Die Liebe stirbt, wenn Hass und Eifersucht aufblühen (1)

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Hört mir zu und schweigt für einen Moment und bedenkt meiner Worte.

Ich erzähle euch von der Göttin.


Wenn die Göttin erwacht,

Wenn die Göttin erwächst,

Wenn die Göttin hintergangen wird

Und wenn die Göttin sich widersetzt.

Dann wird sie fliehen,

Dann wird sie toben,

Dann wird sie reißen,

Die Welt um sich zerbeißen.


Doch wenn sie dann verloren ist,

Ihre Stimme nur noch wie ein Hauch im Winde liegt.

Dann wird es still um ihren Feind,

Bis er am Boden liegt

Und sein Verstand ihm flüstert,

Dass es Zeit sei sie zu verraten,

Zu jagen,

Zu hetzen,

Sie zu ersetzen.


Dann ist der Zeitpunkt, an dem sie nie zurückkehrt,

Dann ist der Zeitpunkt,

an dem sie zur Göttin steigt

Und sich trennt von alldem,

An was ihr Volk sie verraten hat.


Und all das, wenn die Göttin geht.

                      Nevas Erwachen

                     Sommer, 3.123 nach dem Erwachen der Götter

Knirschend faltete Caphan die vergilbten Landkarten zusammen. Seit Jahren war er dazu gezwungen seine müden Augen starr auf die knallbunten Markierungen von Reichen und Besitztümern zu richten. Sie alle würden eine schlechte Zukunft bringen, wenn er nicht der Aufgabe inne wäre sie zu zerstören, ihnen ein für alle Mal den Gar auszumachen und die zu vernichten, die ihm und seinen Untertanen Schaden wollten. In all den Jahren seiner glorreichen Herrschaft hatte er sein Volk geschützt, auch wenn es Tod hatte geben müssen. Nichts war ihm wichtiger das zu umgehen, die Grausamkeit der Welt aus ihr zu verbannen, doch egal was er tat, sie kam immer wieder mit neuen Schlägen, neuen Fertigkeiten und Kniffen zurück. Er war es langsam leid seinen treuen Männern immer wieder das Lied einer blumigen Zukunft preisen zu müssen, damit sie ihren Willensmut nicht verloren. Und sie alle waren für ihn, für ihr Volk gestorben, sie hatten sich für ein besseres Leben opfern müssen.

Jahr um Jahr hatte er schon Kriege geschlagen. Alle gewonnen.

Noch nie musste sein Volk für seine Taten büßen. Nie hatten sie ihr Hab und Gut infolge seiner Gier nach Land verloren, im Gegenteil hatte er nie nach so etwas gestrebt, sondern nur seine Grenzen streng verteidigt. Er war ein ansehnlicher Herrscher, sogar berühmt für sein Tun. In jedem Geschichtsbuch würde er stehen und jeder würde seinen Namen auf den ersten Vokal erkennen. Kinder würden seinen Namen tragen. Eine glorreiche Zukunft würde ihn nach seinem Tod erwarten. Sein Leben schien perfekt zu sein, das einzige Makel war er selbst. Er konnte seine Machenschaften nicht ausstehen. Er war ein harter Kriegsmann, doch auch in ihm blühte ein wohliges Herz, dass nach Frieden rief. Er hatte schon so viele Männer vor seinen Augen und in seinen Armen sterben sehen, dass es inzwischen zu seinem Alltagsgeschäft geworden war. Und es war ihm zuwider. Denn jedes Mal, in jedem Krieg, in jedem Angriff, ließen seine Freunde ihr Leben für ihn und seinen Glauben. Jedes Mal fragte er sich, ob es richtig war, was er tat, ob es jemals zu etwas führen würde. Er hatte schon nach so vielen Auswegen gesucht, doch keine schien ihm die richtige zu sein.

KönigstochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt