KAPITEL 43

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Liv

Ich konnte nicht anders, als ihn ungläubig anzustarren. Mein Innerstes war ein einziges Schlachtfeld. »Hey Blue«, sagte er mit rauer Stimme. Der Kosename allein reichte, um meinen Körper steif wie ein Brett werden zu lassen. Ich spürte die Anspannung in jeder einzelnen Zelle, während mein Herzschlag mir in den Ohren dröhnte. »Ich glaube, wir müssen reden.« Ist das echt? Ist er wirklich hier oder bilde ich mir das nur ein, weil ich mich so sehr nach ihm sehne? Was macht er plötzlich hier? Ich hatte keine Ahnung, wo ein Gedanke anfing und ein anderer aufhörte, so sehr schwirrte mir plötzlich der Kopf. Alles, was ich konnte, war Luc anzustarren. Warum sieht er trotz allem so unfassbar gut aus? Seine haselnussbraunen Haare standen wie immer wild von seinem Kopf ab und sein Bart war dichter geworden, während er eine ausgeblichene dunkle Jeans und seinen gewohnten Wintermantel trug. Er sah müde und fertig aus und seine wunderschönen Ozeanaugen wirkten traurig, aber das änderte nichts daran, dass er noch immer eine Wirkung auf mich hatte. Obwohl ich noch immer wütend auf ihn war, konnte ich nicht verhindern, dass mir bei seinem Anblick warm wurde. Ich habe dich vermisst.

»Liv?« Er blickte mich besorgt an, was mich endlich aus meiner Starre holte. Ich strafte die Schultern und trat einen Schritt vor, ehe ich die Arme vor der Brust verschränkte und Luc durchdringend ansah. Er sollte nicht merken, was in mir vorging, auch wenn er das wahrscheinlich sowieso tat.

»Was machst du hier? Ich dachte, du bist zurücknach Boston gegangen.«

»Da war ich auch, aber...jetzt bin ich wieder hier.«

Ich schnaubte verächtlich. »Das sehe ich. Stellt sich nur die Frage, warum. Du hast doch schon längst entschieden, dass wir nicht mehr zusammen sein können. Also warum zurückkommen?«

»Weil ich verdammt noch mal nicht mehr davonlaufen möchte. Das war falsch und feige von mir.« Er stockte und schluckte hart. Ich spürte, dass er wütend auf sich selbst war. Zurecht. »Ich habe dich verletzt, als ich dich angelogen habe, was Dads Tod angeht. Aber anstatt zu bleiben und es richtig zu stellen, bin ich geflüchtet. Das hätte ich nicht tun sollen. Es tut mir so unendlich leid.«

Ich hätte mich freuen sollen, dass er hergekommen war, um sich zu entschuldigen, aber konnte ich das? War es damit wirklich getan? Er hatte mir zum zweiten Mal das Herz gebrochen. »Du hast mich nicht nur verletzt, Luc. Du hast mir mein verdammtes Herz gebrochen und es mir anschließend aus der Brust gerissen. Zum zweiten Mal«, flüsterte ich schließlich. Mein gesamter Körper schmerzte, und mir entging nicht, dass es Luc nicht anders ging. Der gequälte Ausdruck in seinem schönen Gesicht sagte alles.

Luc schloss die Augen und ballte seine Hände zu Fäusten. Als er mich wieder ansah, sah ich den blanken Schmerz, der in seinem Ozeanblau schwamm. »Ich weiß, Blue. Fuck, ich weiß es so sehr. Und ich hasse mich dafür, dass ich dich wieder enttäuscht habe, das war nie meine Absicht«, sagte er leise. »Bitte lass uns reden. Lass es mich erklären. Noch ein einziges Mal. Dann kannst du selbst entscheiden, ob du mich noch in deinem Leben haben möchtest. « Zu meinem eigenen Erstaunen nickte ich. Ich nickte und gewährte es Luc, sich dieses eine Mal zu erklären, auch wenn es mich überraschte, dass ich dazu bereit war. Doch trotz der Wut und Enttäuschung, die ich in Bezug auf ihn empfand, verspürte ich auch den Wunsch, ihn reden zu lassen und seine Sicht der Dinge kennenzulernen. Also bedeutete ich Luc, mir die schmale Holztreppe hinauf zum Heulager, in dem wir früher viele ungestörte Momente verbracht hatten, zu folgen. Und er tat es, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ich war mir sicher, dass er sich an alles, was wir hier oben erlebt hatten, erinnerte. Ich jedenfalls tat es, was wunderschön und schmerzhaft zugleich war. Schließlich ließ ich mich auf dem Boden, der voller weichem Heu war, nieder, während Luc es sich mir gegenüber gemütlich machte und sich mit dem Rücken an einen Heuballen lehnte. Dann sahen wir einander einfach nur an. In einem Moment der Stille saugten wir den Anblick des jeweils anderen ein und prägten uns so viel ein, wie wir konnten, bis Luc die Stille durchbrach und den Moment beendete.

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