Luc
Das schrille Klingeln meines aus der Hölle stammenden Weckers war das erste, das ich am Freitagmorgen zu hören bekam. Ein schrilles, ohrenbetäubendes Geräusch, das mir die Ohren wegpustete. Mit einem leisen Knurren schaltete ich das verdammte Ding aus und setzte mich in meinem großen King Size Bett auf, um mich im nächsten Moment zu strecken. Das leise Knacken meiner Knochen ließ mich ein leises Stöhnen ausstoßen. Dann wanderte mein Blick automatisch zu dem kleinen, schwarzen Gegenstand auf meinem Nachttisch. In den vergangenen drei Jahren, die ich irgendwie überlebt hatte, hatte es keinen Morgen gegeben, an dem das in Leder gebundene Notizbuch nicht das erste gewesen war, das ich gesehen hatte. Und das war gut so. Denn es erinnerte mich daran, dass ich vor drei Jahren nicht nur mein eigenes Leben zerstört hatte. Ich schluckte hart, ignorierte das schmerzhafte Ziehen in meiner Brust, was ich mittlerweile ziemlich gut beherrschte, während ich den Blick endlich von Livs Notizbuch löste. Ich hatte kein Recht dazu, ihr Notizbuch zu besitzen, auch wenn es bei mir war. Dieses Recht hatte ich mir vor langer Zeit verspielt.
Schnell schüttelte ich den Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen, auch wenn es selten half. Dann stand ich auf, machte mein Bett und legte das Notizbuch schließlich auf die Bettdecke, ohne es auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Um wegen dieses Dinges nun auch noch einen verdammten Nervenzusammenbruch zu bekommen, hatte ich wirklich keine Zeit. Wenn ich es in den letzten Jahren irgendwie geschafft hatte, nicht wie ein Schweizermesser zusammenzuklappen, dann würde ich das auch heute noch schaffen, genauso wie morgen und nächste Woche. Der Hass und die Wut, die ich ständig empfand, waren längst zu einem Teil von mir geworden, hatten sich in meinem Herzen eingenistet wie ein lästiger Bazillus. Ich hatte gelernt, mit ihnen zu leben, weswegen ich sie die meiste Zeit über kontrollieren konnte, um nicht vollkommen in der Dunkelheit zu versinken. Nur an manchen Tagen verlor ich mich vollkommen in der Dunkelheit. Das waren die Tage, an denen der Schmerz besonders groß war.
Ich wandte mich von meinem Bett ab. Ich musste zur Uni, auch wenn mein Magen sich bereits bei dem Gedanken an mein Studium verkrampfte. Ich verspürte bereits jetzt die größte Lust, mich wieder einmal mit Professor Doubt anzulegen, wie es üblicherweise freitags im Kurs passierte. Ja, das Arschloch hieß ernsthaft Doubt mit Nachnamen. Tatsächlich passte das erschreckend gut zu ihm, jedenfalls nach den Erfahrungen, die ich in fast einer Wochen Uni mit ihm gemacht hatte. Jedes Mal, wenn ich den Kerl sah, bekam ich große Lust, ihm eine zu verpassen und meiner Wut endlich ein Ventil zu geben, wie ich es in meinem letzten Highschooljahr oft getan hatte, wenn die Wut zu groß gewesen war. In schwarzen Jeans und einem weißen T-Shirt ging ich schließlich in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen, der mir hoffentlich wie nach jeder schlaflosen Nacht der vergangenen Jahre wieder einmal das Leben retten würde. Solche Nächte hatte es in den vergangenen Jahren viel zu oft gegeben. Meistens sah ich ihn wieder und wieder in meine Albträumen sterben, manchmal waren es auch Liv, Mom oder Phoebe. Seit jenem Tag vor über drei Jahren begleiteten mich diese Albträume nun schon und sie schienen von Tag zu Tag schlimmer zu werden.
Mit meinem Handy in der einen Hand und der Kaffeetasse in der anderen lehnte ich mich gegen die Spüle und genoss die Stille in der Wohnung, die ab heute Abend, wenn mein Mitbewohner Newton aus dem Krankenhaus zurückkam, erst einmal Geschichte sein würde. Newton Tyler war mehr als in Ordnung, aber ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden, alleine zu sein, mich von Menschen fernzuhalten. Deswegen hatte ich keine Ahnung, wie es sein würde, mir mit ihm eine Wohnung zu teilen. Wir kannten uns kaum, auch wenn ich ihn ein oder zweimal im Krankenhaus besucht hatte, aber im Grunde waren wir Fremde. Ich konnte so oder so niemanden gebrauchen, der sich in meine Angelegenheiten einmischte. Mit Phoebe in eine Wohnung zu ziehen war definitiv nie in Frage gekommen, also musste ich mich wohl oder übel damit abfinden, bei einem Fremden zu wohnen. Als meine Tasse leer war, stellte ich sie in die Spüle und checkte auf dem Weg zur Wohnungstür mein Handy. Meine Zwillingsschwester hatte geschrieben. Wer auch sonst. Es war ja nicht so, dass da übermäßig viele Leute gewesen wären, die mir hätten schreiben könnten.
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REPEAT HIS LOVE TODAY
Romance»Ich habe nie dich gehasst. Ich habe das gehasst, was du mir angetan hast...« Liv und Luc. Seit ihrer Kindheit haben sie einander geliebt, bis Luc nach dem Tod seines Vaters spurlos verschwindet und Liv nichts als ein gebrochenes Herz bleibt. Drei...