Kehre deinem Feind niemals den Rücken zu (3)

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Das Gesicht vor Wut verzogen, schlug sie das Messer in den Pfahl, an den Tabon gebunden war. Schwer atmend blieb sie neben ihm stehen und hob die Arme. Ihre Hände trafen aufeinander. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Immer schneller, immer lauter, immer energischer. Sie hatte gelogen. Sie würde applaudieren, doch nur sie allein. Ihr Oberkörper bebte, sie starrte nach unten. Holte hektisch Luft. Um sie herum wurde es gänzlich still. Nur das Zischen von Yikinis Messern drang durch die Menge. Sie stand vor der Treppe und hielt einsam und allein all die Wachen in Schach, die zu Melia vordringen wollten. Melia senkte ihre Hände. Ihr klatschen wurde regelmäßiger. Sie schlurfte über die Plattform.

„Ich gratuliere", drang langsam, mit einem gar gehässigem Lachen aus ihrem Mund.

„ICH GRATULIERE!", schrie sie ihn an. Sie hob ihren Kopf und starrte hoch zum Balkon, auf dem Firell thronte. Sie konnte seine Gesichtszüge nicht lesen, doch sie hoffte, wenigstens etwas Überraschung hervorgerufen zu haben.

„Zu deinem großartigen Plan." Sie strich wie eine Raubkatze beim Jagen um das Podest herum. Schlurfte mit den Füßen über das Holz, wie ein Wolf auf der Jagd.

„Wie krank kann man eigentlich sein? Mhm? Wie feige bist du eigentlich, dass du dich an meinem Barbar vergreifst? Erkläre es mir bitte! – Wer hat dich dazu getrieben? Avellyn? Oder bist du jetzt gar gänzlich durchgedreht und bist allein auf die glorreiche Idee gekommen, ihn zu misshandeln, um an mich heran zu kommen? Ich wusste ja, dass du krank bist. Das all ihr Männer krank seid. Aber so krank? Das hätte ich dir nicht zugetraut. Einem König." Melia lachte und atmete tief ein.

„EIN VERDAMMTER KÖNIG WILLST DU SEIN? UND SCHAFFST ES NICHT MAL DEN MUT AUFZUBRINGEN, DICH MIR GEGENÜBER ZU STELLEN? DU GEGEN MICH; SO WIE ES SEIN SOLLTE?" Sie schrie aus vollem Leibe. Schrie all die Wut, die Einsamkeit, das angesammelte Trauma aus sich heraus. All die Jahre der Unterdrückung wichen aus ihr. Doch alles was sie vernahm, war Firells Lachen, als sich hinter ihm eine der Türen öffnete und zwei Personen neben ihm erschienen. Eine etwas kleiner, etwas gedrungener. Die andere groß, schlank, elegant. Melia erstarrte.

„Du hast... Du hast meine Eltern da mit rein gezogen? Was für ein krankes Schwein!" Eine weitere Träne schoss aus ihren Augen. Sie wusste, dass ihre Eltern sie hintergangen hatten, sie hatte sich darauf vorbereitet, sich eingeredet, dass es ihr egal war. Doch die Hinterlist der beiden traf sie tiefer als gedacht. Sie hatte vieles erwartet, aber nicht, dass sie gemeinsame Sache mit den Feinden machten. Das war die öffentliche Erklärung, dass sie ihre Tochter als Wesen ablehnten. Sie war nichts mehr. Gar nichts mehr. Sie hatten ihr das Recht zu Leben gestohlen. Nichts, was sie jetzt noch tat, würde sich rechtfertigen lassen. Nichts.

Sie drehte sich um, griff nach dem Messer und fing an die Seile zu durchtrennen, die Tabon oben hielten. Sie hielt ihn am Hemd aufrecht. Die Hand zur Fast gefasst, presste sie ihn an den Pfahl und ließ langsam etwas Heilung über ihn ergehen. Ihre Magie stieß auf Wunden, die erst vor kurzem verschlossen worden waren. Ihre Mutter. Melia schluckte. Wenigstens etwas Herzliches steckte noch in ihr. Tabons Haut glühte. Sein Körper sackte in sich zusammen, als sie das letzte Seil durchtrennte.

„Hey, hey. Bleib bei mir. Du verlässt mich jetzt nicht. Reiß dich verdammt nochmal zusammen, sonst kriege ich dich hier nie raus", flüsterte sie ihm zu. Immer wieder strich sie mit ihrem Ärmel unter ihrer Nase längs und wischte die Feuchte weg.

„Stirb mir nicht. Verdammt nochmal. Stirb mir nicht weg!" Tränen rannen über ihr Gesicht und tropften auf sein blutdurchtränktes Hemd. Was fand sie verdammt nochmal an diesem scheiß Barbar? Er schlug die Augen auf und starrte sie aus seinen trüben braunen Augen an. Verschwommen suchte er ihren Blick, fand ihn mit Mühe. Seine Wimpern schlugen immer wieder schwer aufeinander. Das fand sie an ihm. Sie fand ihn.

KönigstochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt