THRITYTWO

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Madlins Sicht

Entweder war es die dümmste oder aber die beste Entscheidung meines Lebens gewesen abzuhauen. Mein Verstand war noch immer ausgeschaltet, allein die tausend Gefühle in mir kontrollierten meinen Körper. Ich war wütend, hatte Angst, fühlte mich befreit, war erleichtert, vermisste ihn, war traurig und enttäuscht. Noch so viel mehr war da in mir, aber ich war nicht fähig es zu differenzieren. Ich lief einfach immer weiter, wollte so weit wie möglich von diesem Haus weg. Bereits als ich den ersten Fuß auf die Straße gesetzt hatte, war mir bewusst gewesen, dass ich nie wieder zurückkehren konnte. Es gab nur noch einen Weg und der war weg von hier. So weit wie es mir möglich war. Ich hatte kein Ziel vor Augen, schaute mir ständig über die Schulter, obwohl meine Tränen noch immer meine Sicht verschleierten. Es war unglaublich, aber ich konnte es nicht verleugnen, es war schwer ihn zu verlassen, aber früher oder später hätte ich mich entscheiden müssen und nun schien mir die beste Gelegenheit zu sein. Gerade, wo ich so oder so wütend auf ihn war, ihn hasste, wo er abgelenkt war, da war es wahrscheinlich die einzige Chance gewesen, die ich jemals bekommen würde, um diesem Haus zu entkommen. Ich konnte nicht umkehren und ich wollte es auch nicht. Oder?

Ich hörte wie ein Motor irgendwo hinter mir aufheulte, konnte aber noch kein Auto sehen. Instinktiv verdrückte ich mich dennoch in die nächste Seitengasse und hockte mich hinter einen großen Container. Kurz darauf sah ich wie ein schwarzer Jeep an der Gasse vorbeifuhr. Konnte es wirklich sein, dass sie bereits auf der Suche nach mir waren? Oder war es einfach irgendein schwarzer Jeep? Ich ging vom schlimmsten aus. Meine Atmung war noch immer ungleichmäßig, mein Herz raste und ich hatte Seitenstiche, da ich so lange gelaufen war. Aber nun durfte ich nicht einfach an einer Stelle bleiben. Ich musste weiter, raus aus Gotham und das möglichst unerkannt. Ich holte einige Geldscheine aus meinem BH hervor, die ich Zimmer des Jokers gefunden hatte. Es waren hunderter Scheine, ausnahmslos. Damit würde ich definitiv weit weg kommen, aber ein komplettes Leben konnte ich mir damit nicht aufbauen, doch das musste ich, wenn ich Gotham wirklich verließ. Dann kam mir eine Idee. Ich musste an Grace denken, als ich noch nicht beim Joker gelebt hatte, hatten wir uns manchmal noch Nachrichten geschrieben, um in Kontakt zu bleiben. Ich kannte ihre Nummer und ihre Adresse in Chicago, das bedeutete, dass ich zu ihr konnte. Es war ein weiter Weg, der zwischen ihr und mir lag, aber ich hatte genug Geld für ein Flugticket zu ihr. Es war meine einzige Möglichkeit.

Ich rannte weiter immer weiter, raus aus dem Teil Gothams der zum größten Teil verlassen war, mitten in die Innenstadt. Wirklich belebt war es dort zwar auch nicht, aber dort waren um einiges mehr Menschen und außerdem ein paar Geschäfte, in denen ich alles bekommen würde, was ich brauchte. Zudem waren Menschenmengen immer gut, wenn man verfolgt wurde. Jedenfalls war es in den Filmen immer so, ich war bis jetzt noch nie von jemandem verfolgt worden.

Tatsächlich hatte ich Glück und da heute Wochende war, waren ziemlich viele Leute, vorzugsweise Teenager in der Stadt. Ich hielt mich nicht lange an ihnen auf, sondern ging sofort in einen Klamottenladen, der nicht sonderlich teuer war. Ich wollte das Geld nicht unnötig verschwenden, denn wer wusste schon, wozu ich es noch brauchen würde. Folglich achtete ich bei jedem Teil, was ich in die Hand nahm, auf das Preisschild, und entschied mich letztendlich für eine kurze Stoffhose, mit einem weißen T-Shirt und einer Jeansjacke, dazu nahm ich noch eine Kappe, nur um auch ganz sicher zu gehen. Meine Schuhe brauchte ich nicht zu tauschen und das wäre auch viel zu teuer gewesen. Als ich die Sachen bezahlte, staunte der Verkäufer nicht schlecht, als ich einen Hunderter auf den Tresen legte, sagte aber nichts, wofür ich wirklich dankbar war.

Mit den neuen Sachen in einer Tüte ging ich dann in ein Restaurant in der Nähe und zog mich hastig auf der Toilette um. Obwohl ich mir sicher war, dass der Joker wohl kaum mitten in die Stadt kommen würde, wollte ich keine Zeit verschwenden, denn ich merkte dieses komische Gefühl, was mich wieder zu ihm zurückzog. Und es wuchs immer weiter. Wenn ich nicht bald von hier verschwand, würde ich wohl möglich erneut eine hirnrissige Entscheidung treffen. Meine alten Sachen warf ich einfach in den Müll, bevor ich meine Kappe tief ins Gesicht zog und aus der Toilette ging. Während ich auf den Ausgang zuging, sah ich zwei Männer, die vor dem Restaurant standen. Vielleicht war ich nun paranoid, aber ich glaubte sie schon einmal gesehen zu haben. Wie erstarrt blieb ich stehen.

"Alles in Ordnung, Miss?", fragte plötzlich eine kleine rothaarige Frau, die mit einem Tablett an mir vorbeilief. Sie holte mich aus meiner Starre in die Wirklichkeit zurück und ich nickte eifirg.

"Ja. Entschuldigen Sie, aber habe Sie vielleicht ein Telefon, was ich kurz nutzen könnte?", fragte ich sie. Ich wollte Grace anrufen, nicht einfach bei ihr auftauchen und plötzlich in einer leeren Wohnung stehen.

"Aber natürlich, folgen Sie mir.", antwortete sie freundlich und führte mich in einen kleinen Raum hinter der Bar. Ich war froh, dass es dort ein wenig Privatsphäre gab, auch wenn ich Grace niemals erzählen konnte, was alles geschehen war. Sie würde mich sofort in die nächste Klinik einweisen lassen, zumal sie selbst Therapeutin war.

Die Frau ließ mich allein in einem Raum mit einem Stuhl und einem Kabeltelefon. Sehr modern war es zwar nicht, aber da es nun einmal gerade nichts anderes gab, nahm ich es einfach so hin. Ich gab die Nummer ein und wartete ungeduldig, dass meine Tante abnahm.

"Hier Parks.", meldete sie sich dann endlich und ich atmete auf. Es fühlte sich gerade so gut an ihre Stimme zu können, obwohl ich in der letzten Zeit für jeden Moment froh gewesen war, wo ich sie nicht ertragen musste.

"Grace, hier ist Madlin.", sagte ich in der Hoffnung, dass sie sich irgendwie freute mich zu hören. Ich brauchte jetzt ihre Hilfe, sonst war ich völlig aufgeschmissen.

"Madlin! Wie schön nochmal von dir zu hören! Warte... Ist irgendwas passiert?" Sag ich ja, sie war eine Therapeutin, sie erkannte in jeder Handlung einen Hintergrund. Nun lag sie jedoch richtig.

"Es tut mir leid, dass ich dich deswegen anrufe, aber ich hab großen Mist gebaut. Ich kann im Moment nicht hier in Gotham bleiben, ich muss..."

"Aber natürlich kannst du her kommen. Du bist bei mir immer willkommen, Kleine." Deswegen hatte ich sie immer gemocht. Sie fragte nie nach, nahm es einfach wie es kam, bot immer Hilfe an, ohne eine Gegenleistung zu fordern. Das war genau das, was ich in diesem Moment brauchte. Keine Fragen, einfach nur eine Lösung.

"Ich danke dir. Du rettest mir wirklich mein Leben.", gab ich zu, wusste, dass sie es wohl als Ironie auffassen würde, obwohl es die pure Wahrheit war. "Hör zu, ich nehm den nächsten Flieger, den ich kriegen kann, wenn das in Ordnung ist. Ich komme ohne Gepäck oder sonst was, von mir aus schlafe ich auf dem Sofa, ich muss einfach nur an einen anderen Ort."

"Mach dir keine Sorgen, ich mach das schon alles. Du kannst so lange bleiben wie du willst, so wie damals. Ich habe dir versprochen, dass ich immer für dich da sein werde.", sagte sie und ich hörte ein Lächeln in ihrer Stimme. Ich musste zugeben, dass ich im Moment nicht wirklich etwas auf Versprechen gab, aber sie meinte es ernst.

"Ich kann dir gar nicht genug danken, aber ich muss jetzt auflegen. Ich beeil mich.", sagte ich zum Abschied, bevor ich auflegt und mich auf den Weg aus dem kleinen Raum hinaus direkt raus auf die Straße machte. Ich wusste ungefähr, wo die nächste Bushaltestelle war und hier fuhr jeder Bus bis an den Flughafen in der Nähe, um die Leute wahrscheinlich so schnell wie möglich von hier wegzubringen. Gotham war nicht für jeden etwas und für mich ab heute auch nicht mehr.

Ich drängte mich durch die Leute, hielt meinen Blick gesenkt, die Kappe tief im Gesicht. Meine Schritte gingen fast schon wieder in ein Rennen über, aber das wäre wohl sehr auffällig geworden. Jemand, der zwischen all den bummelnden Leuten rannte, stach einem sofort ins Auge und das wollte ich unter allen Umständen vermeiden.
Mal ganz abgesehen davon, dass ich heute vom Joker fast erstickt worden war, ich jetzt auf der 'Flucht' war und wahrscheinlich nie mehr nach Gotham zurückkehren konnte, schien das Glück nun aber tatsächlich auf meiner Seite zu sein. Busse kamen hier wirklich nur selten, aber gerade als ich an der Haltestelle ankam, fuhr einer vor und war beinahe völlig leer. Schnell stieg ich ein und suchte mir einen Platz ganz hinten, dann starrte ich einfach nur stumm aus dem Fenster, während wir von Haltestelle zu Haltestelle fuhren und dem Flughafen langsam immer näher kamen.

Ich spürte wie meine Aufregung mit jedem Kilometer, den wir zurücklegten, weniger wurde. Ob das ein Vorteil war, wusste ich noch nicht, denn nun, da das Adrenalin langsam aus meinem Körper wich, machte es Platz für etwas anderes. Ein Welle der Gefühle überrannte mich und erneut stiegen mir Tränen in die Augen. Ich wusste nicht, welches Gefühl sie genau hervorrief. Ob die Verzweiflung, die Angst oder... die Sehnsucht. Als ich das Haus verlassen hatte, hatte ich nichts als Hass und Wut verspürt, aber nun war da noch so viel mehr. Ich verfluchte mich dafür, dass ich meine Entscheidung nun bereute. Und doch war dieses unendlich Gefühl in mir, was mich zurück zu ihm bringen wollte. Er hatte mir wehgetan, hatte mich eingesperrt und was nicht noch alles, aber ich liebte ihn und ich glaubte nicht, dass die große Distanz, die bald zwischen uns liegen würde, etwas daran ändern könnte.

What if...? [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt