Spätherbst,3.123 nach dem Erwachen der Götter
Melia starrte auf den vorbeifliegenden Boden unter sich. Wie er einsam, zerfurcht und zerfallen in die Luft geschleudert wurde und sich hinter ihr wieder schwer mit einem Platschen in den Pfützen absetzte. Der Wind rauschte ihr kühl um die müden Ohren. Sie trug nur ihr gekürztes Haar als Schutz gegen die Kälte, die mit ihren Strähnen spielte. Seit fast einer Woche ritt sie den auffälligen Spuren von Avellyns Marsch hinterher. Der Trupp hatte sich keinerlei Mühe gegeben, die Wagen-, Huf- und Fußspuren zu beseitigen. Sie konnte immer mehr Spuren entdecken, die nicht zu dem ursprünglichen Konvoi gehörten. Jemand hatte sich zu Avellyn gesellt. Eine einfache Geschichte hinzu spinnend und die wenigen Anhaltspunkte der Spuren deutend, ließ sich schließen, dass Firell und seine Begleiter sich dazu gesellt hatten. Melia konnte sich vorstellen, dass ihm die Zeit, die Ave zum Fangen von ihr benötigte, zu viel war. Firell hatte nicht mehr warten können und die Handlungen in eigene Hände genommen. Aber wäre mit Sicherheit nicht auf derartige Ideen gekommen. Firell hatte ihr in gewisser Weise eine Falle gestellt. Aber hätte es offensiv und direkt hinter sich gebracht. Melia hatte, trotz dessen dass sie deren Plan wusste, grimmig feststellen müssen, dass ihm seine Intrige gelungen war. Sie folgte ihnen. Um Tabons Willen. Ganz ließ sie sich dennoch nicht auf das Machtspiel ein. Sie würde kommen, doch zu ihrer Zeit. Sie würde ihn warten lassen. Denn dem Alter der Spuren nach zu urteilen, mussten sie bereits im Schloss angekommen sein. Sie hingegen würde sich so viel Zeit lassen, wie es ihr beliebte.
Das Gequit unter ihr schnaubte laut, während es die Füße fortwährend durch die Luft schleuderte und sie weiter und weiter durch den Wald schleppte. Es war gegen Ende des Tages, die Sonne senkte sich bereits und die Bäume warfen schwarze sich im glitzernden Licht windende Schatten, die fleckig über ihr Gesicht rannen. Melia war bereits durch mehrere Barbarendörfer geritten und hatte sich nach dem Konvoi erkundigt. Nach Tabon. Nach dem Fest. Nach irgendetwas, was ihr helfen könnte. Einen der Kundschafter hatte sie miterleben müssen. Wie er seine Rede in die Welt hinausposaunte und stolzen Hauptes das Pergament zwischen seinen feinen Samthandschuhen zerrieb. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es die Worte Firells waren. Ein Drücken stieß sich ihre Brust hinauf. So wie es jedes Mal erschien, sobald sie sich an die Worte des Elben auf seinem hohen Ross und die zuerst freudigen Kommentare der Zuhörer erinnerte. Nicht etwa, weil sie von Firells Klugheit gegenüber seiner Falle überrascht worden war. Die Seuche machte ihr schwerer zu schaffen. Wie ein Messer schlug die Krankheit jeden Elben nieder, den sie sah. Griff sich an jedem, der zu ihr zu nah kam und riss ihn in Stücke, bis nichts Betrachtenswertes zurück blieb. Sie war gottlos und für jeden das Ende.
Ein Mädchen war nur wenige Schritte vor ihr in dem Dorf von ein paar Jungen Elben in den Brunnen gestoßen worden. Wie ein seltenes Feuerwerk besprenkelten bunte Wassertropfen den Platz und verdampften im Sand, als hätte man sie stark erhitzt. Die Plageschreie der jungen Elbin gellten durch das Dorf, bis sie gurgelnd versiegten. Ihr feiner Körper löste sich unter ihrem einfachen Kleid auf und hinterließ schwarz-rot getränktes Wasser, das nach Verwesung stank. Noch rechtzeitig hatte sich Melia einen Stofffetzen vor Mund und Nase gerissen, sodass keine Ausdünstungen in ihren Körper gelangen konnten. Sie hatte den Platz verlassen, bevor die Eltern anfingen konnten, vor Trauer zu schreien.
Melia strich sich ihre gekürzten Haare aus dem Gesicht und ließ sich in den Sattel zurücksinken. Ihre Finger froren trotz der gefütterten ledernen Handschuhe. Sie griff sanft nach den Zügeln. Das Tier wurde langsamer, parierte durch zum Trab, um schließlich in den Schritt zu gleiten. Die Kälte kroch Melia unter den Mantel, je langsamer sie wurden. Mit einer Hand stellte sie den wollenen Kragen wieder auf, sodass er Hals und Nacken bedeckte. Sie rückte ihren Schal zurecht und hielt das Gequit an. Sie lauschte. Das Tier zappelte. Sie stellte sich in die Bügel und starrte in die Dunkelheit um sich. Es knackte laut.
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Königstochter
FantasyMelia ist nicht gerade die Prinzessin, die den Vorstellungen entspricht. Im Gegenteil ist sie alles, was eine Prinzessin und Elbin nicht in sich vereint haben sollte. Als ihr Vater sie auch noch mit dem verhassten Erzfeind verheiraten will, dreht si...