrücken, aber ich hielt ihn am Arm fest. „Können wir uns nicht ein wenig unterhalten? Es ist so schrecklich langweilig da oben allein.“, fragte ich ihn mit meiner süßesten Mädchenstimme. Seine Mundwinkel zuckten kurz und er setze sich hin. Ich grinste triumphierend. „Also, was willst du machen?“, fragte er. Ich überlegte kurz und erinnerte mich dann an ein Spiel, was ich einmal auf einer Party gespielt hatte. „Wie wärs damit. Wir stellen uns gegenseitig Fragen und wenn wir sie nicht beantworten wollen, dann müssen wir einen Shot trinken.“, schlug ich vor und deutete auf die halb volle Whiskey Flasche auf dem Tisch neben mir. Jonny dachte kurz nach, nickte dann aber. „Wenn Joker uns erwischt sind wir beide tot.“, stellte er fest und ich zögerte kurz. „Er war schon lange nicht mehr da, er wird wohl kaum merken, dass ein bisschen Alkohol fehlt.“, sagte ich schließlich. Wieder eine Entscheidung, die ich vor ein paar Tagen niemals getroffen hätte.

Jonny holte zwei Gläser und stellte sie neben mich, dann noch immer saß ich auf der Tischplatte. Dann sah er mich abwartend an. „Gut. Ich fange an.“, rief ich begeistert. „Wieso lässt Mister J dich hier?“ Er zog die Nase kraus. „Als du ohne Begleitung nach Hause gelaufen bist, hat er die drei Männer getötet und mich hat er damit bestraft die Drecks Arbeit zu erledigen. Leichen entsorgen, auf seine Leute aufpassen und sowas alles.“, erklärte er. „Tut mir leid.“, murmelte ich schuldbewusst, aber er ging nicht wirklich darauf ein. „Würdest du gern wieder in dein altes Leben zurückkehren?“, fragte er stattdessen. Ich überlegte kurz. Letzte Woche wäre meine Antwort ganz klar ja gewesen, aber eigentlich war von meinem alten Leben nichts mehr übrig. „Ich kann nirgends hin und ich habe keine Freunde, also nein.“, gab ich zu und er schien irgendwie zufrieden zu sein. „Wieso arbeitest du für Mister J?“, fragte ich weiter. Diesmal musste er ebenfalls lange nachdenken. Er sah so aus, als müsste er lange zurück in die Vergangenheit gehen. „Ich denke, es war meine letzte Möglichkeit. Mein Leben lief recht bescheiden und ich war ganz gut in solchen Sachen hier und irgendwie kam ich J ins Visier und ich habe sein Angebot angenommen.“, erklärte er. Ich sah ihn an. Da war definitiv noch mehr, aber ich versuchte meinen Gedanken in eine Frage umzuformen. „Wieso hast du nie versucht zu fliehen?“, war seine nächste Frage. „Angst. Ihr hättet mich sowieso früher oder später gefunden.“ Diese Antwort war leicht, ich hatte mir die Frage zu oft selbst gestellt. „Hat der Joker jemals geliebt?“ Ich hatte eine Vermutung, was das Angebot von Jonnys Arbeitsplatz betraf, aber ich war mir nicht sicher. Er schien nicht zu wissen, worauf ich hinaus wollte. „Es gab mal eine Frau, mit der er sowas wie eine Beziehung gehabt hatte, aber geliebt hat er denke ich nie. Er hat Harley so umgeformt, dass sie ihm gehorchte wie ein kleines Hündchen. Sie war eine anständige Frau, aber mit seine eigenen Techniken machte er Harleen Quinzel zu Harley Qinn. Eine Frau, die genauso verrückt war wie er und alles für ihn getan hätte, denn sie verliebte sich in ihn. Sie klebte an ihm wie Leim und als ihm das zu lästig wurde gab er ihr den Laufpass. Ich weiß nicht, ob sie diese Stimmen noch immer im Kopf hat oder wieder die alte ist.“ Seine Erklärung war ziemlich ausführlich, aber dennoch blieb nur wenig davon wirklich in meinem Kopf haften. „Was für Stimmen?“, hakte ich nach. Er zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt er machte eine andere Person aus ihr, gegen ihren Willen mehr oder weniger. Dafür nutze er elektrische Schocks in ihrem Gehirn, um ihm seine Stimme in den Kopf zu treiben, so hörte sie immer auf ihn.“ Ich amtete innerlich erleichtert auf, denn ich wusste, dass meine Stimmen von mir aus kamen, weil ich mich teilweise verändern wollte, weil ich langsam aber sicher zu meinem richtigen Ich wurde. Es war nichts, was der Joker verursachte, das war alles bloß ich selbst.

Wir spielten noch eine Weile lang weiter und keiner von uns trank auch nur eine Schluck Alkohol. Es waren keine wirklich unangenehme Fragen, die wir einander stellten, aber wir lernten einander mehr oder weniger besser kennen. Das war einerseits kanns gut als Zeitvertreib und außerdem unter Umständen ganz nützlich. Zwar fragten wir einander keine ganz persönlichen Fragen, denn so weit waren wir nun wirklich nicht, aber es waren alltägliche Dinge, die mehr etwas mit Arbeit und Freizeit zu tun hatten. Dennoch entschied ich mich nach ein paar Stunden wieder nach oben zu gehen. Ich war mir nun doch nicht mehr so sicher, ob der Joker nicht vielleicht plötzlich mit schlechter Laune reinplatzen würde und uns beide erschießen würde.

What if...? [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt