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Starr stehe ich in der Eiseskälte und blicke auf das schwarze Tuch nur wenige Schritte von uns entfernt. Zwei im wenigen Tageslicht strahlende, eiserne Klingen schimmern oben auf der Sillhouette und werden langsam aber sich von einer weißen Schicht bedeckt.

Weiße Flocken fallen aus der Luft herab, bedecken die Landschaft um uns herum ebenso wie seinen Körper. Es ist fast so, als wollten die gefrorenen Kristalle einfach alles ungeschehen werden lassen. Abdecken, nicht mehr sehen, nichts mehr davon wissen. Vergessen.

Ich schließe meine Augen, beiße meinen Kiefer aufeinander als mich das Bild abermals übernimmt und mich zurückerinnern lässt.

Wie erstarrt stehe ich da. Kann mich nicht bewegen, kann mich nicht regen, bekomme nicht einmal einen Ton über meine Lippen. Völlig hilflos, schwach und unbrauchbar stehe ich an der Wand, will ihn warnen als bereits die schimmernden Glasscherben auf den Boden krachen, der massige Körper des Tigers durch das Fenster gesprungen kommt und auf ihn zuspringt. Seine schwarzen Krallen leuchten in der Morgensonne auf, stechen mir penetrant ins Auge und vergraben sich schließlich tief in der Haut des Schwarzhaarigen. Seine Kleidung wird aufgerissen, Blut spritzt aus seiner Seite und auf den Boden. Er will aufschauen und nach seinen Klingen greifen, als er bereits durch die Kraft zurück geschleudert wird und mit Wucht an die Wand knallt.
Ein lautes Knacken. Ein dumpfer Aufprall. Er versucht mir etwas zu sagen, blickt mich mit langsam leerer werdenden Augen an, als das Blut in Strömen aus seiner Wunde tritt und die Treppe hinabläuft, seinen Körper wie in ein rotes Tuch hüllt...

Zittrig atme ich die tiefe Luft ein, öffne meine Augen wieder und blicke auf den braunhaarigen Älteren, welcher langsam auf den Körper zuschlürft und sich vor ihm hinkniet. Er sackt zusammen, blickt auf seinen Sohn herab. Das leichte Zittern seiner Schultern ist nicht zu übersehen, als er nach seinem Katana greift, welches in der Halterung an seinem Rücken befestigt ist und sich dieses einmal über den Unterarm zieht.

Augenblicklich tritt sein rotes Blut aus der Wunde heraus, läuft über seinen Arm herab, den er schließlich über seine Klingen hält und tropft auf den Toten herab.

Alles beginnt und endet mit Blut. Es bindet uns aneinander genauso gut kann es uns aber auch wieder trennen...

Es ist Brauch für die Jian, die dem Gestorbenem mit angehören, dieses Ritual durchzuführen, diese Totenfeier. Man verletzt sich dabei selbst, gibt sein eigenes Blut auf die Klingen des Toten als Zeichen, dass man selbst mit Schuld an dem Tot war, das das eigene Blut an der Klinge des Toten klebt.

Jian sind eine Gemeindschaft, eine Truppe. Gebunden aneinander. Wenn einer stirbt bedeutet das schlichtweg das der Rest des Trupps nicht gut genug zusammen gespielt hat. Das die Jian keine Gruppe waren sondern jeder ein Einzelkämpfer. Das ein Fehler begangen wurde, der nicht wiederholt werden darf!

Als Zeichen, dass man sich daran erinnern wird, schneidet man sich mit seinem Katana in den Unterarm und behält diese Narben bis an sein eigenes Lebensende...Diese Wunden sind die einzigen Verletzungen, die nicht geheilt werden dürfen. Die von allein zugehen müssen, wenn man dazu bereits ist den Tod zu akzeptieren und damit auch seinen Fehler...!

Alles hat eine Bedeutung bei diesen Totenfeiern! Das schwarze Tuch als Zeichen des Todes, dem ständigen Begleitern der Jian. Nicht umsonst sind unsere Rüstungen alle schwarz gehalten. Die eigenen Klingen, die Klingen, die sich der Körper selbst aussucht. Die Klingen, die nur zu einer Person gehören. Das Blut der anderen Jian als Zeichen der ewigen Verbundenheit und als Mitschuld.

Der Ältere verweilt noch einige Sekunden vor dem Grab seines Sohnes, dessen Tod er eigenhändig verursacht hat... Mit verursacht hat. Auch wenn es seine Krallen waren, die ihn getroffen haben, so war es auch meine Schuld, dass er gestorben ist. Wäre ich stärker gewesen, hätte ich mich gegen sie wiedersetzt und auch nur einen Ton über meine Lippen gebracht...dann wäre er vielleicht jetzt noch am Leben.

益 Wᴀʀʀɪᴏʀs - 𝙼𝚊𝚢𝚋𝚎 𝙸𝚗 𝙰𝚗𝚘𝚝𝚑𝚎𝚛 𝙻𝚒𝚏𝚎 益Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt