Drei Jahre zuvor...
Schwarz war eine grässliche Farbe. Eine Farbe voller Dunkelheit, Schmerz und Trauer, aber an jenem Tag war sie alles, was ich sah und tief in mir fühlte. Da waren schwarze Schuhe, schwarze Hosen und Kleider, schwarze Hemden und Blusen, als gäbe es keine andere Farbe auf diesem verdammten Planeten. Ich brauchte nur die Augen zu schließen oder den Kopf zu drehen und schon erblickte ich einen weiteren schwarzen Fleck, der mich daran erinnerte, dass dieser Tag kein guter war, und mich nicht eine Sekunde vergessen ließ, dass ich die Schuld an allem trug. Die Schuld daran, dass weit und breit nichts außer Dunkelheit und Schwärze lauerte, die drohte, mein ohnehin schon angeknackstes Herz in ein schwarzes Loch zu verwandeln. Immer wieder verschwamm mein Blick und ließ mich die Welt durch einen nebelhaften Schleier sehen, den ich nicht wagte, fortzublinzeln, weil ich dafür meine Augen hätte schließen müssen. Aber das kam nicht in Frage. Denn ich wusste genau, was mich dort erwarten würde: Schwärze. Und ich wollte nicht in dieser Schwärze versinken, weil dort Bilder...Erinnerungen lauerten, die ich am liebsten für immer vergessen wollte. Sie zeigten mir wieder und wieder, was ich getan hatte, was für ein Monster ich war.
Also sah ich weiter nach vorne, ohne die Augen zu schließen, und konzentrierte mich darauf, nicht die Fassung zu verlieren, weil ich schon lange viel zu nah am Abgrund tanzte, während jeder Mensch um mich herum Träne um Träne vergoss und trauerte. Wieder und wieder drangen die leisen Schluchzer meiner Mom, meiner Zwillingsschwester Phoebe oder die von Liv an mein Ohr, aber ich blendete sie aus, weil ich sie noch weniger ertrug als die aufsteigenden Erinnerungen. Menschen leiden zu sehen, die mir alles bedeuteten, war schlimmer als jede Folter für mich. Denn mit jedem Schluchzer und jeder Träne drückte die Faust um meinem Herzen ein bisschen mehr zu, nahm mir die Luft zum Atmen, bis ich ein Keuchen kaum noch unterdrücken konnte. Während mit jedem Wort von Pfarrer Williams die Dunkelheit in meinem Herzen ein bisschen mehr wuchs, wagte ich es kaum, meinen Blick von dem dunkelbraunen Holzsarg zu lösen, der vor uns darauf wartete, in die Erde gelassen zu werden, um dem Menschen in seinem Inneren die Ruhe zu geben, die er sich nach seinem Tod verdient hatte. Wieder verkrampfte sich mein Herz, ehe ich den dicken Kloß in meinem Hals mit einem Schlucken zu vertreiben versuchte. Der Mensch in diesem Sarg hatte den Tod nicht ein bisschen verdient. Nicht auf diese Weise, nicht nach gerade einmal 45 Jahren seines Lebens, das noch lange nicht hätte zu Ende sein dürfen. Nicht, wenn es Menschen gab, die ihn brauchten und liebten. Wie Mom und Phoebe. Wie ich.
Kein Mensch, der geliebt wurde, hatte es verdient, auf diese Weise zu sterben. Auf eine Weise, die ich hätte verhindern können, wäre ich nicht ein rücksichtsloser, dummer Teenager, der nichts als Unsinn um Kopf hatte. Unsinn, der uns hierher gebracht hatte und die Welt meiner Mom und meiner Schwester...meine Welt zum Stillstand gebracht hatte. An jedem Morgen seit seinem Tod war es der erste Gedanke in meinem Kopf gewesen, wenn ich aufgewacht war, und der letzte, wenn ich abends in einen unruhigen Schlaf glitt. Die Erinnerung an jenen Abend vor einer Woche lief in Dauerschleife durch meinen Kopf und brachte Mal um Mal ein bisschen mehr Dunkelheit mit sich. Von Tag zu Tag wurde die Erinnerung lebendiger, als wäre es erst gestern passiert.
Es ist dunkel, die Luft ist warm und schwer, wie man es von Kalifornien nicht anders gewohnt ist. Das Geräusch vorbeifahrender Autos dringt an mein Ohr, während ich es irgendwie schaffe, nicht umzukippen. Die Welt dreht sich, mein Kopf ist seltsam benebelt und fühlt sich an wie Zuckerwatte. In meinem Mund liegt der Geschmack von Alkohol, viel Alkohol, obwohl ich dafür noch viel zu jung bin. Aber das hat mich und die Jungs nicht gestört. Auf wackligen Beinen schwanke ich durch die Straßen Silverhavens, neben mir mein bester Freund Dex, der ebenso betrunken ist wie ich. Aus seiner Box dringt Musik. Harter Rock, den ich noch nie leiden konnte. Aber das Rauschen in meinen Ohren überspielt alles. Ich merke, wie ich einen Fuß vor den anderen setzte, als plötzlich ein Ruf an meine Ohren dringt. Ein Rauschen ertönt, dann sind da grelle Lichter, die meine brennenden Augen blenden und mich blinzeln lassen. Ein Hupen, dann wieder ein Ruf. Dex, schießt es mir durch den Kopf. Aber ich kann ihn nicht sehen, das Licht ist zu hell, mein Kopf zu benebelt. Ich reiße die Hände vor mein Gesicht, kneife die Augen zusammen. Im nächsten Moment ertönt ein Quietschen, dann ein lauter Knall, der mich zusammenfahren lässt, und Schreie, laute, schmerzerfüllte Schreie. Ich drehe mich um und die Welt versinkt in Stille.
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REPEAT HIS LOVE TODAY
Romance»Ich habe nie dich gehasst. Ich habe das gehasst, was du mir angetan hast...« Liv und Luc. Seit ihrer Kindheit haben sie einander geliebt, bis Luc nach dem Tod seines Vaters spurlos verschwindet und Liv nichts als ein gebrochenes Herz bleibt. Drei...