KAPITEL 10

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Liv

Ich konnte mich wirklich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so das Haus verlassen hatte. Gott, ich wusste nicht einmal, ob ich es überhaupt schon mal getan hatte und da ich bekannt dafür war, ein überdimensionaler Angsthase zu sein, standen die Chancen eher schlecht, dass ich je in solch einem Aufzug, über den meine Mom sicher den Kopf geschüttelt hätte, vor die Tür getreten war. Im Grunde war es kein hässliches oder extrem ungewöhnliches Outfit, ich mochte es sogar irgendwie, aber es war einfach nichts, das die Olivia Parker tragen würde, die alle kannten. Trotzdem hatte ich mich von Everlyn und Ashley dazu überreden lassen, den hautengen, roten Rock, der mir bis kurz über die Mitte der Oberschenkel reichte, und das schwarze, bauchfreie T-Shirt anzuziehen, sodass ein dünner Streifen Haut zwischen T-Shirt und Rock frei blieb. Meine Haare trug ich offen, meine Brille war Kontaktlinsen gewichen und ich hatte sogar zu gelassen, dass Ashley mich dezent schminkte. Gegen all meine Erwartungen sah ich sogar heiß und kein Stück mehr nach einer verklemmten Streberin, für die mich alle hielten, aus. Dennoch fühlte ich mich unwohl in meiner Haut und war drauf und dran, einfach umzukehren und mir die ungewohnte Kleidung vom Körper zu reißen, um sie gegen meine geliebten, langen Kleider auszutauschen, die ich immer trug.

Denn plötzlich konnte jeder, jeder die lange, nicht gerade unauffällige Narbe sehen, die sich über mein linkes Knie zog. Die Erinnerung an den wohl schlimmsten Tag meines Lebens. Es hatte mich einiges an Überwindung gekostet, diese Narbe freizulegen. Und noch immer gefiel mir der Gedanke, sie anderen Leuten zu zeigen, genauso wenig, wie Luc über den Weg zu laufen. Die Narbe war ein Teil von mir, den ich für mich behalten wollte. Ein Blick darauf und jeder würde wissen, dass ich etwas durchgemacht hatte, was Spuren auf und in mir hinterlassen hatte. Ich hatte zwar akzeptiert, dass die Narbe dort war und mich jeden Tag ein meinen Verlust erinnern würde, aber ich würde mich nie daran gewöhnen, sie andere sehen zu lassen. Und trotz dieser Angst wollte ich auch endlich mutig sein und mich nicht darum kümmern, was andere über mich sagten und dachten, so, wie Ashley es schon ihr Leben lang tat. Ich wollte mich endlich in das Studentenleben stürzen und ganz ich selbst sein, ohne mich zu verstellen. Aber das war der Wunsch meines Herzens, nicht der meines Kopfes, der sich immer dann meldete, wenn ich etwas tat, was ich sont niemals machen würde. Mein Kopf übernahm die Kontrolle und schickte mir Zweifel, Ängste und andere Dinge, die mich davon abhielten, Neues auszuprobieren. Egal wie sehr mein Herz kämpfte, am Ende gewann immer mein Kopf. Mein Herz hatte nie etwas zu sagen.

Genau deswegen fühlte ich mich bei jedem Schritt, mit dem wir dem Starlight's näher kamen, unwohler, obwohl Ashley und Everlyn mir immer wieder versicherten, dass alles gut war. Dass ich mutig sein sollte. Dass ich nicht darüber nachdenken sollte, was alles passieren könnte. Doch meine Beine fühlten sich wackelig an, während meine Hände fiel zu feucht waren. Ich brachte es nicht einmal über mich, den Blick von den grauen Pflastersteinen unter meinen Füßen abzuwenden, während Everlyn und Ashley neben mir herliefen und über irgendwas diskutierten, das von meinem laut pochenden Herzen übertönt wurde. Ich wollte mit in das Gespräch einsteigen. Mich darüber freuen, dass Ash endlich mit uns redete und einmal nicht die abweisende Einzelgängerin gab, aber mein bescheuertes Hirn war nicht dazu fähig, irgendwelche Sätze zu formen. Bei meinen Freunden fiel es mir normalerweise unglaublich leicht, ich selbst zu sein, mit ihnen zu reden, laut zu sein. In der Öffentlichkeit wurde ich plötzlich still, als hätte man mir meinen Mund mit Klebeband beklebt, um mich am Sprechen zu hindern. Ich hätte mich niemals als schüchtern bezeichnet, aber ich war durch und durch introvertiert. Deswegen war Ashley während der Highschool und auch davor immer meine einzige Freundin gewesen, bis auf Luc und Phoebe natürlich. Das introvertierte Mädchen und die schräge Außenseiterin, das waren wir für die anderen gewesen und obwohl man meinen sollte, dass es mittlerweile anders war, war es das nicht. Wir waren vielleicht nicht mehr nur zu zweit, aber introvertiert und schräg traf immer noch so ziemlich zu.

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