KAPITEL 19

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Luc

Bereits als ich meinen ersten Fuß auf das Gelände des Gestüt Silverlakes setzte und weiter in Richtung der lauten Stimmen ging, die aus der Ferne an mein Ohr drangen, wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war, ausgerechnet heute herzukommen. Ich schien mitten in einem riesengroßen Chaos, das ich absolut nicht gebrauchen konnte, gelandet zu sein. Je näher ich der lauten Auseinandersetzung kam, umso schneller schlug das verdammte Organ in meiner Brust, das sich so ziemlich den falschen Tag ausgesucht hatte, um seine Arbeit wieder aufzunehmen, als hätte es nicht drei Jahre lang still gestanden. Ich setzte angestrengt einen Fuß vor den anderen und nahm die Umgebung um mich herum kaum war, während mein Blick ausschließlich auf die drei Personen, die ich nun als Daniel, Livs Onkel Sean und ihren Dad Jonah erkannte, und das schwarze Pferd gerichtet war. Während Jonah und Sean wild miteinander redeten und gestikulierten und aussahen, als würden sie jeden Moment in die Luft gehen, stand Daniel einfach nur still da und schien angestrengt über etwas nachzudenken. Doch das war es nicht, was mich wie angewurzelt stehen bleiben ließ. Viel mehr war es das Pferd, dessen Zügel Daniel in den Händen hielt. Mein Herzschlag beschleunigte sich, meine Brust wurde eng. Akasha war von Anfang an meine Stute gewesen. Ich kannte sie in- und auswendig, so gut, dass ich sie vermutlich aus 100 Kilometern Entfernung erkannt hätte. Und die schwarze Stute, die dort neben Daniel stand, war ziemlich sicher genau sie. Es erklärte mir allerdings nicht, warum sie vollständig gesattelt und getrenst war, während ihre Ohren wild durch die Gegend zuckten und ihre Atmung viel zu schnell ging, als hätte sie Angst.

Sean und Jonah konnten unmöglich gewusst haben, dass ich heute kommen würde, um mit ihnen über Akasha und unser Training, das ich wieder aufnehmen wollte, zu sprechen. Doch ich konnte mir auch schlecht vorstellen, dass sie Daniel auf ihren Rücken ließen. Daniel konnte zwar reiten und hatte durchaus viel Erfahrung, aber Akasha war unglaublich sensibel, sodass Liv und ich schon damals die Höchstgrenze an Personen, die auf ihr reiten konnten und durften, gewesen waren. Und wenn das heute noch immer so war, dann stimmte etwas in diesem Bild nicht. Denn von Liv war weit und breit nicht die kleinste Spur. Ich runzelte nachdenklich die Stirn, vertrieb meine Gedanken dann aber mit einem Kopfschütteln und setzte mich endlich wieder in Bewegung. Was auch immer da los war, ich würde es vermutlich so oder so gleich erfahren, auch wenn es mich sehr wahrscheinlich nichts anging. Ich war schon froh, überhaupt hier sein zu dürfen, ohne dass mich jemand verscheucht hatte. Doch bis jetzt hatten die drei mich auch noch nicht entdeckt, also sollte ich mich vermutlich nicht zu früh freuen. Ich war mir ziemlich sicher, dass Jonah Parker ebenso wie Liv nicht gerade einen Freudentanz aufführen würde, wenn er mich sah, nach dem, was ich Liv angetan hatte. Bei Sean, der viel gefährlicher aussah, als er wirklich war, und Daniel, der es nicht einmal schaffte, eine verdammte Fliege zu töten, machte ich mir zwar eher weniger Sorgen, aber wer wusste schon, was die drei Jahre aus ihnen gemacht hatten. Und da sie weder blind noch taub waren, ging ich davon aus, dass auch sie die ganze Geschichte kannten, in der ich nicht gerade als der strahlende Held davonkam. Es würde sicher interessant werden.

Ich fuhr mir durch meine Haare, dann ließ ich meine Hände in den Taschen meiner Jacke verschwinden und konzentrierte mich darauf, nicht vollkommen den Verstand zu verlieren. Doch je näher ich den dreien kam, umso schwerer wurde es. Und als die ersten Gesprächsfetzen zu mir durchdrangen, machte sich eine unangenehme Schwere in meinem Magen breit, während eine seltsame Vorahnung in mir hochstieg. Ich war nur noch knappe zehn Meter von Sean, Jonah und Daniel, die immer noch viel zu sehr in ihre Diskussion vertieft waren, um mich zu bemerken, als meine Welt ins Wanken geriet und die Vorahnung mit einem Mal viel zu real zu sein schien. »Sie ist seit über drei Stunden verschwunden, Sean. Da kann doch etwas nicht stimmen«, hallten die von Sorgen getränkten Worte von Livs Dad in meinen Ohren wider.

Innerhalb eines Herzschlages wurde mein gesamter Körper in Alarmbereitschaft gesetzt, bereit dazu, jeden Moment einzugreifen. Mein kaltes Herz flehte mich an, zu ihnen zu gehen und sie verdammt nochmal zu fragen, was los war, während mein Verstand mir sagte, dass ich lieber umkehren sollte, bevor es zu spät war. Es war gut möglich, dass Jonah gar nicht von Liv geredet hatte, auch wenn das Stechen in meiner Brust und die in mir aufsteigende Angst mir etwas anderes sagten. Es wäre so leicht gewesen, umzudrehen und einfach zu gehen, und doch...Ich beschleunigte meine Schritte, bis ich fast rannte. Wenn es hier um Liv ging, dann konnte ich nicht gehen. Niemals, und das war das Schlimmste daran und würde sich nicht ändern. Doch ich hatte gerade keinen Kopf, um mir darüber Gedanken zu machen, was das für Liv und mich bedeutete. »Was zur Hölle ist passiert? Geht es Liv gut?«, fragte ich, kaum imstande, das wütende Chaos in meinem Inneren in Schacht zu halten, als ich bei Sean, Daniel und Jonah zum Stehen kam. Doch ich gab mir all die Mühe, die ich aufbringen konnte, um meine Gefühle im Zaum zu halten, so, wie ich es immer tat. Seltsam nur, dass ich genau das nie schaffte, wenn es um Olivia Parker ging. Liv hatte diese bestimmte Wirkung auf mich, die mich von einer Sekunde auf die andere in die Marionette meiner Gefühle verwandelte. Ich hatte keine Chance, egal ob Liv anwesend war oder nicht.

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