1 - Chaos

565 32 9
                                    

Romys POV

„Romina Elizabeth Fisher!", übertönt die Stimme meiner Mutter die ohrenzerreißenden Gitarrentöne von Metallica. Notgedrungen stoppe ich mit dem Headbangen und reguliere die Lautstärke meiner Musikanlage. Meine Mutter hat sich leider im Laufe der Zeit das schlechte Talent angeeignet, mich immer dann zu stören, wenn ich Spaß habe.

„Was willst du, Mum?", frage ich und werfe meiner besten Freundin Avery einen genervten Blick zu. Anstatt meine Mimik zu teilen, lacht sie bloß und streicht sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. Sie wirkt nicht mal ansatzweise so verärgert, wie ich.

„Mach sofort die Tür auf, Fräulein!", zetert Mum lautstark und hämmert zum wiederholten Male gegen meine Zimmertür. Sie scheint wütend zu sein, obwohl ich mir keinerlei Schuld bewusst bin.

Um die Situation eventuell noch zu entschärfen, gebe ich ein „Ja ja" von mir und drehe den verrosteten Schlüssel im Schloss um. Kaum ist die Tür entriegelt, stürmt Mum auch schon aufgebracht in mein Zimmer. „Romina!", schreit sie und hebt die ersten Kleidungsstücke auf, die wahllos auf dem Fußboden herumliegen.

„Was ist denn nur in dich gefahren?" Dasselbe könnte ich sie fragen, schließlich bin ich nicht diejenige, die eine Szene macht, sondern sie. Und dann auch noch vor meiner besten Freundin.

Ich seufze. Seit uns Dad vor zwei Jahren verlassen hat, streiten Mum und ich so gut wie jeden Tag. Meistens meckert sie mich wegen banaler Kleinigkeiten an oder hält mir minutenlange Vorträge darüber, dass ich für meine achtzehn Jahre absolut verantwortungslos sei. Dass sie sich aber seit zwei Jahren in Alkohol ertränkt, ist meiner Meinung nach nicht viel besser als Schule schwänzen und nachts in einem Club zu arbeiten.

„Du schreibst in zwei Monaten deine Abschlussprüfungen, Romy", fährt meine Mutter etwas gedämpfter fort. „Und da hast du nichts Besseres zu tun, als laut Musik zu hören und dabei durch dein vermülltes Zimmer zu tanzen?!"

„Ich habe schon für die Prüfungen gelernt", lüge ich wie auf Knopfdruck und deute auf meinen Schreibtisch. Überall liegen zwar Zettel, Stifte und Bücher herum, aber von Ordnung kann dabei nicht die Rede sein. Auch der Spruch von Albert Einstein „Ordnung ist etwas für Primitive, das Genie beherrscht das Chaos" wäre zu weit hergeholt. Mein Schreibtisch sieht schlimm aus. Wirklich schlimm.

„In diesem Saustall kann man gar nicht lernen!" Mum wirft mir eine zerrissene Jeans und einen BH zu, ehe sie sich an meinen leeren Flaschen zu schaffen macht. „Wann hast du überhaupt das letzte Mal gesaugt?", möchte sie wissen. Ich kann nicht anders, als meine Augen zu verdrehen und Avery einen hilfesuchenden Blick zuzuwerfen.

Wie immer, wenn ich in eine Auseinandersetzung mit meiner Mutter verwickelt bin, ist die Blondine keine große Hilfe. Wahrscheinlich findet sie unsere Wortgefechte sogar spannend.

„Ich wollte heute aufräumen, also chill mal, Mutter", versuche ich dieser unnötigen Diskussion ein Ende zu setzen. „Und außerdem muss ich mich in diesem Zimmer wohlfühlen und nicht du." Wie sollte es auch anders sein, erzielen meine Worte nicht ihren gewünschten Effekt. Das Gegenteil trifft zu: Mum wird immer zorniger.

„Hör mir mal gut zu, junges Fräulein. Nur weil du achtzehn Jahre alt bist, kannst du nicht tun und lassen, was du möchtest. Es gibt in diesem Haushalt Regeln und das weißt du ganz genau. Wenn dein Zimmer morgen Abend nicht blitzeblank ist, kannst du dir dein eigenes Auto abschminken!"

Bei dem Wort Auto weiten sich nicht nur meine Augen, mein Mund klappt ebenfalls einen Spalt auf. „Das kannst du nicht machen!", protestiere ich. „Du hast mir das Auto schon so lange versprochen!" Ein selbstgefälliger Ausdruck schleicht sich auf Mums Gesicht. „Dann solltest du schleunigst dein Verhalten ändern!"

SpielerfrauenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt