In jedem entsetzlichen Unglück werden die großen Freuden geboren (1)

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                                                                          Herbst, 3.123 nach dem Erwachen der Götter

„Wir sollten einen Krieg über alle Grenzen hinaus verhindern. Es würde unserem Land mehr Schaden zufügen, als es uns nach vorne bringt.", mahnte die raue Stimme von Caphans Berater. In all seiner Pracht saß der alte Herr auf dem Stuhl rechts vor ihm. Seine Jugend lag weit hinter ihm, wobei er deutlich älter war als der König selbst. Orkan hatte den vorherigen Machthabenden noch miterlebt, wie er existiert und geherrscht hatte. Caphan hätte ihm allerdings gewünscht, dass ihm diese Plagejahre der Regentschaft seines Vaters erspart geblieben wären. Seine Herrscherepoche belief sich auf Grausamkeiten und Leid, geprägt von nie endendem Krieg, bis in jede Pore seines ausgedehnten Reiches. Was der damals noch junge Orkan alles hatte miterleben müssen, war ihm fast vollkommen fremd. Entfernt hatte er die meisten Gräueltaten aus seinem Gedächtnis oder weitgehend zurückgedrängt. Angefangen bei der Kriegssucht von Caphans Vater, endend bei der Verschwendung von jeden Ressourcen, die das Reich hatte, um seinen Durst nach immer mehr Krieg zu stillen. Holz, Gold, Barbaren, Elben. Alles was seine Finger begierten, hatte er sich ohne Vorsicht genommen, beraubt, ausgenutzt und schlussendlich verbraucht. Bis jetzt versuchte Caphan verzweifelt die riesigen Wunden in der Bevölkerung zu heilen, doch auch das geschah nur mit langsam fortschreitender Wirkung, trotz der immensen Bemühungen in den letzten Jahrzehnten.

Caphan hatte weitreichend von den verheerenden Fehlern seines Vaters gelernt, so führte er selbst nur Kriege, wenn es unter keinen Umständen zu vermeiden ging. Jedoch hatte nichts daran vorbeigeführt die angefangenen Feindschaften mit Krieg zu beenden.

Caphan blickte von der vergilbten Landkarte auf dem Tisch auf und sah wieder zu seinem Berater. Die Haare des Mannes waren schon grau und dünn, die fahle Haut viel ihm langsam vom Gesicht und seine wie Honig glänzenden Augen verloren langsam den Schimmer des Lebens. Die Erinnerungen an den Tag, an welchem der Mann sich entschieden hatte zu altern, schwirrten noch in seinem Kopf umher. Er selbst hatte es vor allzu langer Zeit ebenfalls beschlossen, da er für seine Enkelkinder ein angemessener Großvater sein wollte und kein alter Greis, der wie ein Jüngling aussah, als hätte er im Leben noch nichts durchgestanden. Hingegen hatte sich zu seiner persönlichen Freude seine Frau Sophell dagegen entschieden zu altern. Wie er es sah, war es sein Vorteil, denn missen wollte er ihre Schönheit keinesfalls. Immer und immer wieder liebte er es in die glänzenden Augen zu blicken und in ihnen sein Selbst verlieren zu können.

„Sie raten uns immer von Kriegen ab, Orkan, das hat sich seit jeher in unseren Köpfen eingenistet. Zudem habe ich nicht einmal die Absicht einen Krieg zu veranstalten. Ich war lediglich der begründeten Ansicht, dass wir unsere militärischen Truppen aufstocken sollten, da wir angegriffen werden könnten." Caphan faltete die Hände, platzierte sie auf der vergilbten Karte und spielte abwartend mit den Fingern abwartend. Er blickte in die kleine Runde, die teils vor ihm stand, teils auf einem der feinen Stühle Platz genommen hatte.

„Könnte mir vielleicht einer erklären, aus welchen Gründen wir in einen Krieg geraten könnten? Ich meine, wenn doch keine explizite Drohung besteht, warum beraten wir dann überhaupt?"

Caphan schüttelte innerlich den Kopf. Kiran war der Jüngste seiner Berater. Sein Alter betrug sich auf gerade einmal 22 Sonnenjahre. Er war intelligent und führte jeden Befehl ohne Umwege so perfekt aus, wie es ihm ans Ohr gegeben wurde. Doch der blonde Schopf auf seinem Haupt bewirkte, dass er lange brauchte, um gewisse Umstände zu verstehen.

„Kiran, du erinnerst dich doch sicherlich daran, dass wir Melia mit Firell vermählen wollten." Caphans Kopf schweifte zu ihm herüber und beobachtete mit Vergnügen sein eifriges Kopfnicken.

„Gut, da du dich daran noch erinnerst, wirst du dich sicherlich auch daran erinnern, was meine Tochter im Speisesaal angerichtet hat." Er blickte durch die Gesichter der Elben vor ihm, doch keiner wagte es sich zu bewegen, geschweige denn zu atmen. Zu gefährlich, zu frisch war die Situation. Sie wollten sich und ihre Meinungen durch ein falsches Nicken, Atmen, Schütteln oder Augenzucken nicht verraten. Sobald seine Augen ihre trafen, wurden innerhalb einer Sekunde alle Gesichter Totenbleich und die Köpfe senkten sich verwegen.

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