KAPITEL 35

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Liv

»Du weißt, dass es noch längst nicht zu spät ist, um deinen Traum noch wahr werden zu lassen, oder, Luc?«, flüsterte ich, während ich ihm einen fast flehenden Blick zu warf. Ich würde es nicht ertragen, Luc für den Rest seines Lebens unglücklich zu wissen. Er hatte mehr verdient, so viel mehr.

Ein gequälter Ausdruck, der mein Innerstes zum Beben brachte, trat in seine Ozeanaugen.  »Ich wünschte, es wäre so, Blue.« Warum klang er nur so unglaublich kraftlos? So, als hätte man ihm mit einem Schlag all seine Hoffnung genommen?

Ich konnte nicht anders, als mich ruckartig aufzusetzen und meine Hände an sein Gesicht zu legen. Es brach mir fast das Herz, als er für einen Herzschlag lang seine Augen schloss und sich in meine Hände schmiegte. »Aber es ist genau so«, erwiderte ich entschlossen. »Du hast drei Semester lang Bauingenieurswesen studiert, und gemerkt, dass es nicht deins ist. Das passiert so vielen Studenten, Luc. Alles, was zählt, ist, dass du es versucht hast. Dein Dad hätte nicht gewollt, dass du dich für ihn durch etwas quälst, das dich nicht erfüllt.«

»Aber ich bin es ihm schuldig, Blue.«

Ich schüttelte energisch den Kopf. »Das ist Quatsch, und das weißt du. Nur weil Marcus gestorben ist, bevor ihr diesen Streit klären konntet, heißt das nicht, dass du für ihn deinen Traum aufgeben musst. Das war nie sein Wille.«

Unter meinen Händen spürte ich, wie Luc mit den Zähnen knirschte. »Alle zählen auf mich. Die Firma. Greyson. Dad. Mom. Sogar Phoebe.« Er sah mir mit so viel Verzweiflung in die Augen, dass ich sie ihm am liebsten genommen hätte. »Sie zählen darauf, dass ich irgendwann Dads Platz einnehme. Greyson hat keine Kinder, Blue, das weißt du. Wenn ich diese Firma nicht übernehme, dann tut es niemand. Ich kann mein Studium nicht einfach so hinschmeißen, egal wie sehr ich es mir auch wünsche.«

Ich ließ meine Hände zu seinen gleiten und drückte sie sanft, er erwiderte es. »Versuch nicht, irgendwelche Ausreden zu finden, nur weil du Angst hast.« Er wollte mich unterbrechen, wahrscheinlich, um mir zu sagen, dass er keine Angst hatte, doch ich schüttelte den Kopf. »Deine Mom will nur, dass du glücklich bist, genauso wie Phoebe. Und ich bin mir sicher, dass Greyson längst gemerkt hat, was Sache ist. Du weißt, wie aufmerksam er ist. Niemand erwartet von dir, in die Fußstapfen deines Dads zu treten, auch nicht die Mitarbeiter seiner Firma. Und ja, vielleicht bist du der Einzige in deiner Familie, der Winston & Diaz Constructions später noch weiterführen könnte, aber du weißt ganz genau, dass Greyson niemals zulassen würde, dass diese Firma ihr Ende findet. Das ist so ziemlich das letzte, über das du dir Gedanken machen musst.«

Für einige Herzschläge lang herrschte Stille zwischen uns, in der Luc und ich einander einfach nur ansahen. Ich merkte, wie ein kleiner Teil des Zweifels und der Angst von ihm abfiel, als hätte ich ihn mit meinen Worten einen Stein vom Herz genommen. Er wirkte noch immer unentschlossen, schmerzerfüllt und frustriert, aber ich sah auch einen Hoffnungsschimmer, der zuvor noch nicht dort gewesen war. Plötzlich stand Luc auf und zog mich mit sich. Eine Sekunde später lag ich in seinen Armen, roch seinen vertrauten Duft und spürte sein Herz an meinem Ohr rasen. »Es tut mir leid, dass ich deinen Geburtstag ruiniert habe, Blue. Heute sollte es nicht um mich gehen. Es ist dein Tag, nicht meiner«, murmelte er in mein Haar.

Ich löste mich von ihm, um ihn ansehen zu können. In seinen Augen stand Schuld. »Sag sowas nicht. Es ist schon jetzt der beste Geburtstag meines Lebens, Luc. Und es würde noch so viel besser werden, wenn ich wüsste, dass du deinen Traum endlich leben wirst. Ich hasse es so sehr, dich so zu sehen. Ich will, dass du glücklich bist, weil du es dir verdammt nochmal verdient hast.« Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Mein Herz schlug viel zu schnell. »Du bist alles für mich, Luc. Solange es dir nicht gut geht, geht es mir auch nicht gut. Und glaub niemals, dass du meinen Tag damit zerstören könntest. Mein Geburtstag ist mir sowas von egal, wenn es um dein Wohlbefinden geht. Von mir aus könnten wir auch einfach nur in meinem Zimmer sitzen. Hauptsache, du bist endlich glücklich.« Als ich die letzten Worte gesprochen hatte, raste mein Herz wie wild, während mein Atem nur noch stoßweise kam.

Luc blickte mich an, als hätte er ein Gespenst gesehen. Seine ozeanblauen Augen waren riesig, doch da war noch etwas in ihnen, das ich einfach nicht identifizieren konnte. Ich wusste nur, dass es mich nervös machte. Sekundenlang sagte niemand ein Wort. Ich spürte, wie sich die Luft zwischen uns mehr und mehr auflud, bis sie fast greifbar war. Dann stand Luc plötzlich ganz nah vor mir, eine Hand an meiner Wange, Flammen in seinen Augen. »Fuck, Blue«, flüsterte er und sah mich dabei so gequält an, dass mein Herz platzen wollte, weil es diese Art Qual war, die Herzen höher schlagen ließ und Wärme durch den eigenen Körper pumpte. Doch seine nächsten Worte waren es, die meine Welt zum Stillstand brachten. »Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe? Verdammt! Ich habe manchmal das Gefühl, vor all dieser Liebe zu dir platzen zu müssen.«

Mein Herz blieb stehen, nur um dann einen Vollsprint hinzulegen und geradewegs in Lucs Hände zu springen. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. »Was hast du da gesagt?«, hauchte ich. Plötzlich war meine Kehle staubrocken.

Lucs Mundwinkel verzogen sich zu einem wunderschönen, aufrichtigen Lächeln, das mir den Atem stocken ließ. »Ich liebe dich, Blue. Nur dich. Damals wie heute. Jede verdammte Sekunde, die wir voneinander getrennt waren. Ich habe nie damit aufgehört. Ich könnte es nicht einmal, so sehr hast du mir damals den Kopf verdreht.«

Ich spürte die Tränen erst, als sie längst meine Wangen hinunterliefen. Doch es waren keine Tränen der Trauer. Es waren Tränen, die Lucs Liebe in mir hervorriefen. Eine Liebe, nach der ich mich drei Jahre lang gesehnt hatte. Ich hatte sein Ich-liebe-dich so sehr vermisst, dass es mich vollkommen überwältigte. Durch den Tränenschleier hindurch blickte ich die Liebe meines Lebens an. Den Mann, der mir seit Jahren alles bedeutete. Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen und flüsterte: »Ich liebe dich auch, Luc. So sehr, dass ich an gar nichts anderes mehr denken kann. In meinem Kopf bist immer nur du.«, ehe ich meine Lippen auf seine legte. Ich spürte, wie er lächelte. Dann waren da nur noch unsere Küsse, die alles andere unsichtbar werden ließen und so viele Gefühle in sich trugen, die wir über drei Jahre lang in uns versteckt hatten. Und als seine Hände meine Taille fanden und mich ganz nah an seine Brust zogen, sodass nicht einmal mehr ein Windhauch hindurchgepasst hätte, verlor ich mich ein für alle Mal vollkommen in seiner vertrauten Wärme. Ich ließ meine Hände in seine samtig weichen Haare gleiten und vertiefte den Kuss, bis Luc ein leises Stöhnen ausstieß und mich mit dem Rücken gegen den Baum presste, unter dem wir Minuten zuvor noch gesessen hatte. Und dann vergaß ich alles. Ich schmeckte, spürte, roch, sah und fühlte nur noch ihn. Ihn, der mein Herz in seinen Händen trug.

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