52. Maken am Morgen

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Am nächsten Morgen wurde ich durch die Sonne geweckt, die blass in den Raum schien. Müde schlug ich die Augen auf und schaute auf das Bett neben mir, in dem Ruby schlief. Hä? Lag ich nicht in einem Stockbett? Ich setzte mich auf und sah mich um. Überall standen Betten und ganz langsam wie in einen verstopften Abfluss sickerte in mein Gedächtnis, dass wir ja auf der Krankenstation lagen und nicht in unserem Zimmer.

Seufzend ließ ich mich zurück in das Kissen fallen und bemerkte nebenbei, dass zu meinen Füßen etwas lag. Ich schreckte aber sofort wieder auf als ich eine quietschvergnügte Stimme hörte: „Guten Morgen, alle zusammen. Wie geht's uns denn heute?" Hanji. Unverkennbar.

Ich schaute sie aus müden Augen an und blinzelte ein paar Mal. Wie konnte man so früh morgens nur so fröhlich und gut gelaunt sein. Von Rubys Bett vernahm ich ein Grummeln und ein Rascheln. Mein Blick glitt zu dem Zombie, der aufrecht im Bett saß und einst, vor langer, langer Zeit meine Freundin war. Jap, direkt nach dem Aufwachen konnte man uns erstmal schmeißen.

Dann schweifte mein Blick zu meinen Füßen, bei denen Bechamel lag. Ich schaute wieder zu Hanji, die uns jeweils ein Teller mit einem Brötchen hinhielt, das ich ihr abnahm und morgenmuffelig in mein Frühstück biss. Hanji sah uns beim Essen zu und meinte unterdessen fröhlich: „Erwin, kommt bald zurück, wisst ihr?" Ich schaute von meinem Essen zu Hanji und fragte in bester Levi-Imitation monoton: „Bist du deswegen so gut gelaunt? Weil du dann Erwins Papierkram nicht mehr machen musst?" Nickend wurde mir meine These bestätigt, während sie hibbelig auf ihrem Stuhl vor- und zurückschaukelte.

Ich zog eine Augenbraue hoch aufgrund ihres überdrehten Verhaltens. Also, noch überdrehter als sonst. Ruby fragte misstrauisch: „Was ist los?", und aß den letzten Bissen ihres Frühstücks. Auch ich schob mir das letzte Stückchen in den Mund. Kaum war das Frühstück in unseren Mündern sprang Hanji mit einem „Nichts" auf, riss uns die Teller aus der Hand und verschwand wieder.

Ich schaute zu Ruby, die ihr nachschaute und sie fragte: „Was war das?" Ich wollte mit den Schultern zucken, doch wurde daraus ein allgemeines Zusammenzucken als eine bekannte Stimme meinte: „Sie ist schon seit Sonnenaufgang so unerträglich."

Mein Kopf schoss zu dem schwarzhaarigen Mann im Anzug, der auf einem Stuhl an der gegenüberliegenden Wand saß und mit überschlagenen Beinen zu uns schaute. In diesem Moment beschloss ich, ihm irgendwie ein Halsband mit Glöckchen unterzujubeln. Oder noch besser gleich ein ganzes Glockenspiel.

Von Ruby kam erschrocken: „Jesus! Seit wann sitzt du da?" Levi drehte seinen Kopf leicht zu Ruby und erklärte: „Tz. Eure Aufmerksamkeit ist wirklich erbärmlich." Levi schaffte es immer wieder genau die Antwort zu liefern, die man haben wollte ... nicht.

Hämisch grinsend fragte ich: „Du bist doch nicht etwa hier, weil du wissen willst, wie es uns geht? Das würde nämlich heißen, dass wir dir zumindest ein klein wenig bedeuten." Mit dem üblichen neutralen Gesichtsausdruck stand er auf und kam auf uns zu: „Ihr gehört zu meiner Einheit. Es wäre lächerlich zu behaupten, dass ihr mir nichts bedeutet."

„Das war die nüchternste Version von „Es freut mich, dass es euch gut geht", die ich je gehört habe", stellte Ruby fest. Er kam bei uns an und wuschelte meiner Freundin mit so einer Selbstverständlichkeit durch die Haare als würde er das tagtäglich bei Leuten machen, die er knapp einen Monat kannte.

Gerührt ließen wir ein leicht quietschendes „Naaaaww!" ertönen. Verwirrt nahm er die Hand von Rubys braunem Schopf und sah zwischen uns hin und her: „Was?" Lächelnd erklärte ich: „Nichts. Es ist nur...", ich zeigte fuchtelnd von Levi zu Ruby, „Es ist so cute", quietschte ich. Mal abgesehen davon, dass er das nur bei Isabel gemacht hatte.

Der schwarzhaarige zog eine Augenbraue hoch und drehte sich wieder zu seinem Stuhl. Sein Blick blieb allerdings bei meinen Füßen hängen oder besser gesagt bei dem weißen Fellknäul, dass das untere Drittel meines Bettes für sich beanspruchte. „Tiere haben in einer Krankenstation nichts zu suchen", belehrte er uns und bewegte sich auf die Katze zu.

Als er schon nach dem Tier griff, drohte ich: „Fass die Katze an und du bereust es." Er hielt in der Bewegung inne und sah mit leicht geweiteten Augen zu mir. Tja, das hast du jetzt nicht erwartet was? Ich wurde von meinen Eltern immerhin nicht umsonst als Katzenmami betitelt. Ruby schaute auch zu unserem neuen Haustier und knurrte: „Don't touch the cat." Ob er verstanden hatte, was Ruby ihm da sagte, wusste ich nicht, aber ich tippte mal auf „Nein".

Levi wurde nun von zwei zu allem bereiten Katzenliebhaberinnen mit Blicken durchbohrt, die hätten töten können. Er blieb in seiner leicht gebückten Haltung stehen als würde er befürchten, dass wir ihn gleich anfallen würden. Was auch sehr wahrscheinlich war, wenn er die Katze störte.

Ich setzte noch mit klarer Stimme nach: „Levi, neben mir liegt ein gebundenes Buch mit mehr als 500 Seiten. Ich werde es nach dir werfen, wenn du die Katze nicht schlafen lässt."

Er hob seine Hände etwa auf Kopfhöhe, richtete sich auf und trat einen Schritt. Das allgemeinbekannte Zeichen für Waffenstillstand. Zufrieden lächelnd nickte ich ihm zu, was er zum Anlass nahm, die Hände wieder zu senken und den Rückzug zu seinem Stuhl anzutreten.

Er wollte sich bereits hinsetzen, da schlug die Tür auf und ein Soldat kam eilig hereingestürmt. Schwer atmend und mit abgehetztem Ausdruck suchte er den Raum ab, ehe sein Blick an Levi hängen blieben. Levi sah ihn mit seinem üblichen neutralen Ausdruck an, während Ruby und ich ihn interessiert musterten.

„Hauptgefreiter Levi, Kommandant Erwin ist soeben zurückgekehrt", verlautete der Soldat so feierlich wie es eben verschwitzt und außer Atem ging. Levis Augen weiteten sich und er eilte dem bereits weiterstürzenden Soldaten hinterher. Und was war mit uns? Waren wir jetzt plötzlich Abfall?

Attack on Titan becomes realityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt