KAPITEL 27

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Liv

Es war lange her, dass ich so sehr die Fassung verloren hatte wie heute. Geweint hatte ich seit Conleys Tod oft, aber nie hatten mein Herz so sehr vor Schmerzen geschrien wie in dem Moment, in dem ich Luc von unserem Unfall, Conleys Tod und meinen Schuldgefühlen erzählt hatte. Es hatte sich angefühlt, als würde sich ein Feuer durch meine Organe fressen und jedes einzeln verbrennen, bis nur noch eine schwarze Leere übrig war. Eine Leere, die Platz für noch so viel mehr Schmerz bot. Dann war mein Körper von kleinen, chaotischen Erdbeben erschüttert worden. Als Luc mich schließlich auf seinen Schoß gezogen hatte, war der Schmerz in meinem Inneren ein bisschen abgeflaut, die Erdbeben schwächer geworden, bis die Erschütterung irgendwann ganz nachgelassen hatte und ich einfach nur noch erschöpft gewesen war. Seine Nähe hatte mich eingehüllt wie eine Decke, mir Wärme und Trost gespendet und für einen Augenblick von meiner Last befreit. Noch nie war es mir so klar vor Augen gewesen wie in jenem Moment, dass ich Luc brauchte. Egal wie sehr er mir das Herz brach, mich alleine ließ und sich in Stille hüllte, er würde immer mein Anker bleiben. Obwohl ich ihn für das, was er mir mit seinem Verschwinden angetan hatte, hassen sollte, hatte er es in dem Moment, in dem er einfach nur mit mir hier gesessen, mir zugehört und aufmunternde, tröstende Worte für mich geflüstert hatte, zurück in mein Herz geschafft. Mein Herz, das ihn womöglich nie ganz vergessen konnte, egal wie sehr ich es auch versucht hatte. Dass ich nie aufgehört hatte, ihn zu lieben, hatte mich wie ein Blitz getroffen, als Luc begonnen hatte, mir zu sagen, dass der Unfall und Conleys Tod nicht meine Schuld waren. Diese Worte hatten gereicht, um mein Herz unter all den Tränen zum Rasen zu bringen und es mit so viel Liebe zu fluten, dass ich für einen Augenblick atemlos gewesen war, und das hatte sich bis jetzt nicht geändert.

Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während ich noch immer in seinen Armen lag, den Kopf an seine Brust gepresst, die Hände in sein weißes Hemd gekrallt, als könnte ich so verhindern, dass er mich je loslassen würde. Meine Tränen waren längst getrocknet, der Schmerz in meinem Herzen nur noch ein kleines Echos, doch ich traute mich nicht, den Kopf von seiner Brust zu lösen und mich der Realität zu stellen – Luc zu stellen, dessen warme Hände fest auf meiner Taille ruhten, wo er mit seinen Daumen kleine Muster malte, die mir viel zu sehr unter die Haut gingen. Ich spürte seine festen Oberschenkel unter meinem Po, seinen warmen Atem in meinem Haar und roch seinen Duft, der mich ganz benommen machte. Hier, in dieser Position auf seinem Schoß und in seinen Armen, fühlte ich mich wohl und leicht, so unglaublich leicht, nachdem ich mein Herz von einer großen Last befreit hatte. Wenn ich aufstehen und zurück zu den anderen, die sich sicher längst Sorgen um mich machten, gehen würde, müsste ich all das aufgeben – die Sorglosigkeit, die Leichtigkeit und das wunderschöne Gefühl seiner Wärme auf meiner Haut. Ich hätte den Rest meines Lebens so verweilen können, wenn Luc nicht in diesem Moment die Stille durchbrochen und mich in mein Leben zurückgerissen hätte. »Ich bin dir so dankbar, Blue, dass du mir all das anvertraut hast, obwohl ich dir tausend Gründe geliefert habe, es nicht zu tun«, raunte er in mein Haar, während seine linke Hand sanft über meine Taille zu meinem Rücken fuhr und mich zum Erschauern brachte. Gott, diese Hände...

Ganz langsam, um den Moment noch etwas zu halten, löste ich meinen Kopf von seiner Brust. Mein Blick glitt über den dunklen Fleck auf seinem Hemd, den meine Tränen und mein Make-up hinterlassen hatten, zu seinem Hals bis hin zu seinem Gesicht, aus dem mich tiefblaue Augen mit so viel Sorge, Zuneigung, Trauer und Schwere anblickten. Es reichte, um mich gefangen zu nehmen und mein bescheuertes Herz schneller schlagen zu lassen. Es reagierte auf ihn und seine berauschende Nähe. Vorsichtig löste ich eine Hand von seinem Hemd und ließ sie behutsam zu seiner Wange gleiten, die sich warm und stoppelig unter meiner Hand anfühlte. Wie hypnotisiert starrte ich auf seinen Mund und ließ meinen Daumen im selben Moment über seine weichen Lippen gleiten, was bewirkt, dass Luc gequält die Augen schloss und sein Körper von einem Erbeben erschüttert wurde, das mich zufrieden lächeln ließ. Er mochte dieselbe Wirkung auf mich haben wie früher, doch auch ich ließ ihn längst nicht so kalt, wie er es sich manchmal zu wünschen schien. Ich nahm den Daumen von seiner Lippe und flüsterte: »Es war die richtige Entscheidung, Luc, egal wie viel noch zwischen uns steht. Ich bin froh, dass du es nun weißt.« Ich meinte jedes Wort so, wie ich es gesagt hatte. Denn nie hatte sich etwas richtiger angefühlt, als Luc von dem zu erzählen, das mir seit über zwei Jahren immer und immer wieder das Herz brach.

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