Luc
Die nächsten Wochen ging ich Liv aus dem Weg, auch wenn es mich all die Kraft kostete, die ich aufbringen konnte. Aber es war besser so. Denn Liv hatte recht gehabt, mit jedem einzelnen Wort, und das tat mehr weh, als mein kaltes Herz verkraften konnte. Es gab so vieles, das ich ihr erzählen wollte, doch das ging nicht, weil es auch hieß, dass sie das Monster sehen würde, das seit Dads Tod in mir lebte. Also schwieg ich, sorgte dafür, dass sie mir nicht trauen konnte, und ging ihr aus dem Weg, so gut es eben ging. In diesen Wochen verbrachte ich umso mehr Zeit im Fitnessstudio, um meiner Wut auf mich selbst ein Ventil zu geben. Manchmal schlug ich stundenlang auf denselben Boxsack ein, bis entweder Newton oder Jackson, die beide dort arbeiteten, mich buchstäblich davon wegzogen, um mir eine Zwangspause zu verordnen. Anfangs hatte ich mich noch darüber gewundert, dass zwei praktisch wildfremde Menschen sich für mein Wohlergehen interessierten, vor allem Newton nach all dem, was ich für Mist gebaut hatte. Doch seit er mich kurz nach dem Gespräch mit Liv im Stall dabei gesehen hatte, wie ich knapp davor gewesen war, an meiner eigenen Wut zu zerbrechen, hatte sich unser Verhältnis verändert. Seine Blicke waren nicht mehr ganz so voller Abscheu, nein, manchmal waren sie fast...bedauernd, als wüsste er, was für einen Kampf ich in meinem Inneren focht. Und mit jedem Tag, den ich im Fitnessstudio war, wurden Newton und ich fast so etwas wie...Freunde, wenn man das denn so nennen konnte. Und auch Jackson, mit dem ich bereits zur Highschool gegangen war, wurde ein Vertrauter für mich, auch wenn ich mich noch immer strikt dagegen wehrte, jemanden in meine dunkle Seele zu lassen. Doch die Jungs schafften es irgendwie, mich vergessen zu lassen, und so ließ ich es zu, dass sie meine Freund wurden.
Und wenn ich nicht gerade auf einen Boxsack einprügelte und mit Jackson und Newton irgendwelche bescheuerten Witze riss, dann verkroch ich mich bei Dexter im Tattoostudio, wo ich mich stundenlang mit ihm, Kate und Hudson unterhielt und mir ein neues Tattoo stechen ließ, um den Schmerz in meinem Inneren zu betäuben. An manchen Tagen blieb ich sogar länger als nötig im Archiv des Wellington Books, das der einzige Ort zu sein schien, an dem ich wirklich Ruhe hatte, was wirklich seltsam war, wenn man bedachte, dass Liv nur wenige Schritte von mir entfernt an der Kasse des Buchladens saß und Mr.Wellington vertrat, der noch immer in Kanada war. Doch zu meinem Glück rückte der Zeitpunkt seiner Rückkehr immer näher und damit auch Thanksgiving, das Phoebe vermutlich mit Grandma und Grandpa verbringen würde, ich jedoch nicht. Meine Schwester liebte jegliche Art von Feiertagen und das hatte sich auch mit Dads Tod nicht geändert, der diese Leidenschaft geteilt hatte. Doch ich hatte schon lange keinen Gefallen mehr daran, also ließ ich es bleiben. Es gab so oder so nichts, wofür ich dankbar war. Denn alles, wofür ich vor Jahren noch dankbar gewesen war, hatte man mir genommen. Und zurück blieb nur diese unendliche Dunkelheit, die mich selbst von meiner Familie trennte. Ich hatte kaum noch Kontakt mit Phoebe, auch wenn wir in derselben Stadt wohnten, dieselbe Uni besuchten und ich sie ab und zu dort mit hin nahm, aber das war auch schon alles. Ich schloss meine eigene Schwester aus, obwohl ich es hasste. Aber das Gespräch mit Liv hatte so vieles in mir wachgerüttelt. Mir war einiges klar geworden, dass ich Zeit brauchte, um nachzudenken, auch wenn mir klar war, wie sehr Phoebe dieser Kontaktstillstand missfiel. Aber sie erinnerte mich an viele meiner Fehler, weil sie fast das letzte bisschen Familie war, das mir noch blieb, nachdem Dad und Mom...nachdem sie fort waren.
Irgendwann, nachdem ich das Gespräch mit Liv halbwegs aus meinem Kopf bekommen hatte, ging ich sogar wieder dazu über, zum Gestüt zu fahren und ein paar Mal die Woche mit Akasha, die in den letzten Jahren ziemlich viele Muskeln abgebaut hatte, zu trainieren, auch wenn ich strikt darauf achtete, dies zu tun, wenn Liv nicht gerade dort war. Und aus sicherer Quelle wusste ich, dass sie sowieso kaum dort war. Das Reiten gab mir nach all den Jahren noch immer ein befreiendes Gefühl. Zwischen all den Aktivitäten, die ich tagsüber in Angriff nahm, blieb mir kaum noch Zeit, um etwas für die Uni zu machen, auch wenn die ersten Klausuren bereits vor der Tür standen. Aber das war mir herzlich egal, weil ich mein Studium hasste. Ich hasste es so sehr, dass es mir egal war, wie sehr meine Noten darunter litten. Und so konzentrierte ich mich auf andere Dinge, mir vollkommen bewusst, dass ich das Geld, das Dad uns hinterlassen hatte, in etwas steckte, das mich nicht einmal ansatzweise erfüllte. Aber es ging nicht anders, weil ich dieses verdammte Studium nicht abbrechen konnte. Nach allem, was ich ihm angetan hatte, war ich es ihm mehr als schuldig, Bauingenieurwesen zu studieren und in die Firma, die er mit eigenen Händen und der Hilfe seines besten Freundes Greyson Diaz aufgebaut hatte, einzusteigen, wenn ich meinen Abschluss hatte. Momentan lag die Firma in Greysons Händen, aber er wartete bereits darauf, dass ich soweit war und eingearbeitet werden konnte, so, wie es von Anfang an geplant gewesen war. Und ich würde nicht kneifen, nur, weil ich dieses Studium eigentlich hasste. Die Firma brauchte mich und deswegen würde ich es durchziehen. Noch blieb mir genug Zeit, um mich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Und dann würde ich mich in den Semesterferien erstmals mit Greyson zusammensetzen und über meine Zukunft in der Firma reden.
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REPEAT HIS LOVE TODAY
Romance»Ich habe nie dich gehasst. Ich habe das gehasst, was du mir angetan hast...« Liv und Luc. Seit ihrer Kindheit haben sie einander geliebt, bis Luc nach dem Tod seines Vaters spurlos verschwindet und Liv nichts als ein gebrochenes Herz bleibt. Drei...