35. Levis Eigenheiten

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Mit seiner üblichen ruhigen Monotonie erwiderte er in meinem Griff: „Wer hat gesagt, dass du dich ihr nähern darfst?" Ich war kurz davor den größten Fehler meines Lebens zu begehen und ihm eine zu scheuern.

Ich musste mich wirklich im Zaum halten, um den Schwarzhaarigen nicht anzuschreien. Gedämpft gab ich dann zurück: „Und du meinst, das hält SIE davon ab sich MIR zu nähern?"

Daraufhin blieb er einen Moment still. Vom Thema ablenkend fragte er, während er meine Hände von seinem Hemdkragen losmachte: „Wo ist eigentlich deine schlechtere Hälfte?"

Mein Gesicht spiegelte genau den Gesichtsausdruck von Levi wider, ehe mich wieder eine unbändige Wut packte. Ich schmiss meine Hände in die Luft und sagte etwas lauter als notwendig: „Woher soll ich das wissen? Ich habe keine telepathische Verbindung mit ihr." Gleich darauf hielt ich ihm meinen Zeigefinger unter die Nase: „Und weißt du, wenn ich nicht wüsste, dass ich, wenn ich es versuche, mit gebrochenen Knochen heulend am Boden liegen würde, würde ich dir mit Freuden eine wienern."

Er sah mich nur skeptisch an und meinte dann: „Du solltest zu Erwin", dabei nickte er mit dem Kopf zum Fenster hinter mir. Es war dunkel draußen und das hieß für mich, dass ich verdammt spät dran war. Ohne Levi weiter zu beachten, setzte ich meinen Weg sauer fort.

Bei der nächsten Weggabelung bog ich voller Überzeugung nach links. Von Levi, der mir wohl hinterherkam, ertönte gelangweilt: „Erwins Büro liegt in der anderen Richtung." Genervt drehte ich um und erklärte dem Hauptgefreiten im Vorbeigehen: „Das wusste ich." Bei Erwins großer Doppeltür angekommen, hielt mir Levi sogar die Tür auf. Wow, der werte Herr war heute aber zuvorkommend.

Als ich nun in Erwins Büro stand und Levi die Tür hinter sich zugezogen hatte, bemerkte ich, dass Ruby bereits auf einem Sessel vor dem Schreibtisch saß und Hanji neben ihr stand. Auch Mike war anwesend und lehnte hinter Erwin am Fenster.

Mit grimmigem Blick ließ auch ich mich auf den freien Stuhl nieder. Von Ruby kam gleich: „You look like Ebenzer Scrooge." „Ich möchte nicht darüber reden", presste ich ihr zwischen zusammengebissenen Zähnen entgegen und sah dann zu Erwin. Immerhin sind wir auf seine Anweisung hier, dann sollte er gefälligst mit der Sprache herausrücken.

Und wie erwartet, begann er auch gleich: „Nun gut, da wir jetzt alle anwesend sind, können wir ja anfangen." Er machte eine Pause, für die ich ihn am liebsten angefaucht hätte, er solle endlich weiter machen. Mein aufgewühltes Gemüt würde das nicht mitmachen, wenn er so weiterredete. Glücklicherweise hatte es Erwin nicht mit „um den heißen Brei herumreden" und kam gleich zum Punkt: „Wir haben vor, in einem Monat eine Expedition zu starten. Und es wäre bestimmt von Vorteil, wenn ihr mitkommen könntet, um uns gröbere Verluste zu ersparen."

Abwartend faltete er die Hände auf dem Tisch und sah uns an. Ich sah leicht unsicher zu Ruby, die auch mich anschaute und ein Schimmer von Traurigkeit lag in ihren Augen. Das was wir zu sagen hatten, würde dem Blonden ganz und gar nicht gefallen.

Ich atmete einmal tief durch und erwiderte: „Ich fürchte, das geht nicht." „Wie ist das gemeint?", wurde ich von Erwin gefragt, doch anstatt mir antwortete Ruby betrübt: „Die Expedition kommt in der Geschichte nicht vor. Wir wissen nicht, was dort passieren wird."
Erwin seufzte geradezu entmutigt auf und ließ den Kopf leicht hängen. Er sprach mehr zu sich selbst: „Das heißt, wir müssen wieder blind reiten. So wie sonst auch."
„Es tut uns leid", erklärte Ruby allen Anwesenden.

„Tz. Wir haben es ohne die zwei auch immer irgendwie zurückgeschafft", versuchte Levi auf seine Art die Situation wieder zurecht zu rücken. Auch Hanji meinte aufmunternd: „Er hat recht. Wir sind sonst auch immer ohne das Wissen, was uns erwartet, wieder heil zurückgekommen." Ja, aber nur mit einem Drittel des vorherigen Aufklärungstrupps. Ich hasse solche deprimierenden Situationen.

Erwin atmete einmal tief durch und sagte, dann mit seiner üblichen Ernsthaftigkeit an Levi gewandt: „Ich weiß, wir haben schon vorher darüber geredet, aber es wäre bestimmt gut, wenn du es Ruby und Tonia auch sagst." Ich hatte keine Ahnung von was der Blondschopf redete, aber ich ahnte böses.

Zu meinem Glück berichtete der Schwarzhaarige nur wie grottenschlecht wir beim Training abschnitten. Also nichts, das ich noch nicht wusste. Mir war auch selbst klar, dass unsere Leistungen ausbaufähig waren. Und zwar immens. Das musste uns dieser Griesgram nicht auch noch unter die Nase reiben. Während er also über unsere unterdurchschnittliche Trainingsleistung herzog, vernahm ich von Ruby ein genervtes „midget". Ich grinste in mich hinein. Auf die Idee Levi als Winzling zu bezeichnen, und das in Englisch, kam auch nur meine beste Freundin.

Nachdem Levi mit seinem kompakten Bericht fertig war, erklärte auch Hanji, dass wir doch gar nicht so schlecht waren, wie Levi es darstellen.

Dieser widersprach jedoch unmittelbar: „Tz, von wegen. Die zwei Gören überleben keine zwei Minuten außerhalb der Mauern." In dem Moment schaltete sich auch Ruby ein: „Von wegen „von wegen". Wir überleben mindestens einen halben Tag."
Darauf kam von Levi zurück: „Nur, wenn ich euch aus dem Maul eines Titanen fische." Heute schlüpfte Levi anscheinend etwas aus seiner Komfortzone. Zuerst lässt er sich von Hanji überreden, Ruby vom Nachmittagstraining zu befreien, dann lässt er sich einfach von mir anschreien und jetzt fängt er sogar an zu diskutieren. Was ist heute los? Das ist doch nicht normal!

Ehe ich es verhindern konnte, fragte ich Levi irritiert: „Geht's dir gut?" Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Wie sollte er mich auch sonst anschauen. Er würde wohl kaum anfangen zu lächeln. „Wieso sollte es das nicht?", fragte er mich in seiner üblichen Tonlage.

Ich wollte ihm das jetzt eindeutig nicht erklären, deswegen sagte ich nur schnell: „Nur so", an Erwin gewandt setzte ich noch hinzu: „Sind wir fertig?" Dieser nickte und damit schnappte ich Ruby und zog sie zur Tür. Im Hinausgehen rief ich noch „Gute Nacht" über die Schulter, ehe ich die Tür hinter mir zuschmiss und der Situation entfloh. Wie es sich gehörte, gingen wir zwei auch gleich schlafen. 

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