Zorn ist das Werk von Hass (2)

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„Wir müssen reden!"

Melia verdrehte die Augen offen und schaute gespielt vertieft auf ihren Salat. Es waren immer dieselben Fragen, mit welchen er sie zu durchlöchern beabsichtigte. Fragen, die ihm nie Ruhe bringen würden. Das leichte Kauen ihrer Mutter und das Rascheln der Servierte schob sich in ihre Gedanken. Sie blickte hoch. Die Augen von Sophell waren ebenso konzentriert auf ihren Teller gerichtet, wie ihre eigenen zuvor. Langsam drehte sie ihren Kopf in die Richtung ihres Vaters.

Heute stimmte etwas nicht.

Ihr Vater legte das Besteck fein säuberlich neben den Teller und stützte sich auf seine verschränkten Hände.

„Du hast in der Erde gewühlt, richtig?", sagte er mit monoton tiefer Stimme. Melias Augen verengten sich. Woher wusste er von ihren Tätigkeiten? Welcher der Barbaren hatte sie verraten. Sie wusste, egal wer es war, sie würde ihn umbringen. Gespielt verwundert starrte sie ihm entgegen, seinen harten Blick aufrecht erhaltend.

Caphan entzog eine Hand seinem Griff und tippte sich mit den Fingern an den Hals. Panisch fuhr ihre Hand an die Stelle, die er ihr gezeigt hatte. Nasse Kühle machte sich auf ihren Fingern breit. Sie fluchte innerlich. Der Sklave hätte ihr mitteilen sollen, dass ihr Äußeres nicht makellos war. Sie drehte sich auf ihrem Stuhl und blickte hinter sich in den Raum, doch das unvergesslich hässliche Antlitz des kleinen Barbaren ließ sich nicht ausfindig machen. Sie drehte sich langsam wieder herum und griff beherzt nach einer der Servietten, die sich neben den Muscheln befanden. Ihre Finger umschlossen den rauen Stoff. Sie starrte ihren Vater an, der geduldig wartete, dass sie fertig wurde. Ihre Augen duellierten sich mit dem Blick ihres Vaters. Fast nebensächliche setzte sie die Serviette an ihren Hals, nicht bemerkend, wie sich der weite Ärmel ihres Armes um das Weinglas schmiegte und es mit einem berstenden Klirren auf dem Boden zersprang, als sie ihre Hand zurück zog, den roten Wein um sich streckend, auf ihr feines weißes Gewand spritzend. Von all dem bekam weder sie noch der König viel mit, denn es schien, als würden sie in Gedanken miteinander kämpfen, Schwerter schwingen und Ansprachen halten, um sich Anhänger hinter sich zu scharen, ohne dass sie sich auch nur einen Millimeter von der Stelle bewegten. Hingegen von Sophell, die erschrocken aufsprang, um sich dann mit einem resignierten Lächeln langsam wieder auf ihren leicht quietschenden Stuhl nieder zu lassen.

„Schätzchen, sag mir wie alt du bist!" Caphan faltete seine Finger fester zusammen und stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch auf. Melia sog die Luft ein und ballte die Serviette unter dem Tisch zusammen. Der nächste Satz würde sich um ihre Pflichten als Prinzessin drehen und wie wenig sie sie erfüllte. Er würde ihr Vorwürfe machen. Sie würde ihm das Versprechen geben alles Nötige zu tun, nur um dann nicht mehr an seine Worte zu denken.

„Ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden was ich tue, Vater!" Sie wandte den Blick ab, griff nach der Gabel und stocherte energisch in dem unschuldigen Salat herum, bis er nur noch aus kleinen Fetzten bestand.

„Ich spiele nicht auf deine Pflichten an, Melia. Mir geht es an dem heutigen Tage nicht darum. Ich will, dass du einen Mann findest." Seine Stimme schnitt ihre Bewegungen ab.

Melia war inzwischen im Heiratsfähigen Alter angekommen, welches man bei ihnen mit 16 Jahren erreichte. Die meisten Mädchen, insbesondere die meisten Prinzessinnen, waren bereits ihren Ehepartnern im Kindesalter zugesprochen worden, doch da sie die Thronerbin war, verhielt es sich bei ihr etwas anders. Sie war bereits 18 und hatte all ihre glamourösen Verehrer mit Bravour abgelehnt. Ihr Vater wünschte sich lediglich Nachwuchs und einen gesicherten Thron, das war ihr bewusst, doch sie wollte keine Predigten darüber hören. Sie wollte keinen Mann, sie wollte keinen Thron, sie wollte einfach eine freie Person sein, die ihr Leben so gestalten konnte, wie es ihr beliebte. Doch sie wusste, dass sie so etwas nie erreichen würde.

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