KAPITEL 12

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Liv

Phoebe warf mir ein verunsichertes Lächeln zu und strich sich eine Strähne ihrer blondbraunen, brustlangen Haarpracht hinters Ohr, während ich nicht mehr tun konnte, als sie einfach nur anzustarren. Drei Jahre, drei verdammte Jahre war es her, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte und trotzdem schien sie sich kaum verändert zu haben. Ihre vollen Lippen und die großen Augen, die immer schon in ihr kantiges Gesicht gepasst hatten, waren perfekt geschminkt, wie ich es von meiner ehemaligen Freundin nicht anders kannte. Trotzdem ließ mich etwas an ihrem Anblick stutzen. Denn ihre sonst so strahlenden, lebendigen Augen hatten ihren Glanz verloren, während ihre Wangenknochen noch schärfer hervorzustechen schienen, als sie es früher schon getan hatten, und ihr gesamter Körper Erschöpfung und Kraftlosigkeit ausstrahlte wie nach einem Laufmarathon. Es war nicht zu übersehen, dass diese letzten drei Jahre nicht spurlos an ihr vorbeigezogen waren und das löste etwas in meiner Brust aus, das mich hart schlucken ließ, weil ich realisierte, dass dieses Mädchen, was vor mir stand, nicht mehr die war, die damals Silverhaven mit ihrem Bruder und ihrer Mutter verlassen hatte. Was auch immer in Boston passiert war, es hatte nicht nur Luc verändert, sondern auch seine sonst so weltoffene und strahlende Schwester. Ganz sicher war Phoebe noch immer wunderschön, aber ihre Seele strahlte einen Schmerz aus, der alles andere als wunderschön war, und das lag sicher nicht nur daran, dass sie ihren Dad vor drei Jahren verloren hatte.

»Hallo Liv«, durchbrach Phoebe schließlich die Stille und machte einen Schritt auf mich zu, als wollte sie mich in eine Umarmung ziehen. Doch ich machte keine Anstalten, es zu erwidern, also lächelte sie mich weiterhin an, wobei mir nicht entging, wie das Lächeln immer mehr verrutschte.

»Dann bist du also auch wieder da«, erwiderte ich leise, ohne auf ihre Begrüßung einzugehen. Über die waren wir schon lange hinaus. Immerhin kannten wir uns mehr oder weniger seit unserer Geburt. Doch mittlerweile war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob ich Phoebe noch kannte. Drei Jahre waren eine lange Zeit und wenn sie nur im Entferntesten wie ihr Bruder war, dann würde sie ebenso eine Fremde für mich sein.

Ich sah, wie sie hart schluckte und sich wieder eine Haarsträhne hinters Ohr schob, als wäre sie nervös. Dann trat Schuld in ihren Blick und sie nickte kaum merklich. »Ja, das bin ich«, sagte sie ebenso leise. »Und wie es sich anhört, bist du meinem Bruder bereits über den Weg gelaufen.« Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Über den Weg gelaufen traf es nicht einmal ansatzweise, viel mehr waren wir ineinander hineingekracht, aber das musste ich Phoebe nicht unter die Nase halten. Sie konnte sich sicher vorstellen, dass ich wütend war und ihn für das, was er getan hatte, hasste. Phoebe war nicht blöd, nur liebte sie ihren Bruder viel zu sehr, um zu sehen, dass er nicht ganz so gut war, wie sie dachte.

»Und tatsächlich hat er genauso wenig für nötig gehalten, mich einzuweihen, dass er wieder in Silverhaven ist, wie du«, gab ich ernst zurück, während ich sah, wie das Lächeln ihren Lippen entglitt. Die Schuldgefühle, die ich in ihren Augen sah, wurden immer größer und seltsamerweise fühlte ich mich nicht ein bisschen schlecht dafür, dass meine Worte der Auslöser gewesen waren. Dabei hatte sie mein Mitgefühl gar nicht verdient.

»Es tut mir so, so leid, Liv.« Ich hörte das Bedauern in ihrer Stimme und wusste, dass es echt war, weil Phoebe nicht wie Luc war. Dennoch wusste ich nicht, wie ich ihr je verzeihen sollte.

Ich warf ihr ein trauriges Lächeln zu. »Mir auch, Phee. Aber ich fürchte, das reicht nicht, um den bereits vorhandenen Schaden zu reparieren. Ihr habt mir das Herz gebrochen, als ihr ohne ein Wort verschwunden seid und das kann ich nicht so einfach vergessen. Nicht nach drei Jahren. Nicht, nachdem ihr euch kein einziges Mal gemeldet habt, obwohl ihr genau wusstet, dass ich hier war.«

Phoebe schloss für eine Sekunde ihre Augen und schluckte hart, während ich sah, dass ein Ruck durch ihren Körper ging. Als sie ihre Augen wieder öffnete lagen darin so viel Schmerz und Bedauern, dass ich mich am liebsten abgewandt hätte. Ihr gesamter Körper war schlaff geworden und plötzlich wirkte sie einfach nur noch erschöpft. Alles, was ich in den letzten Jahren täglich gefühlt hatte, schien nun in ihr zu wüten. »Gott«, murmelte sie leise. »Du musst uns für die schlechtesten Menschen der Welt halten. Ich wünsche mir so sehr, dass ich die Zeit zurückdrehen und all das ungeschehen machen könnte. Das musst du mir glauben, Liv. Ich habe mich in den letzten Jahren jeden Tag gehasst, dass ich es nicht geschafft habe, dir zu schreiben.«

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