Kehre deinem Feind niemals den Rücken zu (2)

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„Holla meine Liebe. So geht das nicht. Wir haben dir mehr oder weniger eine Rüstung besorgt, dir schicke Messer gegeben und zugesehen, dass du in dieses Schloss rein kommst. Wenn du genau so auf diesen perfiden Hof spazierst, haben sie dich innerhalb von wenigen Augenblicken. So-", ihr Blick strich an Melia herunter. „Kannst du da noch nicht raus. Meine einzige Aufgabe in diesem verrückten Plan ist es, dich bis zur verdammten Plattform zu bringen. So kriege ich dich nicht mal fünf Meter weit, dafür ist dieser Hof viel zu voll mit Leuten, die durch Steckbriefe dein Gesicht kennen." Sie lachte und wandte sich ab, um den Raum zu durchstöbern. Ihre Augen striffen durch die Bäckerstube und suchten nach einer Lösung für das Problem. Melia folgte ihnen, bis sie dasselbe entdeckte, wie Yikini auch.

Ein einsamer, alter Umhang hing an der Wand, vollkommen eingestaubt von Dreck und Mehl. Er musste wohl dem Bäcker selbst gehören, denn er war nichts für die schlanke Figur, eher für einen Bären. Hier und da waren Fetzten von unterschiedlich buntem Stoff über den durchlöcherten braunen Stoff genäht. Am Kragen fehlten zwei Knöpfe, sowie hatten einige Taschen der Innenseite so große Löcher, dass sie nicht mehr zu nutzen waren. Dennoch griff Yikini, ohne groß zu zögern, nach dem Umhang. Nach ein paar Klopfern, einmal über das gesamte Stück verteilt, warf Yikini ihn über Melias Schultern. Trotz des Klopfens stob eine kleine Staubwolke in die Luft und setzte sich auf Melias Rüstung, die nun ebenso verdreckt war, wie vor der kurzen Putz Episode. Glücklicherweise bestand diese nicht aus Metall, sondern aus Leder, damit sie sich besser und lautloser bewegen konnte und trotzdem geschützt war. Sie hatten ihre einen Brustschutz, Beinschutz und Schulterstücke besorgt, die für die doch geringe Qualität recht schön verziert waren. Halt das, was man auf dem Schwarzmarkt zusammentreiben konnte. Der ganze Staub sorgte sogar dafür, dass man den farblichen Unterschied der Teile kaum noch wahrnehmen konnte.

„Der Rest ist jetzt schon an der Plattform angekommen, korrekt?", vergewisserte sich Melia noch einmal des Plans, deren Verstand zurück in ihren Kopf geholt worden war. Wut und Rache waren trotz ihrer Hilfe doch nicht alles.

„Fast genau. Sie müssten ungefähr jetzt auch im Hof eintreffen." Yikini überprüfte noch einmal, ob all ihre Messer an der richtigen Stelle saßen und beobachtete, wie sich Melia die Kapuze ins Gesicht zog. Man sah nur noch, wie eine vermummte Gestalt ins gleißende Sonnenlicht trat, nach der Türklinke griff und die Tür knatschend aufzog.

Ein Strom von hunderttausend Gerüchen schossen Melia ins Gesicht. Notgedrungen atmete sie die verbrauchte Luft ein. Neben all den süßlich schimmernden Düften der Stände und dem freudigen Lachen der Menge vor ihr, stieß ihr ein Duft unangenehm auf. Er kroch unter all den anderen in die Nase und wollte sich gar nicht erst in ihnen entfalten. Der eine mochte ihn wahrnehmen, der andere blendete ihn aus, doch er war da. Bei jedem Atemzug stach er wieder in die Nase. Der stinkende Geruch von quellendem, krabbelndem, langsam kriechenden Blut. Es floss so selbstverständlich wie Schweiß aus dem Körper und setzte sich in jeglichen Poren fest. Die Hitze staute sich unter dem dicken Netz, heizte den Körper weiter auf. Wenn doch etwas von dem stetig produziertem Schweiß durch die Poren kam, vermischte es sich so schnell mit dem nassen Rot, dass der Körper jegliche Funktion verlor, sich abzukühlen.

Melias Nase krampfte sich zusammen. Sie war gewillt die Nasenflügel zuzupressen, so penetrant strich der Geruch durch die Menge. Sie roch all das Leid, was sie Tabon angetan hatten. All die stinkenden Schläge, mit der Hand, mit dem Stock, mit dem Fuß, wie er den Boden küsste und geschlagen liegen blieb. Am schlimmsten rochen jedoch all die Worte, die ungesagt in der Luft hingen. Sie roch das Leid seiner Seele, seines Verstandes, seines Geistes. Sie roch die Tränen vor Schmerz, die sich ungewollt aus seinen Augenliedern pressten, ohne dass er Kontrolle darüber haben konnte.

Es war das erste Mal, dass sie bei dem Geruch von Blut und Leid zusammen zuckte. Das erste Mal, dass sie sich davor ekelte. Sich vor sich selbst ekelte, wie sie so einen Geruch jemals hatte mögen können.

KönigstochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt