Das einzig echte an Menschen ist ihre Falschheit (2)

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„Sie wird für mich sterben."

Mit einem Keuchen wachte Ave auf.

Sie saß kerzengerade in ihren warmen Fellen. Ein paar Kissen waren um ihren heißen Körper platziert und markierten genau, wo sie gelegen hatte.

Ein lautes Zischen ertönte hinter ihr, als jemand erschrocken einatmete. Leises Rascheln zog sich über die Felle, die auch auf dem Boden neben ihr platziert waren.

Die Augen vor Panik noch fest zusammengepresst, öffnete Ave sachte ihre Lider. Das grelle Licht fiel durch ihre Iris und brannte sich in ihr Inneres, als würde sich die Sonne in ihr verewigen. Schützend zog sie ihre rechte Hand hoch und bedeckte ihr Gesicht mit schützendem Schatten. Zögerlich spähte sie durch die kleinen Lücken ihrer Hand.

Pochend meldete sich ihr geschundener Kiefer. Instinktiv riss sie ihre linke Hand hoch, um den Schaden zu begutachten, doch sobald sie ihre Muskeln anspannte, zog sich ein heißer Schmerz blitzartig durch ihren Arm. Kraftlos ließ sie in wieder sinken.

Langsam erschlaffte auch ihre rechte Hand, als sich ihre Augen an das schummrige Licht des Zeltes gewöhnt hatten. Blinzelnd starrte sie um sich. Ihr kostbares Zelt hatte sich nicht verändert, alles war beim Alten geblieben und stand an seinem vorgesehenen Platz. Nach wie vor prasselte ein Feuer neben ihr und draußen regte sich das Leben um sie.

Ihre Lunge brannte, als sie endlich einatmete. Vor Schmerz hatten sich ihre Muskeln verspannt und unwissentlich hatte sie die Luft angehalten. Entspannung machte sich in ihr breit und Erschöpfung kam kriechend über sie. Kraftlos sank sie zurück in ihre Kissen.

Leise murmelte sie zu sich selbst. Es war nur ein Traum Ave, nur ein Traum. Er liebt sie nicht und er wollte dich auch nicht umbringen. Keiner wird sterben außer dieses dreckige Mädchen. Es war alles nur ein Traum.

Für einen kurzen Moment schlossen sich ihre Augen, als sich Nässe auf ihrer Stirn breit machte. Wasser fiel Tropfen für Tropfen auf sie, biss sich ein feuchter Lappen auf ihre schweißnasse Stirn senkte.

Für einen kurzen Moment genoss sie die erlösende Kälte, bis ihr Kopf verarbeitet hatte, was um sie herum geschah, als müssten sich ihre Sinne erst wieder sammeln und vereinigen, bevor sie ihr wieder zu Diensten waren. Ave erstarrte. Keiner hatte ungefragt Befugnis zu ihrem Zelt. Sie spürte, wie feine Finger den Lappen auf ihre Haut pressten. Es gab keine Männer in ihrem Lager, die solch eine Feinfühligkeit besaßen, weder noch hatte sie Frauen in ihrem Lager, die sie hätten verarzten können. All ihre Sinne waren scharf gestellt, während sie angestrengt darüber nachdachte, was geschehen sein könnte, seitdem sich die schwarze Dunkelheit des Schmerzes über sie gelegt hatte.

Was war passiert?

Das letzte, an das sie sich erinnern konnte war, dass Melia sie verschont hatte. Ein Männergesicht drückte sich in ihren Verstand. Dunkelbraune regennasse Locken umrahmten sein ebenmäßiges Gesicht, während seine Augen mitleidig zu ihr hinab sahen. Wer war dieser Mann?

„Diese Ausgeburt der Widerlichkeit!", schrie sie durch den Raum und wischte sich die Nässe des Lappens aus ihrem Antlitz. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich darüber ärgerte, dass Melia sich so von einem Mann hatte beeinflussen lassen. Was hatte die Prinzessin sich denn dabei gedacht? Ave verkniff die Augen, sie sollte sauer auf dieses Mädchen sein, weil sie sie umbringen wollte, doch stattdessen empfand sie Zorn darüber, wie Melia gehandelt hatte.

Zu Aves Missfallen durfte sie sie nicht einmal für ihre Dummheit umbringen, was sie in dieser Situation allerdings liebend gerne getan hätte. Die Mörderin strich den Gedanken aus ihrem Kopf. Sie hatte keine Zeit sich mit sowas zu beschäftigen, viel wichtiger war, wer die Person über ihr war. Schlagartig kehrte ihr Kopf wieder in die Gegenwart zurück.

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