Liv
Nach jenem schmerzerfüllten Gespräch mit Luc schien es fast, als könnte die Zeit gar nicht schnell genug vergehen, während in Silverhaven nach und nach der Winter einkehrte. Die heißen Temperaturen des Sommers verflüchtigten sich und machten einer deutlich milderen Wärme Platz, die einem nicht vollkommen bis in die Erschöpfung quälte. Und mit dem einkehrenden Winter fand auch ich zurück in meinen vollgepackten Alltag, der neben der Uni auch noch aus meiner Arbeit im Wellington Books, den Lerngruppen mit meinen Kommilitonen für die kommenden Klausuren und jede Menge Treffen mit Ashley, Chase, Everlyn und Newton bestand. Trotz der bleibenden Erschöpfung, den Schmerzen in meinem Handgelenk und der ständigen Gedanken an Luc kehrte ich dahin in meinem Leben zurück, wo ich aufgehört hatte, als Luc meine Welt vor wenigen Wochen vollkommen auf den Kopf gestellt hatte. Und manchmal schien es sogar fast so, als wäre Luc nie zurück nach Silverhaven gekommen. Denn abgesehen von den wenigen Malen, an denen ich ihm in der Uni oder im Wellington Books über den Weg gelaufen war, sahen wir uns kaum. Nie vergaß er seinen Schlüssel für die Hintertür des Ladens, damit er mir nicht über den Weg laufen musste, oder verirrte sich in die Cafeteria der Uni. Auch auf dem Hof tauchte er nicht ein einziges Mal auf, auch wenn ich wusste, dass Dad ihm längst die Einverständnis gegeben hatte, das Training mit Akasha wieder aufzunehmen. Selbst an Everlyns 20.Geburtstag, den wir bei Newton und Luc in der Wohnung feierten, blieb jede Spur von ihm verloren.
An jedem Tag, an dem ich Luc nicht zu Gesicht bekam, beschlich mich mehr und mehr das Gefühl, dass er endlich verstanden zu haben schien, dass er nie wieder ein Teil meines Lebens sein würde, dass ich ihm nicht mehr vertraute und dass ich ihn am liebsten nie wieder sehen wollte. Er tauchte unter und schien für mich nichts mehr als ein Geist zu sein, der irgendwann einmal in meinem Leben existiert hatte. Und mir war klar, dass ich mich darüber freuen sollte, dass Luc endlich verstanden hatte, was Sache war, doch ich konnte es nicht. Denn mit jedem Tag, an dem ich ihn nicht sah, wuchs auch die Sehnsucht in mir ein bisschen mehr. Ich erinnerte mich daran, wie es sich anfühlte, in seinen Armen zu liegen, von ihm gehalten zu werden und seinen warmen Atem an meinem Ohr zu spüren. Ich kannte es alles und sehnte mir seine Nähe mehr und mehr herbei. Denn die Wahrheit war, auch wenn Luc mich schrecklich verletzt hatte, wollte ich ihm nahe sein. Obwohl er mein Herz gebrochen und mein Vertrauen missbraucht hatte, konnte ich ihn nicht gehen lassen. Er war da. In meinem Kopf. Meinem Herzen. Meiner Seele. Und meinen Erinnerungen. Er hatte mich an jenem schrecklichen Tag, der in unserem katastrophalen Gespräch geendet war, gefunden und nach Hause gebracht, war bei mir geblieben, als ich es gebraucht hatte, obwohl er einfach hätte verschwinden können, wie er es vor drei Jahren getan hatte. Und es sollte mein verfluchtes Herz nicht so freuen, dass er geblieben war, doch genau das tat es. Wann immer ich daran dachte, machte es einen freudigen Hüpfer, während eine fiese Stimme in meinem Kopf flüsterte, dass ich ihm endlich vertrauen sollte.
Aber wie sollte ich ihm je vertrauen, wenn er mir etwas Wichtiges verschwieg? Luc erwartete von mir, dass ich ihm vertraute und die Wahrheit über das erzählte, was Conley und mir zugestoßen war, während er nicht einmal Anstalten gemacht hatte, mir zu erzählen, warum er damals ohne ein Wort gegangen war. Es gab Momente, da wollte ich ihm vertrauen, aber ich konnte es nicht, weil ich ihm niemals würde verzeihen können, dass er mich verlassen hatte. Ich war vielleicht längst über den Hass, den ich für ihn empfunden hatte, hinweg, aber ich konnte nicht dort hin zurückkehren, wo wir aufgehört hatten, als Lucs Dad gestorben war. Ich wusste genau, dass Luc es sich wünschte, aber diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun. Ich hasste ihn nicht, aber ich hasste das, was er mir vor drei Jahren angetan hatte. Wenn er also wollte, dass ich auch nur ein klitzekleines bisschen verstand, warum er so gehandelt hatte, dann musste er mir endlich die Wahrheit erzählen. Vielleicht konnte ich dann entscheiden, was mein Herz wirklich wollte. Vielleicht bot mir das die Chance, hinter seine Maske zu blicken und den Jungen zu finden, den ich einst geliebt hatte. Doch wenn Luc weiterhin schwieg und mir aus dem Weg ging, dann sah ich in unserer Zukunft nur ein weiteres, schwarzes Gewitter voller Hass, Reue und Schmerz. Wenn er endlich lernte, mir zu vertrauen, dann konnte ich es vielleicht auch irgendwann schaffen, ihm zu vertrauen. Aber die Entscheidung lag bei Luc. Denn ich würde ihm ganz sicher nicht hinterherlaufen und darauf hoffen, dass er mit mir redete. Das war längst vorbei.
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REPEAT HIS LOVE TODAY
Romance»Ich habe nie dich gehasst. Ich habe das gehasst, was du mir angetan hast...« Liv und Luc. Seit ihrer Kindheit haben sie einander geliebt, bis Luc nach dem Tod seines Vaters spurlos verschwindet und Liv nichts als ein gebrochenes Herz bleibt. Drei...