„Ave." Tabon stand auf und legte seine Finger in einer einladenden Geste in die Luft. Er zitterte kaum merklich. Sein Oberkörper verbeugte sich, als würde er sie wie ein Gentleman in seinen prachtvollen Gemäuern empfangen. Seine Augen zuckten nervös durch die Zelle. Immer wieder flüsterte er sich zu: Es ist fürs Spiel. Nur noch ein Mal. Es ist fürs Spiel. Ich muss nur überleben.
Er hob seinen Kopf in die Höhe und starrte sie aus strahlend braunen Augen an, den Oberkörper stets gebeugt. Allmählich fielen einzelne Strähnen aus seinem Dutt und klebten sich feucht an seine geröteten Wangen. „Was verschafft mir die Ehre, dich in meiner behaglichen Zelle empfangen zu dürfen?"
Seine Stimme nahm ein zittriges süß an, als wolle er sie sanft in den Schlaf wiegen. Seine vor Angst schimmernden Augen strichen den Körper der Elbin entlang. Lässig ließ sich Ave mit der rechten Schulter an die Gittertür sinken. Es knackte laut in den rostigen Scharnieren. Sie trug das einfache Gewand einer Kriegerin beim Training. Ein beiges Leinenhemd, mit einer braunen, leicht fallenden Leinenhose. Die Ärmel hatte sie bis zum Ellenbogen hoch gekrempelt. Es ließ sich vermuten, dass sie einige Messer in ihren Hosenbeinen versteckt hatte, doch waren diese nur schwer im fahlen Lichtschein auszumachen. Ihre berühmten YingYang hatte sie abgelegt und lief barfuß, was der Grund dafür sein musste, dass sie sich durch kein Rascheln oder ähnliches verraten hatte. Sie winkelte ihre Arme an und legte den Kopf betörend schief. Ihr düsteres Gesicht entspannte sich ruckartig und ein amüsierter Ton strich über ihren Ausdruck. Ob sie wohl auch Masken beherrschte?
„Wie angenehm, dass du mich herein gebeten hast!" Sie deutete mit stillem Nicken eine Verbeugung an. Tabon beobachtete, wie sich gar selbstverständlich ihre Aura in der Zelle ausbreitete und sie seine in die letzte Ecke verdrängte. Ihr steinerner Blick verfing sich in seinem Wackelndem. Nur den Bruchteil eines Augenblickes schaffte er es der Grausamkeit standzuhalten, bevor er panisch den Kopf senkte.
„Es ist nicht gerade so, als basiere die Einladung auf Freiwilligkeit." Man hörte seiner Stimme das erzwungene Lächeln an. Sie krächzte leicht und schien sich an den unförmigen Bewegungen seiner Zunge abzureiben. Es war nicht mehr von Nöten, dass er seine Finger demonstrativ zu den Schlüsseln der Wache senkte. Seine Finger wirkten nutzlos und starr in der Luft, als hätte er die Zeit angehalten. Er nahm sie herunter und verschränkte sie hinter dem Rücken mit seiner Linken.
„Wie ich sehe, hast du dir Gesellschaft geholt?" Sie wies mit dem Kinn in Richtung von Zeramonik, die sich hinter Tabon aufgesetzt hatte und mit großen Augen dem Geschehen folgte. Er schenkte ihr ein selbstsicheres Lächeln, um sie zu beruhigen. Seine Finger zitterten an seinem Rücken. Mehr war die Geste zu seiner eigenen Beruhigung gewesen als zu ihrer. Äußerlich schien er recht gefasst. Innerlich erlitt er einen Nervenzusammenbruch. Seine Nerven brannten, als wollten sie sich wie Schlangen aus ihm herausziehen. Seine Muskeln kratzten vor Überanstrengung bei jedem Atemzug, den er tat. Sein Blut bebte, als wolle es mit heißem Atem in seinen Adern explodieren. Das Adrenalin pulsierte pausenlos durch seinen Körper und verursachte ein reißendes Jucken unter seiner Haut. Er musste seine Finger krampfhaft festhalten, um sie nicht mit den Fingernägeln an der Haut schabend über seinen Körper rasen zu lassen. Die Entspannung, die durch die Maske über ihn gekommen war, schien nach und nach wieder in vollste Anspannung überzugehen. In diesem Moment würde er sich eher die Haut vom Leibe kratzen, als auch nur einen weiteren Augenblick diese Höllenqualen weiter erleiden zu müssen. Er wandte sich mit einem freundlichen Lächeln Ave zu.
„Ach, das kann man nicht Gesellschaft nennen. Es ist mehr Arbeit als Vergnügen." Er ließ eine Hand los und winkte wie beiläufig ihre Frage weg. Seine Hand fand ihren Weg wieder zuckend zurück in die andere.
„Du weißt, dass wir so etwas nicht gelten lassen können?", zischte Ave mit süßlicher Stimme. Sie hob die Augenbrauen erwartungsvoll und setzte ein siegreiches Lächeln auf. Tabon bemühte sich ihrem Spiel weiter zu folgen, doch verstand nicht, was sie derart von sich selbst überzeugt machte.
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Königstochter
FantasyMelia ist nicht gerade die Prinzessin, die den Vorstellungen entspricht. Im Gegenteil ist sie alles, was eine Prinzessin und Elbin nicht in sich vereint haben sollte. Als ihr Vater sie auch noch mit dem verhassten Erzfeind verheiraten will, dreht si...