45 - Narben

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Elins POV

Das Bild von dem angeketteten Bundestrainer wird wahrscheinlich für immer in meinem Gedächtnis eingebrannt sein. Wie hilflos und machtlos er am Boden saß - einfach nur göttlich mitanzusehen. Er hatte es verdient, so gedemütigt zu werden, immerhin hat er uns unsere Freunde weggenommen.

Trotz dieser traurigen Tatsache kann ich mir ein Lachen nicht verkneifen und werfe den Kopf in den Nacken. Heute ist ein fantastischer Tag. Die Sonne scheint, ich habe mich mit Romy ausgesprochen, alle sind gut gelaunt und zu allem Überfluss haben wir es geschafft, dass die Fußballer ihr Training abbrechen mussten. Nichts und niemand kann uns diesen Triumph nehmen.

„Elin!"

Bevor ich überhaupt reagieren kann, pralle ich gegen etwas Hartes. Ich blinzele benommen und reibe mir über die pochende Stirn. Wer wagt es, sich mir einfach so in den Weg zu stellen? „Was zur Hölle", raune ich und fokussiere den Gegenstand vor mir. Ich bin doch tatsächlich gegen eine Straßenlaterne gelaufen. „Warum habt ihr mich nicht gewarnt?"

„Wir haben es versucht", hebt Alica verteidigend die Hände in die Höhe, wobei sie sich krampfhaft auf die Unterlippe beißt, um ein Grinsen zu vermeiden. Unter anderen Umständen wäre ich spätestens jetzt genervt, aber in Anbetracht auf die vergangenen Minuten bleibt mir nichts anderes übrig, als ihr Grinsen zu erwidern.

Die pinken Plüschhandschellen waren der absolute Hammer. Damit hätten weder ich noch der Bundestrainer gerechnet. Wie es scheint, kann ich noch ziemlich viel von Camille lernen.

Außerdem ist es gar nicht schlimm, gegen eine Laterne zu laufen. Wahrscheinlich brauchte ich einfach nur eine Umarmung.

„Nicht wieder in Gedanken abdriften, Barbie!" Ich funkele Romy gespielt wütend an und werfe meine Haare schwungvoll über die Schulter. „So etwas würde ich niemals tun. Als Barbie bin ich nämlich zu blond, um mir Gedanken zu machen", erwidere ich und recke mein Kinn in die Höhe.

Seit ich mit den anderen Mädels - Romy, Sarina, Alica und Elayna - Zeit verbringe, habe ich ein bisschen von meiner Coolness verloren. Diese Tatsache schockt mich so sehr, dass ich abrupt stehenbleibe und an mir herabschaue. Ich trage meine Vans, eine beige Hose und ein schlichtes, weißes T-Shirt. Seit wann laufe ich so stillos in der Öffentlichkeit herum?

Kein Wunder, dass die Straßenlaternen die einzigen sind, die meine Nähe suchen.

Ich schnaube frustriert und rücke die Sonnenbrille auf meiner Nasenspitze zurecht. „Leute!", erhebe ich dann meine Stimme. „Ich habe ein Problem."

„Deine Stirn tut weh?", rät Elayna und zwinkert mir schelmisch zu. Sehr witzig. „Nein", verdrehe ich meine Augen. „Ich sehe seit einigen Tagen wie der letzte Penner aus. Irgendwie habt ihr mich dazu gebracht, dass mir mein Aussehen egal ist, aber das sollte es nicht sein. Wir leben schließlich in einer Gesellschaft, die oberflächlich ist und Menschen auf ihr Äußeres reduziert. Deshalb schlage ich vor, dass wir auf direktem Wege in die Stadt gehen und neue Klamotten kaufen!"

Sarina, Alica und Elayna schauen mich entgeistert an, wohingegen Romy losprustet. Sie krümmt sich mit Lachtränen in den Augen auf dem Boden und japst nach Luft. „Was ist so witzig?", frage ich sie wütend und verschränke abwartend die Arme vor der Brust. Es ist in gewisser Weise ziemlich respektlos über meine Probleme zu lachen.

„Du zeigst uns gerade mal wieder, warum der Name Barbie so gut zu dir passt", keucht die Brünette und rappelt sich vom Boden auf. „Scheiß doch drauf, wie du aussiehst, Elin. Mein Gott - das Leben ist doch keine Modenschau! Außerdem bist du nicht hässlich, wenn du schlichte Klamotten statt Designersachen trägst."

Dass Romy davon keine Ahnung hat, war mir von vornerein schon bewusst. Sie zieht wahrscheinlich jeden Morgen wahllos irgendwelche Klamotten aus dem Kleiderschrank und gibt sich direkt mit ihrer Auswahl zufrieden.

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